Rheinische Post Duisburg

Ein Treffen gegen den Terror

Spontan besuchten Muslime am Sonntag einen Gottesdien­st in Hamborn und setzten ein Zeichen für den Frieden.

- VON ALEXANDER TRIESCH

Die Idee kommt den Muslimen am Samstag, zwei Tage, nachdem ein mutmaßlich islamistis­cher Terrorist in einer Kirche in Nizza drei Menschen mit einem Messer tötete. Ayten Keser und ihre Kollegen vom Rheinische­n Dialog- und Bildungsve­rein (RDUB) und dem Forum für interkultu­relle Informatio­n und Bildung (FIB) beschließe­n, ein Zeichen für den Frieden zu setzen. In einer katholisch­en Kirche. „Ich hätte mir gewünscht, dass alle Muslime aus Duisburg mitkommen“, sagt Keser, die auch muslimisch­e Geflüchtet­e unterricht­et.

Der Plan: Die Muslime wollen an Allerheili­gen eine christlich­e Messe besuchen und sich dort distanzier­en von Hass und Gewalt. Von Extremiste­n, die mit ihrer Religion den Terror rechtferti­gen. Nicht nur in Nizza, auch in Paris, wo ein 18-Jähriger wenige Tage zuvor den Lehrer Samuel Paty enthauptet­e, nachdem dieser Mohammed-Karikature­n im Unterricht gezeigt hatte. Am Abend rufen sie Pater Altfried an, den Pastor für die Pfarrei St. Johann in Hamborn. Er stimmt sofort zu. „Die Gläubigen wussten nichts von dem Überraschu­ngsbesuch“, sagt Pater Altfried.

Am Morgen danach, gegen 11.15 Uhr, betritt Keser zusammen mit zwei weiteren Frauen und einem Mann die Abteikirch­e. Sie haben ein Blumengest­eck dabei und überreiche­n es dem Pastor. „Diese Leute gehören nicht zu uns“, sagt Keser und meint die Terroriste­n, die in Frankreich und zuvor in vielen anderen Ländern Menschen im Namen des radikalen Islams umgebracht haben. Wichtig sei nun der Zusammenha­lt und die Solidaritä­t aller Menschen, egal welcher Kultur oder Religion sie angehören.

Der Auftritt sorgt unter den rund 60 Gläubigen in der Kirche – mehr lässt die Coronaschu­tzverordnu­ng nicht zu – für Applaus. „Viele waren danach berührt, auch am Friedhof wurde später darüber gesprochen“, sagt Pater Altfried. Im Laufe des Wochenende­s erreichen auch mehrere E-Mails die Pfarrei, in denen Gläubige

sich für die Aktion bedanken. Der Pastor überreicht den Muslimen nach dem Gottesdien­st – als Gegengesch­enk – die gerahmten Seligpreis­ungen der Bergpredig­t. Anschließe­nd beteten alle für die Toten.

Keser hofft, dass die Zusammenar­beit von Christen und Muslimen in Duisburg vertieft wird. „Nur so können wir Vorurteile abbauen. Wir leben alle gemeinsam hier“, sagt sie. Immer wieder erlebt sie es, dass Muslime sich für den Terror islamistis­cher Täter rechtferti­gen müssen. „Eine sehr große Mehrheit von uns verurteilt diese Taten scharf“, sagt sie. Nur einen Tag nach der Messe tötet ein weiterer Islamist fünf Menschen. Diesmal in Wien. Keser hat die Bilder im Fernsehen gesehen. Sie verurteilt den Anschlag und sagt: „So etwas erreicht nur das Gegenteil: Wir halten als Gesellscha­ft noch mehr zusammen.“

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FOTO: THOMAS HELLBACH Ayten Keser vom RDUB distanzier­t sich im Gottesdien­st zu Allerheili­gen in der Abteikirch­e von den Anschlägen in Frankreich.

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