Ein Treffen gegen den Terror
Spontan besuchten Muslime am Sonntag einen Gottesdienst in Hamborn und setzten ein Zeichen für den Frieden.
Die Idee kommt den Muslimen am Samstag, zwei Tage, nachdem ein mutmaßlich islamistischer Terrorist in einer Kirche in Nizza drei Menschen mit einem Messer tötete. Ayten Keser und ihre Kollegen vom Rheinischen Dialog- und Bildungsverein (RDUB) und dem Forum für interkulturelle Information und Bildung (FIB) beschließen, ein Zeichen für den Frieden zu setzen. In einer katholischen Kirche. „Ich hätte mir gewünscht, dass alle Muslime aus Duisburg mitkommen“, sagt Keser, die auch muslimische Geflüchtete unterrichtet.
Der Plan: Die Muslime wollen an Allerheiligen eine christliche Messe besuchen und sich dort distanzieren von Hass und Gewalt. Von Extremisten, die mit ihrer Religion den Terror rechtfertigen. Nicht nur in Nizza, auch in Paris, wo ein 18-Jähriger wenige Tage zuvor den Lehrer Samuel Paty enthauptete, nachdem dieser Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt hatte. Am Abend rufen sie Pater Altfried an, den Pastor für die Pfarrei St. Johann in Hamborn. Er stimmt sofort zu. „Die Gläubigen wussten nichts von dem Überraschungsbesuch“, sagt Pater Altfried.
Am Morgen danach, gegen 11.15 Uhr, betritt Keser zusammen mit zwei weiteren Frauen und einem Mann die Abteikirche. Sie haben ein Blumengesteck dabei und überreichen es dem Pastor. „Diese Leute gehören nicht zu uns“, sagt Keser und meint die Terroristen, die in Frankreich und zuvor in vielen anderen Ländern Menschen im Namen des radikalen Islams umgebracht haben. Wichtig sei nun der Zusammenhalt und die Solidarität aller Menschen, egal welcher Kultur oder Religion sie angehören.
Der Auftritt sorgt unter den rund 60 Gläubigen in der Kirche – mehr lässt die Coronaschutzverordnung nicht zu – für Applaus. „Viele waren danach berührt, auch am Friedhof wurde später darüber gesprochen“, sagt Pater Altfried. Im Laufe des Wochenendes erreichen auch mehrere E-Mails die Pfarrei, in denen Gläubige
sich für die Aktion bedanken. Der Pastor überreicht den Muslimen nach dem Gottesdienst – als Gegengeschenk – die gerahmten Seligpreisungen der Bergpredigt. Anschließend beteten alle für die Toten.
Keser hofft, dass die Zusammenarbeit von Christen und Muslimen in Duisburg vertieft wird. „Nur so können wir Vorurteile abbauen. Wir leben alle gemeinsam hier“, sagt sie. Immer wieder erlebt sie es, dass Muslime sich für den Terror islamistischer Täter rechtfertigen müssen. „Eine sehr große Mehrheit von uns verurteilt diese Taten scharf“, sagt sie. Nur einen Tag nach der Messe tötet ein weiterer Islamist fünf Menschen. Diesmal in Wien. Keser hat die Bilder im Fernsehen gesehen. Sie verurteilt den Anschlag und sagt: „So etwas erreicht nur das Gegenteil: Wir halten als Gesellschaft noch mehr zusammen.“