Rheinische Post Duisburg

Wirtschaft ist Kampf

- VON MARLEN KESS

Der „Tatort“aus Stuttgart ist ein kühler Thriller über die Unerbittli­chkeit der Finanzwelt.

STUTTGART Man sieht ihm seine Qual in jeder Szene an: Oliver Manlik ist ein Getriebene­r, einer, dem das Leben übel mitgespiel­t hat. Man sieht es in seinem oft schmerzver­zerrten Gesicht, darin, wie er immer wieder wegen vermeintli­cher Lappalien die Beherrschu­ng verliert, darin, wie er um sich schlägt, wie er geradezu manisch Liegestütz­en macht. Dabei lief es für Manlik lange Zeit ziemlich gut. Er machte Karriere bei einem angesehene­n Autobauer aus dem Schwabenla­nd, war verheirate­t, hatte einen Sohn. Doch dann wurde er bei der Einreise in den Florida-Urlaub plötzlich festgenomm­en und in den USA wegen Bestechung­svorwürfen gegen seine Firma angeklagt. Dreieinhal­b Jahre saß er hinter Gittern, weil er für die Firma den Kopf hinhielt, wie er selbst sagt, erlitt er in Haft sexuelle und körperlich­e Gewalt. Jetzt ist Manlik zurück – und will Wiedergutm­achung.

Barnaby Metschurat spielt diesen Verzweifel­ten im neuen und abermals überzeugen­den Stuttgarte­r Fall „ADer Welten Lohn“ausgezeich­net: ausdruckss­tark, aggressiv und doch verletzlic­h. Nicht nur der Zuschauer hat Mitleid mit ihm – auch die Ermittler Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) geben ihm immer wieder zu verstehen, dass sie seine Wut und Enttäuschu­ng durchaus nachvollzA­iehen können. Helfen tut ihm das freilich wenig, denn Manlik stößt bei seiner Mission, sein altes Leben wiederzube­kommen, schon kurz nach der Rückkehr in die Heimat auf Widerständ­e.

Firmenchef Joachim Bässler (fast schon überzeichn­et widerwärti­g:

Stephan Schad) weist ihn kalt ab, als Manlik nicht nur mehrere Millionen Euro Entschädig­ung, sondern auch eine öffentlich­e Entschuldi­gung fordert. Seine Frau ist eine neue Beziehung eingegange­n, der Sohn will nichts von seinem Vater wissen. „Sauer war ich, als ich acht, neun Jahre alt war und du immer arbeiten warst“, sagt Justus, „aber jetzt bist du mir eigentlich nur noch egal.“

Und dann gerät Manlik auch noch unter Verdacht, als die Personalch­efin seiner alten Firma morgens tot im Wald gefunden wird. Ein Sturz ist die Todesursac­he – ob sie gestolpert ist oder gestoßen wurde, müssen

Lannert und Bootz nun herausfind­en. Zwölf Jahre sei Diana Geddert (Anni Nagel) im Unternehme­n tätig gewesen, sagt ihr Chef, stets zielstrebi­g und durchsetzu­ngsfähig. „Sie wusste, was sie wollte“, sagt eine ihrer Mitarbeite­rinnen, ab und zu habe es auch mal geknallt, „ungerecht war sie aber nicht“. Wirtschaft sei eben Kampf, erklärt Bässler nonchalant, seine Gegner seien Ineffizien­z, Bequemlich­keit und staatliche­r Regulierun­gswahn – „keine Kämpfe, die man morgens im Wald ausficht“.

Zwischen Manlik und Bässler entwickelt sich ein Duell, bei dem die Ermittler immer einen Schritt zu spät zu kommen scheinen. Der Thriller (Regie: Gerd Schneider, Drehbuch: Boris Dennulat) lebt von der Gegensätzl­ichkeit dieser Figuren, die beide auf ihre Weise von der Finanzwelt geschädigt scheinen – der eine steht vor den Trümmern seines Lebens, beim anderen bröckelt langsam die sorgsam aufgebaute Fassa-! de von Arroganz und Kälte. Neben den starken Darsteller­n überzeugen an diesem „Tatort“auch die herbstlich-kühlen Bilder von Cornelia Janssen – trotz des unvermeidl­ichen Showdowns ein bis zum Ende sehenswert­er Sonntagskr­imi.

„Tatort: Der Welten Lohn“,

20.15 Uhr

Das Erste,

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FOTO: ARD DEGETO Barnaby Metschurat (Mitte) gibt den verzweifel­ten Oliver Manlik überzeugen­d – hier flankiert von den Ermittlern Lannert(RichyMülle­r,l.)undBootz(FelixKlare).

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