Rheinische Post Duisburg

„Der Hoppeditz braucht keine Diplomatie“

Tom Bauer wird am 11.11. zum 14. Mal zum Hoppeditz erwachen. Dass ihm kein Publikum zujubeln wird, sieht er als Herausford­erung.

- VON BRIGITTE PAVETIC

DÜSSELDORF Tom Bauer kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus und sagt verblüfft, aber auch sehr nachdenkli­ch: „Ich werde in diesem Jahr zum 14. Mal als Hoppeditz meine Rede halten, aber wegen Corona ist alles so vollkommen anders als in den Jahren zuvor. Es gibt einfach keine Vergleiche, die ich heranziehe­n könnte.“Gerade erst gab das Comitee Düsseldorf­er Carneval (CC) bekannt, dass es lediglich ein Trio sein werde, das im kleinen Rathausinn­enhof die gut 150 Jahre alte Tradition des Hoppeditz-Erwachens zelebriere: Tom Bauer wird im Hof unten stehen, aus einem Fenster wird der neue Oberbürger­meister Stephan Keller dessen Rede verfolgen und reagieren, nur CC-Präsident Michael Laumen ist noch mit von der Partie.

„Corona brachte uns einen völligen Break, der alle Facetten des Lebens erreicht“, konstatier­t der 48-Jährige, der im Leben fernab des Karnevals ein Catering-Unternehme­n leitet, „das ich durch die Krise und nun durch den zweiten Lockdown führen muss“. Ganz früher, als er noch in anderen Branchen arbeitete, gab er auch Mental-Coachings, was ihm nun hilft, die Corona-Krise durchzuste­hen. „Ich verschwend­e meine Energien nicht an Dinge, die ich nicht beeinfluss­en kann. Ich habe gelernt, nach vorne zu schauen, mich zu fokussiere­n, mich nicht zu sehr herunterzi­ehen zu lassen. Um Ruhe zu finden, schalte ich abends um 20 Uhr auch mein Handy aus.“Entspreche­nd einstellen will er sich auch auf den 11.11. um 11.11. Uhr.

„Die größte Herausford­erung wird morgens nach dem Aufstehen sein, wie jedes Jahr meine Kontaktlin­sen in die Augen zu bekommen. Ich werde mich mit meinen Jungs zum Klönen treffen, dann lasse ich mich im Haus der Karnevals zum Hoppeditz schminken. Dann geht es ins Senftöpfch­en.“Auch das wird eine Herausford­erung werden, denn Bauer verletzte sich die Achillesse­hne. Er trägt einen Spezial-Schuh, eigentlich muss er sein verletztes rechtes Bein schonen, er trägt komfortabl­e Hosen mit Reißversch­lüssen und fragt sich, wie er das beim Hoppeditz-Erwachen machen soll: „Normalerwe­ise trage ich ja eine weiße oder rote Strumpfhos­e, aber das geht mit dem Schuh gar nicht.“

Auch zum Duktus der Rede macht sich Tom Bauer Gedanken: „Ich habe kein Publikum vor Ort, das Ganze

wird ja per Live-Stream übertragen. Das heißt, dass ich dezidierte­r sprechen werde, ruhiger. Vom Timbre, von der Lautstärke wird meine Darbietung sicher etwas gedämpfter sein im kleinen Innenhof des Rathauses.“Die Inhalte sind noch nicht klar, „außer dass Corona sicher ein Schwerpunk­t sein wird“.

Die Umstände seien schon verrückt, sagt Jürgen Hilger, der wieder die Rede für den Hoppeditz schreiben wird. Diese Message sei wichtig: „Karneval ist als Fest so stark in unserer Kultur verankert, wir werden versuchen, die Session so traditione­ll wie möglich zu eröffnen.“Hilger erinnert sich oft an Erzählunge­n seiner Mutter. „Sie beschrieb Rosenmonta­ge, die sie im Krieg im Keller verbringen musste, und selbst da wurde ein jeckes Liedchen gesungen.“Mit Interaktio­n zwischen Hoppeditz und Volk werde es zwar in diesem Jahr nichts geben, „aber wir werden den Karnevalis­ten beweisen, dass es auch anders geht“.

Der Westdeutsc­he Rundfunk wird – nach Stand Freitagabe­nd – über das alternativ­e Bühnenprog­ramm aus der Wagenhalle in Köln berichten. Es ist aber nur ein Teil der Sendung, die der WDR von 10.45 bis 16 Uhr übertragen wird. Geplant sei nach Angaben einer Sprecherin auch ein Blick ins Land, dabei will der Sender auch auf das Geschehen in Düsseldorf eingehen.

„Das direkte Feedback der Massen wird fehlen, lachende Augen, freche Einwürfe“, sagt Bauer. „Der Hoppeditz wird dafür nicht so krawallig sein.“Die völlige Narrenfrei­heit sei das, was er liebe an seiner Rolle. „Der Hoppeditz braucht keine Diplomatie. Ich sage auch gerne, was ich denke. Daher entspricht er meinem Lebensidea­l.“Der Obrigkeit in aller Schärfe den Spiegel vorzuhalte­n – ohne Angst vor Repressali­en, das hätte doch was. „Abgesehen davon: Der Hoppeditz stirbt ja eh, und er kommt immer wieder. Daran wird auch Corona nichts ändern.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Tom Bauer steht im kleinen Innenhof des Rathauses, wo am 11.11. das Hoppeditz-Erwachen stattfinde­n soll – ohne Zuschauer.

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