Altmaier setzt auf Zuversicht
Der Wirtschaftsminister hebt trotz der jüngsten Lockdown-Beschlüsse seine Wachstumsprognose für 2020 leicht an.
BERLIN Wie sehr der Wirtschaftsminister nach den jüngsten Lockdown-Beschlüssen darum bemüht ist, die Stimmung unter Unternehmen und Verbrauchern zu stabilisieren, zeigen die vielen aufmunternden Worte, die Peter Altmaier an diesem Freitag findet. Deutlich schneller als erwartet habe sich die Wirtschaft im dritten Jahresquartal vom wirklich schlimmen zweiten Krisen-Quartal erholt, sagt Altmaier bei der Vorstellung seiner Herbstprognose. Das mache „Hoffnung für die schweren Monate im Winter, die vor uns liegen“, sagt Altmaier.
Er weiß nur zu gut, dass die am Mittwoch beschlossenen Kontaktbeschränkungen und Schließungen die zarte Pflanze des Aufschwungs im Keim ersticken können. Gastronomie, Freizeitbranche, Veranstalter – Tausende Firmen müssen ab 2. November wieder ihre Geschäfte schließen, und das wird zweifelsfrei der Konjunktur schaden. Doch die Wirtschaft hat im dritten Vierteljahr ein beeindruckendes Comeback
hingelegt: Sie wuchs um 8,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal, nachdem sie im zweiten Vierteljahr um fast zehn Prozent geschrumpft war. Das „herausragende dritte Quartal“(O-Ton des Konjunkturchefs im Wirtschaftsministerium, Philipp Steinberg) ermöglicht es Altmaier, seine bisherige Wachstumsprognose für 2020 jetzt sogar leicht nach oben zu korrigieren.
Statt um 5,8 Prozent werde die Wirtschaft um 5,5 Prozent schrumpfen. Im kommenden Jahr soll sie dann wieder um 4,4 Prozent wachsen – und 2022 nochmals um 2,5 Prozent. In zwei Jahren werde man wieder das Vorkrisenniveau erreichen, so Altmaier. Die Zahl der Arbeitslosen soll im Jahresdurchschnitt 2021 sogar wieder um 100.000 auf 2,6 Millionen sinken. Doch der Minister gesteht auch ein: „Wir stehen aktuell an einem Scheideweg. Das Pendel kann in die eine oder andere Richtung ausschlagen.“Nur wenn es gelinge, die Kurve der Neuinfektionen wieder abzuflachen, könne „schwerer Schaden für Unternehmen und Beschäftigte verhindert werden“.
Das überraschend gute dritte Quartal sei ein „Polster und Puffer“, sagt Altmaier. Es gleiche Rückgänge durch die neuen Beschränkungen im November mehr als aus. Das Wirtschaftsministerium war zuvor noch von 1,1 Prozent Wachstum im vierten Quartal ausgegangen. Nach den Beschlüssen von Bund und Ländern vom Mittwoch rechnet der Minister nun aber nur noch mit einem
Plus von 0,4 Prozent. Der Lockdown koste acht Milliarden Euro Wertschöpfung.
Was den Wirtschaftsminister veranlasst zu glauben, das Pendel werde trotz der neuen Einschränkungen ins Positive schwingen, ist vor allem die wieder bessere globale Entwicklung: In China gebe es wieder Wachstum, auch die USA seien im dritten Vierteljahr kräftig gewachsen. Im Unterschied zur ersten Corona-Welle im März/April blieben zudem jetzt die Grenzen offen, und alle Unternehmen verfügten über Hygienekonzepte. Auch wirke das Konjunkturpaket der Bundesregierung bis weit ins nächste Jahr, so Altmaier.
Wirtschaftsverbände sind da skeptischer und sehen große Risiken für die Konjunktur. Für den Industrieverband BDI ist die Konjunktur noch längst nicht über den Berg, auch der Rückfall in eine Rezession sei möglich. Dass die SPD ausgerechnet jetzt eine Diskussion über Steuererhöhungen für Besserverdienende anzettelt, sehen die Verbände höchstkritisch. „Die Menschen, die gut durch die Krise gekommen sind, sollten dem Staat nach der Krise helfen, wieder auf die Beine zu kommen“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lothar Binding, der „Bild“-Zeitung. Ähnlich hatte sich auch schon SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz geäußert.
Der CDU-Wirtschaftsrat reagiert harsch: „Absolut kontraproduktiv sind die Steuererhöhungen, die der
SPD-Abgeordnete Binding ins Spiel gebracht hat“, sagt Generalsekretär Wolfgang Steiger. „Das ist wieder einmal der typisch linke Reflex, der entweder aus ökonomischer Unkenntnis oder ideologischem Trotz resultiert.“Stattdessen müsse es Steuererleichterungen für Unternehmen geben, etwa durch einen unbegrenzten Verlustrücktrag und einen Rücktragszeitraum von fünf Jahren, fordert Steiger.
Auch Altmaier hält eine Debatte über höhere Steuern für „Gift für die Konjunktur“. Der Wirtschaftsminister fordert im Gegenteil ein „Belastungsmoratorium“für die Wirtschaft. Weder das von der SPD geplante Homeoffice-Gesetz noch eine verbindliche Frauenquote für Unternehmensvorstände noch das Lieferkettengesetz dürften umgesetzt werden. Doch über die Zeit nach der Bundestagswahl äußert sich auch Altmaier eher vage: Er persönlich sei zwar gegen Steuererhöhungen auch nach der Wahl. Doch könne er nicht voraussehen, wie sich die CDU-Spitzengremien dazu am Ende positionieren.
„Steuererhöhungen
sind absolut kontraproduktiv“
Wolfgang Steiger Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats