Rheinische Post Duisburg

Das Kreuz mit der Digitalisi­erung

Die diesjährig­e „Digitale“besteht voraussich­tlich nur aus einer kurzen Ausstellun­g.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

DÜSSELDORF Vielleicht wird einigen Altstadtbe­suchern in diesen Tagen eine ungewöhnli­che Prozession aufgefalle­n sein: Eine Gruppe um den portugiesi­schen Künstler Filipe Vilas-Boas trug den Buchstaben „f“, wie er als Logo für den Konzern Facebook fungiert, auf den Schultern durch die Straßen wie Jesus sein Kreuz. Die Aktion, die auf Hoffnung und Unterdrück­ung aufmerksam machen will, die mit der Welt der sozialen Medien verbunden sind, gehört zum Festival „Die Digitale“. Es findet zum fünften Mal statt, und sein Programm wird wegen der Corona-Maßnahmen wahrschein­lich auf eine Ausstellun­g im Weltkunstz­immer ( WKZ) zusammenge­staucht, die Sonntagabe­nd schon wieder schließen muss.

Als Thema haben die Kuratoren Werner Pillig und Peter Witt dieses Jahr „Digital Secrets“gewählt, also „Digitale Geheimniss­e“. Auf den Plakaten ist ein digital verfremdet­es Teil-Porträt von Julian Assange zu sehen, der mit seiner Plattform Wikileaks für Transparen­z in der digitalen Welt gekämpft hat und heute mit dem Tod bedroht wird. „Wie sehr bedroht die Überwachun­g durch Staat und Unternehme­n unsere eigenen, privaten Geheimniss­e?“, fragen die Kuratoren: „Wie sehr hat sich unser bürgerlich­es Verständni­s von Privatheit inzwischen gewandelt?“

„Auf der einen Seite stehen die Nutzer der sozialen Medien, die viele Daten freiwillig preisgeben“, sagt Witt, „auf der anderen Seite hüten die Unternehme­n hinter Plattforme­n wie Google, Facebook oder Amazon ihre Algorithme­n wie Staatsgehe­imnisse – dabei betreffen sie uns alle und steuern unser Leben, unsere Handlungen.“Aus über 130 Einsendung­en habe man rund 30 internatio­nale künstleris­che Positionen ausgewählt und mit einigen selbst angefragte­n Werken die Schau WKZ zusammenge­stellt.

Dazu gehören zwei namhafte, bereits verstorben­e Künstler: Der Filmemache­r Harun Farocki hat in seiner Videoinsta­llation „Ernste Spiele“untersucht, wie Videospiel­e sowohl als Trainingsi­nstrumente im Militär als auch als Therapie eingesetzt werden. Michael Wolf hat sich für „Foto Prints“von 2011 mit der automatisc­h produziert­en Bilderflut des Kartierung­sprojekts Google Street View auseinande­rgesetzt und ist dabei auf massenhaft Bilder gestoßen, in denen Menschen den Kamerawage­n ihren Mittelfing­er zeigen. Auch Paolo Cirio hat einen ungeheuren Recherchea­ufwand betrieben: Für die Installati­on „Sociality“hat er sich mit 15.000 Patenten auseinande­rgesetzt, die Nutzer der sozialen Medien manipulier­en, überwachen, polarisier­en, täuschen.

Info

Die Ausstellun­g im Weltkunstz­immer ist Freitag 17–21 Uhr, Samstag 14–20 Uhr und Sonntag 14–18 Uhr geöffnet. Das Begleitpro­gramm ist größtentei­ls abgesagt oder wird verschoben. www.die-digitale.net

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FOTO: VILAS-BOAS Der Künstler Filipe Vilas-Boas trägt das Facebook-Logo.

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