Japanischer Marmor
Wer sich etwas Besonderes gönnen will, leistet sich ein Stück Wagyu-Rindfleisch. Es enthält viel Fett. Die Tiere werden auch am Niederrhein gezüchtet.
Wagyu – das klingt nach Exotik und Abenteuer, nach Mystik und ein bisschen Wellness. Das Wort bedeutet übersetzt aber einfach nur „Japanisches“(Wa) „Rind“(Gyu). Man erzählt sich, dass diese Rinder in Japan handgestreichelt, mit Sake besprüht und Bier getränkt werden, damit ihr Fleisch eine hohe Qualität und die besondere Schmackhaftigkeit, genannt „Umami“, erreicht. Doch das sind Mythen. In Wahrheit schmeckt das Fleisch – hier kommt der Spoiler –, weil es viel Fett enthält.
„Der intramuskuläre Fettgehalt ist sehr hoch. Die Rinder entwickeln eine schöne Marmorierung im Laufe der Zeit“, erklärt Uwe Jerathe vom Wagyu-Verband Deutschland, zu dem rund 190 Züchter gehören. Das Fleisch zergehe auf der Zunge, schwärmt er. Je feiner die Marmorierung, desto zarter und intensiver sei auch der Geschmack.
„Eine Geschmackserfahrung, die bleibt“, nennt das auch Metzger Udo Erkes aus Korschenbroich. Er durfte im September zum ersten Mal ein reinrassiges Wagyu-Rind schlachten und zerlegen. „Das war unvergesslich“, sagt er. Er habe das Tier komplett verwertet – „alles an dem Rind war zart, selbst die Hüfte war wie ein Rinderfilet“. Das Fett habe er ausgelassen – „das ,weiße Gold‘ eignet sich, um anderen Steaks beim Anbraten ein besonderes Aroma zu verleihen“, empfiehlt der Metzger.
Man unterscheidet beim Wagyu zwölf verschiedene Marmorierungsgrade. „Elf bis zwölf ist für unsere europäischen Gaumen zu fett“, sagt Erkes. Das von ihm zerlegte Rind besaß einen Marmorierungsgrad von fünf bis sechs. „Die Japaner mögen Fleisch mit einem sehr hohen Fettanteil, essen es aber nur in kleinen Mengen“, erklärt Jerathe.
Das Fett des Wagyus enthält laut Experten besonders viele „gute“Fettsäuren, also rund ein Drittel mehr ungesättigte als gesättigte Fettsäuren, viele Omega-3-Fettsäuren und bis zu 30 Prozent mehr Omega-6-Fettsäuren als Rindfleisch anderer Arten sowie Vitamin B und
Eisen. Bei dem hohen Preis kommt man auch nicht in Versuchung, zu viel davon zu essen. Der Preis variiert zwar, aber Ribeye oder Filet, die besten Stücke, kosten rund 200 Euro pro Kilo. In Japan ist das Fleisch noch teurer. Importiertes Fleisch aus Japan kostet rund 600 Euro pro Kilo. „From nose to tail“bedeutet, dass alle Stücke verwertet werden, auch als Burger-Pattys. Und selbst die kosten pro Stück gerne zehn Euro.
Der Preis resultiert aus der aufwendigen und langen Aufzucht dieser Rinder. Sie werden im Schnitt erst nach 33 bis 36 Monaten geschlachtet, „ein normaler Mastochse schon nach 19 Monaten“, sagt Jerathe. Das Wagyu von Metzger Erkes stammt vom Niederrhein, denn auch in NRW gibt es Züchter, die sich für Wagyus begeistern. Die Tiere bekommen ein energiereiches Kraftfutter. Viele Züchter haben sich dem Tierwohl verschrieben; ihre
Tiere dürfen auf die Weide, stehen in geräumigen Ställen. „Der Aufwand schlägt sich natürlich im Preis nieder“, sagt Jerathe, der selbst züchtet, aber auch mit genetischem Erbgut und Embryonen der edlen Rinder handelt.
Denn Wagyus dürfen aus Japan nicht exportiert werden. Die Tiere in Deutschland gehen auf 220 Rinder zurück, die in den 70er-Jahren Japan Richtung Australien und USA verlassen haben. Wegen der großen Nachfrage dort nach hochwertigem Fleisch wurden in den 90er-Jahren noch einmal Tiere in großer Stückzahl nachgeliefert. Sie bilden den Grundstock der heutigen Population außerhalb Japans. In Deutschland wurden 2006 die ersten Tiere geboren. Die Spermien und Embryonen stammten aus Australien und den USA. „Ich habe 2006 angefangen zu züchten und wurde anfangs noch belächelt“, erzählt Jerathe.
Während zu Beginn der Wagyu-Begeisterung viel Fleisch importiert wurde, ist den Verbrauchern in den vergangenen fünf Jahren die Regionalität wichtiger geworden. Sie möchten wissen, woher das Produkt auf ihrem Teller stammt. „Von der Qualität des Fleisches her können die deutschen Züchter auf dem internationalen Markt mithalten“, sagt der Verbands-Vorsitzende. Man habe mittlerweile ein gutes Wissen und eine breite genetische Grundlage, um Wagyus zu züchten.
Züchter Carsten Schroeder aus Emmerich besitzt 50 reinrassige Wagyus. „Ich habe mich verliebt in die Rasse“, sagt der Landwirt. Charakterlich seien die Rinder einzigartig, sie bräuchten aber auch viel Pflege, denn sie wachsen langsam. Bei ihm am Niederrhein, wo die Tiere seit diesem Jahr auch im Naturschutzgebiet stehen dürfen, herrschten ähnlich klimatische Bedingungen wie in Japan: „Das mögen die Tiere.“
In Deutschland leben rund 1000 Wagyus, aber auch Kreuzungen, etwa mit Holstein-Kühen, sind erlaubt. Das Fleisch bilde trotzdem eine feine Marmorierung. Die Bullen wiegen etwa eine Tonne, Kühe um die 650 Kilogramm. Unter den vier verschiedenen Rassen gibt es auch eine mit rotem Fell. In Deutschland sind vor allem die schwarzen Wagyus (Kuroge) verbreitet und wegen ihres Geschmacks geschätzt. Auch wenn Färsenfleisch (von Kühen ohne Kälber) gut schmeckt, landen meist Ochsen beim Metzger. „Die weiblichen Tiere sind besonders wertvoll und werden für die Zucht genutzt“, erklärt Jerathe.
Bier bekommen die Tiere bei uns zwar nicht, das würde das Tierschutzgesetz nicht zulassen, aber Biertreber dürfen sie sehr wohl fressen. Und per Hand gestreichelt würden die Wagyus in Deutschland auch nicht, „aber wir haben automatische Bürsten, da stellen sich die Rinder gerne drunter“, sagt Jerathe. Um ein gutes Produkt zu erhalten, müsse man die Tiere auch gut behandeln.
Und das Essen des edlen Fleisches zelebrieren. „Am besten einfach nur mit etwas Meersalz in einer gusseisernen Pfanne anbraten und danach im Ofen etwas ziehen lassen“, rät Erkes. In 33 Jahren als Metzger habe er so etwas noch nicht gegessen. Dabei solle man das fette Fleisch ruhig etwas länger braten, rät Jerathe. Die Zartheit besitze das Fleisch schon durch den hohen Fettgehalt. Wer sich für solche Preise ein Steak gönnt, der sollte es auch genießen. Und lieber nur eine kleine Portion essen. Ein Steak mit 400 bis 600 Gramm reicht gut für vier bis sechs Personen. Wenn überhaupt Fleisch essen, dann lieber wenig und gut – dann kann sich Umami, die typische Schmackhaftigkeit, richtig entfalten.
„Die Japaner mögen Fleisch mit einem hohen Fettanteil, essen es aber nur in kleinen Mengen“
Uwe Jerathe Wagyu-Verband Deutschland