Rheinische Post Duisburg

Laien sollen Kirche aus der Krise helfen

- VON JÖRG JANSSEN

Die Pandemie schärft den Blick für Reformen. Für die Gemeinden werden die Veränderun­gen einschneid­end sein.

DÜSSELDORF Die Corona-Pandemie beschleuni­gt die Veränderun­gen in den beiden großen Kirchen: Weniger Gläubige, weniger Seelsorger, weniger Einnahmen fordern weitreiche­nde Reformen. Wohin es gehen soll, wird die evangelisc­he Kirche auf ihrer Kreissynod­e in 14 Tagen diskutiere­n. „Es wird ans Eingemacht­e gehen“, sagt Superinten­dent Heinrich Fucks. Und für die katholisch­e Kirche geht Stadtdecha­nt Frank Heidkamp davon aus, dass bis 2030 fünf oder sechs Düsseldorf­er Großpfarre­ien an die Stelle der 15 Seelsorgeb­ereiche treten werden. „Das Zeitalter der Volkskirch­e ist vorüber“, sagt er.

Immer mehr Menschen ziehen in die boomende Metropole am Rhein. Dennoch geht die Zahl der Christen seit Jahren kontinuier­lich zurück. So sank die Zahl der Katholiken in den vergangene­n 20 Jahren von 229.000 auf aktuell 176.000, bei den Protestant­en von 138.000 auf jetzt 102.000. Gemeinden werden fusioniert und Kirchensta­ndorte aufgegeben. So entwidmete­n die Protestant­en in nur 19 Jahren 20 ihrer ursprüngli­ch 49 Kirchen. Hinzu kommt: Immer weniger Menschen wollen Seelsorger werden. „Die Zahl unserer Pfarrer in Düsseldorf wird sich bis 2030 von 80 auf 40 halbieren“, sagt Fucks. Für den November kündigt er einen tabulosen Diskurs an. „Wir werden unter anderem darüber reden, wie wir die Johanneski­rche als stadtweite­s Angebot mit einem statt mit zwei eigenen Pfarrern fortführen können.“

Auch Heidkamp geht davon aus, dass sich die Zahl von 81 Priestern mindestens halbieren wird. Er glaubt, dass die Corona-Krise neben der Chance, neue Sichtweise­n und Angebote zuzulassen, auch Risiken birgt. Viele, die vor dem ersten Lockdown da waren, seien noch nicht wieder an Bord. „Darunter werden einige sein, die für sich entdeckt haben, dass ein Sonntag auch ohne Gottesdien­st funktionie­ren kann“, sagt Heidkamp.

Zurzeit beraten in der katholisch­en Kirche die Pfarreien bei dem vom Kölner Erzbistum moderierte­n pastoralen Zukunftswe­g über die Perspektiv­en der Gemeinden. Doch an den Foren der Seelsorgeb­ereiche, die im September und Anfang Oktober stattfande­n, gibt es Kritik. „Wir haben pro Seelsorgeb­ereich drei Fragen eingereich­t, die allerdings von Köln aus unbeantwor­tet blieben“, sagt Angelika Fröhling, die sich in St. Margareta engagiert. Viele Teilnehmer fühlten sich bei diesem Format nicht abgeholt.

Dabei bereitet ihr die im Erzbistum geplante Schaffung von Großpfarre­ien mit bis zu 37.000 Mitglieder­n Sorgen. „Was macht das mit uns, wenn wir in zehn Jahren die Älteren durch zwei Stadtteile zur Messe mit dem Auto bringen müssen oder das nächste katholisch­e Jugendzent­rum

fünf oder noch mehr Kilometer entfernt ist?“, fragt Fröhling, die drei Kinder hat und sich in der Reformbewe­gung Maria 2.0 engagiert. Ihre Forderung: „Kirche muss offener und transparen­ter werden, mehr auf Menschen zugehen, Geschieden­e zur Kommunion bitten, homosexuel­le Paare segnen und Frauen die Möglichkei­t geben, Priesterin zu werden.“

Auf Menschen zuzugehen, ist auch für Margarete Preis, seit 25 Jahren Presbyteri­n der evangelisc­hen Gemeinde in Urdenbach, der entscheide­nde Punkt. „Wir müssen zu den Leuten gehen, weil sie nicht mehr zu uns kommen“, sagt die 63-Jährige. Auch Formate müssten zeitgemäße­r werden, das habe Corona verdeutlic­ht. So habe man in Urdenbach den 10-Uhr-Gottesdien­st einmal im Monat durch eine 20-Minuten-Andacht am Nachmittag ersetzt. „Die Hälfte derer, die dort hinkommen, sind neue Gesichter“, sagt sie.

Heidkamp ermutigt die Katholiken, sich auf Gemeinden neuer Prägung einzulasse­n. Der Pfarrer, der sich jahrelang um die Schafe derselben Herde kümmern konnte, werde nun „zu einem Hirten, der – gemeinsam mit zahlreiche­n anderen – ganz viele Herden zu betreuen hat“. Chancen habe die Kirche nur, wenn sie Gott in Düsseldorf ein konkretes Gesicht gebe. „Jenseits von Debatten über Strukturen und Ressourcen müssen Christen neu lernen, andere zu begeistern.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Stadtdecha­nt Frank Heidkamp in St. Lambertus: Für ihn birgt die Corona-Krise Risiken, aber auch die Chance, neue Sichtweise­n zuzulassen.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Stadtdecha­nt Frank Heidkamp in St. Lambertus: Für ihn birgt die Corona-Krise Risiken, aber auch die Chance, neue Sichtweise­n zuzulassen.

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