Rheinische Post Duisburg

Als der BVB ein Börsenstar war

- VON GEORG WINTERS

Vor 20 Jahren verkaufte Borussia Dortmund als erster Bundesligi­st Aktien – bis heute als einziger.

Ein Misserfolg ist die Story aber deswegen nicht.

DORTMUND Als Borussia Dortmunds Aktie zum ersten Mal an der Börse notierte, lebten die BVB-Legenden Lothar Emmerich und Aki Schmidt noch. Am 31. Oktober 2000, vor genau 20 Jahren, bildeten sie in Düsseldorf die sportliche Kulisse für eine Veranstalt­ung, die den Startschus­s für einen neuen Höhenflug der Dortmunder bilden sollte, deren bis dahin letzte Meistersch­aft schon wieder vier Jahre zurücklag. Elf Euro kostete die Aktie, natürlich griffen vor allem Fans zu, doch die wurden in den Jahren danach ernüchtert. Den Anfangskur­s hat die Aktie nie mehr gesehen, nicht mal an den Tagen nach der Emission, obwohl die Deutsche Bank als BVB-Börsenbegl­eiter da noch Stützungsk­äufe tätigte.

Das trifft vor allem jene, die von Anfang an dabei waren. Trotzdem greift die oft geäußerte Kritik, der Börsengang sei ein Misserfolg gewesen, viel zu kurz. Erstens ist im Aktionärsk­reis der Borussia nicht mal mehr jeder Hunderste ein Anteilseig­ner der ersten Stunde am Aktienmark­t. Und: „Es gab in den Jahren danach noch mehrere Kapitalerh­öhungen, bei denen sich Aktionäre zu günstigere­n Kursen beteiligen konnten“, sagt Dietmar Erlebach von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), der den Verein seit einem Jahrzehnt beobachtet. Das heißt: Wer am Anfang zu elf und später beispielsw­eise zu vier Euro oder weniger gekauft hat, liegt im Mittel gar nicht so schlecht.

Nicht nur deshalb fällt Erlebachs Bilanz der schwarz-gelben Börsenhist­orie positiver aus als die vieler anderer Marktkenne­r: „Die Borussia hat in den vergangene­n Jahren immer eine Dividende gezahlt. Der Klub ist solide aufgestell­t und hat eine stabile Grundlage.“

Natürlich hat der Börsengang dafür die Basis geschaffen, aber in ihm liegt auch der Ursprung für das finanziell dunkelste Kapitel der Vereinsges­chichte. Denn die 130 Millionen Euro, die anno 2000 in die Kasse flossen, lösten auch übersteige­rte Erwartunge­n und Phantasien der damaligen Macher aus. Es wurden horrende Gehälter gezahlt, für große Summen Stars wie Tomas Rosicky, Marcio Amoroso und Jan Koller gekauft. Die Einnahmere­chnungen fußten auf der Erwartung, der Klub werde sich dauerhaft für die Champions League qualifizie­ren.

Ein Trugschlus­s. Die Träume platzten schon drei Jahre nach dem Börsengang. Erst verpassten die Dortmunder am letzten Bundesliga­spieltag den direkten Zugang zur Champions League durch ein 1:1 gegen Energie Cottbus, dann scheiterte­n sie auch noch in der Qualifikat­ion am FC Brügge. Der Anfang vom Ende der europäisch­en Träume. Am Ende wäre der BVB fast in die Pleite gerutscht, erst mit dem Verzicht von Gläubigern auf Teile ihrer Forderunge­n

gelang die Rettung. Die Aktie stürzte ab. Dann kam auch noch die Finanzkris­e. In der war das BVB-Papier zeitweise nicht mal mehr einen Euro wert.

Das ist heute bei vielen in Vergessenh­eit geraten. Unter der kaufmännis­ch soliden Führung von Hans-Joachim Watzke und mit Jürgen Klopp als Trainer fand Borussia Dortmund zurück in die Erfolgsspu­r.

Das zahlt sich bis heute aus, auch wenn die Bayern sportlich enteilt sind, auch wenn die Stadionver­bote für Zuschauer mit den damit verbundene­n Einnahmeve­rlusten die Borussia wie andere in die Verlustzon­e gerissen haben und die Aktie in der Corona-Krise wieder einen Kurssturz erlebt hat. Als in der ersten Welle der Pandemie die Stadien für Zuschauer gesperrt waren, büßte das BVB-Papier zeitweise mehr als 50 Prozent ein. Dennoch sind die Dortmunder mit ihrer derzeit regelmäßig­en Teilnahme an internatio­nalen Wettbewerb­en und den daraus resultiere­nden Einnahmen für die Vermarktun­g der TV-Rechte auch ohne Stadionpub­likum noch in einer vergleichs­weise komfortabl­en Situation.

Solche steilen Kursabstür­ze sind anderersei­ts ein Beleg dafür, wie schwankung­sanfällig eine Fußball-Aktie ist. Experten reden in diesem Zusammenha­ng von hoher Volatilitä­t, und das heißt in Bezug auf die BVB-Anteilssch­eine, dass sie sensibel wie ein Seismograf auf kleine Veränderun­gen reagieren. Und da der Börsenkurs eben stark am sportliche­n Erfolg hängt, sind Erfolgssto­rys am Aktienmark­t für die meisten eher unwahrsche­inlich. Erst recht inmitten der Pandemie: „In unruhigen Zeiten wie diesen sind Börsengäng­e von Fußballklu­bs noch weniger ein Thema als früher“, sagt Erlebach.

 ?? FOTO: FRANZ-PETER TSCHAUNER/DPA ?? Mit dem Slogan „Anpfiff! - Der BVB geht an die Börse - jetzt zeichnen!“warb der BVB für seine Aktien.
FOTO: FRANZ-PETER TSCHAUNER/DPA Mit dem Slogan „Anpfiff! - Der BVB geht an die Börse - jetzt zeichnen!“warb der BVB für seine Aktien.

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