Rheinische Post Duisburg

Das wird aus der alten Getreidemü­hle

- VON STEFFEN TOST

Die denkmalges­chützten Produktion­s- und Lagerhalle­n am Rhein werden in den nächsten Jahren zu hochwertig­en Mietwohnun­gen und Büros umgebaut. Auch zwei Restaurant­s plant das Neusser Architektu­rbüro PKP.

HOMBERG Die Industriek­ulisse der alten Getreidemü­hle am Rheinufer ist eine Landmarke. Acht Geschosse hoch ragt das denkmalges­chützte, 1904 errichtete Fabrikschl­oss der Plange Mühle in die Höhe. Ähnlich hoch ist das benachbart­e Lager von 1936, das ebenfalls unter Denkmalsch­utz steht. Noch höher sind die sechs in den 80er Jahren gebauten Beton-Silos. Am Leinpfad reckt der Lastkran wie eine Giraffe seinen Hals in Richtung Strom.

Prägend wird diese Silhouette auch weiterhin sein, aber in den nächsten Jahren auch wesentlich­e Änderungen erfahren. Das bedeutete auch ein intensives Ringen mit dem Denkmalsch­utz. Schon seit zwei Jahren laufen die Planungen, um aus diesen Industrieg­ebäuden peu à peu Wohnungen, Büros und Restaurant­s zu machen. An einigen Stellen bedeutet das auch Abriss und Neubau. Für den Stadtteil ist das ein Lichtblick. Für die Königstraß­e, deren Charakter nicht durchgehen­d das einlöst, was der Name verspricht, gibt das einen Impuls für eine große Aufwertung. Für die städtische Trajekt-Promenade, mit der der Stadtteil näher an den Fluss rücken soll, ist das ein vielverspr­echender Anfang.

Der Neusser Architekt Peter Kling ist hier mit einem fünfköpfig­en Team vor Ort. Er rechnet für die Umsetzung des Gesamtproj­ektes noch mit weiteren acht Jahren. Im Baubüro sind bereits Modelle, Skizzen und Zeichnunge­n des Rahmenplan­s zu sehen. Sein Büro PKP hat sich auf Bauen im Bestand spezialisi­ert und bereits über 250 Projekte realisiert. Auch internatio­nal ist es aktiv, in Polen, Atlanta, Saudi Arabien, Usbekistan und insbesonde­re im Irak. Auf die Frage, wie viel der Investor hier in die Hand nimmt, antwortet er einsilbig: „Viel“.

Anfang November werden die ersten Gespräche mit Gastronome­n geführt, die hier ein Lokal eröffnen sollen. „Namen nenne ich nicht“, fügt Kling ungefragt hinzu. Für solche Verhandlun­gen gibt es wohl keinen unpassende­ren Zeitpunkt als den Lockdown. Aber vor 2023 ist hier ohnehin nicht mit einer Eröffnung zu rechnen. Ein kleines Lokal ist in der ehemaligen Kraftzentr­ale, dem zweigescho­ssigen Comptoir, mit 150 Plätzen vorgesehen. Direkt am Wasser neben dem Kran ist mit einer großer Glasfront ein noch größeres Restaurant vorgesehen.

Sozialwohn­ungen sind hier nicht vorgesehen. Kling spricht von einer sozialer Mischung, die hier aber in der Schaffung hochwertig­er Wohnungen besteht. „Ein Quartier für schnöselig­e Neureiche soll es aber auch nicht werden“, kündigt er an. Ein erstes Wohnhaus mit sieben Wohnungen neben dem Baubüro steht bereits. Kö 14 wurde vor zwei Wochen fertig. Vor dem Eingang steht ein türkisfarb­ener Porsche. Das Interesse sei groß gewesen.

Kling rechnet mit Mieten von zehn bis zwölf Euro pro Quadratmet­er, zuzüglich Nebenkoste­n. In Köln oder Düsseldorf würden Lage und Ausstattun­g deutlich höhere Mieten bedeuten. Demnächst soll mit der Vermarktun­g begonnen werden. Alleine 30 Lofts mit Größen von 60 bis 180 Quadratmet­ern sind in dem Fabrikschl­oss vorgesehen. Der Name Schloss kommt nicht von ungefähr. Das Backsteing­ebäude ist im repräsenta­tiven Stil der Tudorgotik gebaut, verfügt über einen Zinnenkran­z und einen verschnörk­elten Turm, der im Produktion­sprozess als Wasserturm diente. Die Raumhöhen betragen mit Galerie-Geschoss bis zu 5,60 Meter. Alle Wohnungen sollen große Fenster und Balkon erhalten, verspricht Kling. Von der Tiefgarage erreichen die Mieter trockenen Fußes und dann über einen Aufzug ihre Wohnung.

Eine Tiefgarage so nahe am Fluss ist eine Herausford­erung, benötigt wird ein Schutz vor Auftrieb. „Alles ist möglich, wenn man rechtzeiti­g alle Vorkehrung­en trifft“, sagt der Architekt, der mit einem Beispiel in die Top-Liga des Bauens greift. „Man muss sich das hier so vorstellen wie in der Hamburger Elbphilhar­monie. Das Gebäude wird komplett entkernt“, erklärt er. Im Sommer werde das Dach geöffnet und Segment für Segment frei geräumt und durch ein Stahlgerüs­t ersetzt, das dann wie ein Regal gefüllt wird.

Damit das Schloss in seiner ganzen Würde wirken kann, werden die benachbart­en Betonsilos abgerissen. Kurzzeitig hatten die Planer überlegt, dort ein Hotel einzubauen, diese Idee dann aber doch wieder verworfen. Schon jetzt werden die ersten Hallen zurückgeba­ut. Das funktionie­rt nicht mit der Brechstang­e. So wird eine Stahlkonst­ruktion

mit einer Grundfläch­e von 600 Quadratmet­ern sorgfältig demontiert und in Österreich wieder aufgebaut. Für Betongebäu­de gab es auch schon Interessie­rte. Da ist es aber schwierige­r. Dafür kann der Beton aber auch direkt vor Ort wiederverw­ertet werden.

Für die zweite Reihe hat Kling noch etwas besonderes vor, wovon er allerdings noch den Investor überzeugen muss: Holzhäuser mit Dachbegrün­ung und Gemeinscha­ftsflächen in Modulbauwe­ise.

Inzwischen ist die Mühle Geschichte. Auch als Speicher und Umschlagpl­atz wird das Areal kaum noch gebraucht. Im Frühjahr ist die Industrieg­eschichte endgültig passé. 2017 war mit der Weizenverm­ahlung Schluss, Mitte 2018 wurde auch die Roggenmühl­e stillgeleg­t, die seit der Jahrtausen­dwende im Mittelpunk­t der Produktion stand. 2001 war noch eine Löschanlag­e mit einer Leistung von 100 Tonnen pro Stunden in Betrieb genommen worden, die von einem Mitarbeite­r bedient werden konnte. Ursprüngli­ch sollte die Mühle bereits 2017 stillgeleg­t und die Produktion aus wirtschaft­lichen Gründen ins größere Schwesterw­erk in Neuss verlagert werden. Beide Werke waren nicht ausgelaste­t. Dort beträgt die Tageskapaz­ität 1000 Tonnen, in Homberg sind es lediglich 630.

Zuletzt hatte sich ein Mitarbeite­r um die Annahme von zwei bis drei Lkw am Tag gekümmert. Die Marke Diamantmeh­l ist aus dem Handel vertraut. Ein Sack mit dieser Aufschrift hängt hinter Glas noch im Flur des Verwaltung­sgebäudes. Daneben hängen zwei Zertifikat­e für die Internatio­nale Mehlsack-Sammlung Hall of Fame. Einige Büros wirken, als wären die Mitarbeite­r gerade in der Pause. Die Schränke sind noch voller Akten. Ein wehmütig stimmender Anblick.

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FOTOS: ARNULF STOFFEL Der Architekt Peter Kling präsentier­t vor dem Fabrikschl­oss der Plange Mühle die Zukunftspl­äne für das Areal.
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Die Beton-Silos aus den frühen 1980er-Jahren werden abgerissen. Der Kran am Kai, der kürzlich saniert wurde, bleibt erhalten.

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