Als der BVB ein Börsenstar war
Vor 20 Jahren verkaufte Borussia Dortmund als erster Bundesligist Aktien – bis heute als einziger.
Ein Misserfolg ist die Story aber deswegen nicht.
DORTMUND Als Borussia Dortmunds Aktie zum ersten Mal an der Börse notierte, lebten die BVB-Legenden Lothar Emmerich und Aki Schmidt noch. Am 31. Oktober 2000, vor genau 20 Jahren, bildeten sie in Düsseldorf die sportliche Kulisse für eine Veranstaltung, die den Startschuss für einen neuen Höhenflug der Dortmunder bilden sollte, deren bis dahin letzte Meisterschaft schon wieder vier Jahre zurücklag. Elf Euro kostete die Aktie, natürlich griffen vor allem Fans zu, doch die wurden in den Jahren danach ernüchtert. Den Anfangskurs hat die Aktie nie mehr gesehen, nicht mal an den Tagen nach der Emission, obwohl die Deutsche Bank als BVB-Börsenbegleiter da noch Stützungskäufe tätigte.
Das trifft vor allem jene, die von Anfang an dabei waren. Trotzdem greift die oft geäußerte Kritik, der Börsengang sei ein Misserfolg gewesen, viel zu kurz. Erstens ist im Aktionärskreis der Borussia nicht mal mehr jeder Hunderste ein Anteilseigner der ersten Stunde am Aktienmarkt. Und: „Es gab in den Jahren danach noch mehrere Kapitalerhöhungen, bei denen sich Aktionäre zu günstigeren Kursen beteiligen konnten“, sagt Dietmar Erlebach von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der den Verein seit einem Jahrzehnt beobachtet. Das heißt: Wer am Anfang zu elf und später beispielsweise zu vier Euro oder weniger gekauft hat, liegt im Mittel gar nicht so schlecht.
Nicht nur deshalb fällt Erlebachs Bilanz der schwarz-gelben Börsenhistorie positiver aus als die vieler anderer Marktkenner: „Die Borussia hat in den vergangenen Jahren immer eine Dividende gezahlt. Der Klub ist solide aufgestellt und hat eine stabile Grundlage.“
Natürlich hat der Börsengang dafür die Basis geschaffen, aber in ihm liegt auch der Ursprung für das finanziell dunkelste Kapitel der Vereinsgeschichte. Denn die 130 Millionen Euro, die anno 2000 in die Kasse flossen, lösten auch übersteigerte Erwartungen und Phantasien der damaligen Macher aus. Es wurden horrende Gehälter gezahlt, für große Summen Stars wie Tomas Rosicky, Marcio Amoroso und Jan Koller gekauft. Die Einnahmerechnungen fußten auf der Erwartung, der Klub werde sich dauerhaft für die Champions League qualifizieren.
Ein Trugschluss. Die Träume platzten schon drei Jahre nach dem Börsengang. Erst verpassten die Dortmunder am letzten Bundesligaspieltag den direkten Zugang zur Champions League durch ein 1:1 gegen Energie Cottbus, dann scheiterten sie auch noch in der Qualifikation am FC Brügge. Der Anfang vom Ende der europäischen Träume. Am Ende wäre der BVB fast in die Pleite gerutscht, erst mit dem Verzicht von Gläubigern auf Teile ihrer Forderungen
gelang die Rettung. Die Aktie stürzte ab. Dann kam auch noch die Finanzkrise. In der war das BVB-Papier zeitweise nicht mal mehr einen Euro wert.
Das ist heute bei vielen in Vergessenheit geraten. Unter der kaufmännisch soliden Führung von Hans-Joachim Watzke und mit Jürgen Klopp als Trainer fand Borussia Dortmund zurück in die Erfolgsspur.
Das zahlt sich bis heute aus, auch wenn die Bayern sportlich enteilt sind, auch wenn die Stadionverbote für Zuschauer mit den damit verbundenen Einnahmeverlusten die Borussia wie andere in die Verlustzone gerissen haben und die Aktie in der Corona-Krise wieder einen Kurssturz erlebt hat. Als in der ersten Welle der Pandemie die Stadien für Zuschauer gesperrt waren, büßte das BVB-Papier zeitweise mehr als 50 Prozent ein. Dennoch sind die Dortmunder mit ihrer derzeit regelmäßigen Teilnahme an internationalen Wettbewerben und den daraus resultierenden Einnahmen für die Vermarktung der TV-Rechte auch ohne Stadionpublikum noch in einer vergleichsweise komfortablen Situation.
Solche steilen Kursabstürze sind andererseits ein Beleg dafür, wie schwankungsanfällig eine Fußball-Aktie ist. Experten reden in diesem Zusammenhang von hoher Volatilität, und das heißt in Bezug auf die BVB-Anteilsscheine, dass sie sensibel wie ein Seismograf auf kleine Veränderungen reagieren. Und da der Börsenkurs eben stark am sportlichen Erfolg hängt, sind Erfolgsstorys am Aktienmarkt für die meisten eher unwahrscheinlich. Erst recht inmitten der Pandemie: „In unruhigen Zeiten wie diesen sind Börsengänge von Fußballklubs noch weniger ein Thema als früher“, sagt Erlebach.