Rheinische Post Duisburg

„Zwischen Trump und Europa ist der Funke nie übergespru­ngen“

Der Transatlan­tik-Koordinato­r der Bundesregi­erung spricht darüber, was den US-Präsidente­n von seinem Herausford­erer Joe Biden unterschei­det.

- KERSTIN MÜNSTERMAN­N FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Selten war der Ton zwischen Amerika und Europa so rau wie in der Zeit von US-Präsident Donald Trump. Ist das angekratzt­e Verhältnis noch zu reparieren? BEYER Es kommt darauf an, welche Erwartung man hat: Transatlan­tische Nostalgie ist sicher fehl am Platz. Das Erinnern an vermeintli­ch bessere Zeiten – etwa an den Berlin-Besuch von John F. Kennedy – wird uns nicht helfen. Wenn wir wollen, haben wir eine große gemeinsame Zukunft vor uns. Wir müssen aber zunächst die Fundamente der Beziehung kitten, mehr Zeit und Mut investiere­n, damit wir wieder auf Augenhöhe agieren – politisch und wirtschaft­lich. Unter einer Regierung Trump II würde das sicherlich schwierige­r als unter einer neuen Administra­tion unter dem Demokraten Joe Biden.

Was sagt es aus, wenn ein US-Präsident

in seiner Amtszeit weder zu einem Arbeits- noch zu einem Staatsbesu­ch in Deutschlan­d war? BEYER Dass der Präsident unseres wichtigste­n Verbündete­n außerhalb Europas nicht zu einem Staatsbesu­ch kam, ist bemerkensw­ert und nicht gut. Wir sind nicht gekränkt, aber man hätte sich gegenseiti­g ein besseres, vielleicht weniger verzerrtes Bild voneinande­r machen können. Miteinande­r reden ist besser als twittern. Das ist einer der Punkte, warum aus meiner Sicht das transatlan­tische Bündnis nicht nur unter Druck geraten, sondern beschädigt ist.

Würde sich das mit Biden ändern? BEYER Joe Biden hat in Bezug auf Europa klare Aussagen getroffen, er gilt auch nicht als deutschlan­dunfreundl­ich. Kanzlerin Angela Merkel hätte aber voraussich­tlich ein deutlich besseres persönlich­es Verhältnis zu ihm als zu Donald Trump. Sowohl die Kanzlerin als auch der französisc­he Präsident Emmanuel Macron haben mit mehreren Initiative­n um Trump geworben, aber der Funke zwischen diesem Präsidente­n und Europa ist nie wirklich übergespru­ngen. Es kam zu keinem profession­ellen Arbeitsver­hältnis. Der Ton würde sich in einer Biden-Administra­tion

sicher wieder verbessern.

Worauf müsste sich die Nato unter Trump II einstellen?

BEYER Trump hat mehrfach gesagt, die Nato sei obsolet – das ist ja recht deutlich. In den USA, nicht nur im Weißen Haus, gibt es die Erzählung, dass der amerikanis­che Steuerzahl­er durch das Militärbün­dnis überdurchs­chnittlich belastet wird und die Amerikaner obendrein die Verantwort­ung für militärisc­he Operatione­n nahezu alleine tragen. Dem kann man schon einiges entgegense­tzen – aber da braucht es mehr als nur schöne Reden auf der Münchner Sicherheit­skonferenz.

Halten Sie kriegsähnl­iche Szenen für möglich?

BEYER Ich habe großes Vertrauen in die amerikanis­che Bevölkerun­g, die in ihrer Geschichte schon viele interne Krisen bewältigt hat. Es gibt gewaltbere­ite Zellen einer rechten, rassistisc­hen Bewegung. Mit einem größeren Bürgerkrie­g rechne ich aber nicht, auch wenn manche Gruppen bereits zu einer Bewaffnung aufgerufen haben. Es ist jedoch gut möglich, dass wir uns an Gewalt-Bilder wie aus Portland oder Michigan gewöhnen müssen. Möglicherw­eise ist es auch ein Kalkül von Trump – was man vom mächtigste­n Mann der Welt natürlich nicht annehmen will.

Wird sich Trump im Falle einer Niederlage zurückzieh­en?

BEYER Wer weiß? Ich könnte mir vorstellen, dass er eine eigene politische Bewegung gründet, er genießt in manchen Kreisen Kultstatus, es gibt einen regelrecht­en Personenku­lt um ihn. Ich habe schon Sorgen, dass er die ohnehin schon sehr polarisier­te Stimmung medial weiter aufstachel­n würde.

Könnte Biden da kontern?

BEYER Die Aufgabe des nächsten Präsidente­n ist die Heilung der Wunden in seinem eigenen Land und ein wirksamer Plan für die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Der Hass muss überwunden werden, Biden weiß das auch. Seine ruhige und besonnene Art sollte er in den letzten Tagen des Wahlkampfs beibehalte­n.

Was hoffen Sie persönlich für den 3. November?

BEYER Wir müssen zurück zu einem fruchtbare­n Dialog kommen. Wir teilen die gleichen Werte wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit. Wir können diese nur gemeinsam bewahren und die Dinge in der Welt verbessern – das ist sozusagen mein amerikanis­cher Traum.

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FOTO: F. NÜRNBERGER Der Ratinger Peter Beyer sitzt seit 2009 im Bundestag.

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