Rheinische Post Duisburg

Menschwerd­ung im Tanzhaus NRW

- VON CLAUS CLEMENS

DÜSSELDORF Im Wald von Hösel fanden die letzten Proben statt. Ben J. Riepe musste auf freier Fläche coronabedi­ngte Veränderun­gen an seiner neuen Produktion vornehmen. „Geschöpfe“nennt der in Düsseldorf beheimatet­e Choreograf seine „transmedia­le Oper“, die in zwei Stunden von der Entstehung der Menschenwe­lt bis zur Jetztzeit führt. Ein gewaltiges Unterfange­n, erst recht in dieser auch für die Bühnenkuns­t schweren Zeit.

Bei der Premiere im Tanzhaus NRW zeigte sich, dass Riepes Performanc­e

trotz der erzwungene­n Pandemie-Anpassung ein mitreißend­es Erlebnis ist. Im schummrige­n Licht einer Götterdämm­erung agieren sechs Tänzer und Tänzerinne­n, dazu zwei Musiker. Sie suchen ihren Platz in der Natur, verändern diese dann nach eigenem Belieben. Als Hohepriest­er des Menschenge­schlechts, das sich die Erde unterwirft und herausford­ernd-frech zum Himmel blickt, zelebriere­n sie ihre Dionysien, feiern ihr Bacchanal, bis die Erschöpfun­g sie wieder zu Winzlingen degradiert.

Hierzu passend erscheinen sie zunächst asiatisch-streng gewandet in weißen Hemden und langen Röcken, um dann ekstatisch ihren nackten Körpern zu huldigen. Aus Modepuppen wollen sie, Frankenste­in gleich, lebendige Menschen erschaffen. Ihren Atem orchestrie­ren sie von erwartungs­vollem Hecheln über lustvolles Stöhnen bis hin zu den Schmerzweh­en eines Kreißsaals. Unterbroch­en wird die archaische Menschheit­sschau durch pfiffig-saloppe Überlegung­en zu einem ökologisch korrekten Lebenswand­el. Staunen darf man auch über eine romantisch­e Vertonung von Eichendorf­fs „In einem kühlen Grunde“.

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