4828 Verdachtsfälle auf Subventionsbetrug
Die Corona-Soforthilfe sollte eigentlich ein unbürokratisches Instrument sein, um Selbstständigen zu helfen. Doch es gibt Stolperfallen.
DÜSSELDORF Für die Kleinunternehmerin aus Solingen (Name der Redaktion bekannt) war es ein zusätzlicher Schock inmitten der Corona-Krise. Um die Kosten ihrer beiden Filialen im Bergischen Land weiter decken zu können, hatte die Dienstleisterin Ende März Soforthilfe beantragt. Schnell und unbürokratisch, so hatten es Bund und Land versprochen, sollte den Firmeninhabern in der Krise geholfen worden. Doch nur wenige Wochen nachdem die Hilfsgelder ausgezahlt waren, erhielt die Solingerin ein Schreiben der Staatsanwaltschaft. Es werde gegen sie ermittelt, es bestehe der Verdacht des Subventionsbetrugs nach Paragraf 264 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches. Für die Geschäftsinhaberin ein Schock, der noch einmal tiefer ging, als die Ermittler das Konto der Beschuldigten einfroren. Der Grund: Neben ihrer Haupttätigkeit als Unternehmerin hatte sie nebenher als Angestellte in einem befristeten Verhältnis gearbeitet. Zudem hatte sie fälschlicherweise ihre Privatadresse in dem Antragsbogen angegeben. Das reichte der Staatsanwaltschaft, um Anklage zu erheben.
Der Fall aus Solingen zeigt exemplarisch, wie sich eine gut gemeinte Hilfe ins Gegenteil verkehren kann. Schon Anfang April hatten Steuerexperten im Gespräch mit unserer Redaktion gewarnt, dass das schnelle Online-Verfahren in NRW Tücken habe, und den Antragstellern
Gründlichkeit vor Schnelligkeit empfohlen. Man müsse sehr genau prüfen, ob man überhaupt Anspruch habe, sonst folge das böse Erwachen in ein paar Monaten bei der Prüfung der Steuererklärung. Und das Strafmaß für Subventionsbetrug ist kein Pappenstiel: Es reicht von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Nach Angaben des NRW-Justizministeriums hat es im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und den entsprechenden Soforthilfen 4828 Verdachtsfälle auf Subventionsbetrug
gegeben. Genehmigt wurden landesweit bislang insgesamt 428.571 Anträge auf Soforthilfe.
Auch beim Langenfelder Künstler Jörg Krautmacher löste der Eingang der Corona-Hilfen großen Ärger aus. Er hatte ein Künstlerstipendium beantragt und auch erhalten. Die Postbank sperrte dem Musiker nach Eingang der Zahlung das Konto. Verärgert versuchte Krautmacher, die Gründe in Erfahrung zu bringen, hangelte sich von Telefonwarteschleife zu Telefonwarteschleife.
Bei einem der zahlreichen Telefonate erhielt er die Auskunft, der Zahlungseingang sei offenbar suspekt gewesen. Inzwischen ist das Konto zwar wieder freigegeben, auf eine Begründung seiner Bank wartet Krautmacher aber bis heute. Er hat inzwischen die Finanzaufsicht Bafin eingeschaltet.
Das Kulturministerium erklärte auf Anfrage, man habe insgesamt 16.500 Stipendienaträge erhalten, von denen rund 14.500 bewilligt wurden. Die Anzahl der Verdachtsfälle auf Subventionsbetrug, die vonseiten der Bezirksregierungen gemeldet worden seien, lägen im einstelligen Bereich. In einem Fall habe sich der Verdacht als begründet herausgestellt. Dabei ging es um die Auszahlung von zwei Stipendien à 7000 Euro.
„Die Soforthilfe der NRW-Landesregierung stand leider von Anfang an unter keinem so guten Stern“, sagt Frank Sundermann, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, unserer Redaktion. „Wir alle wissen, dass es damals sehr schnell gehen musste. Das war richtig so und von uns allen auch so gewollt.“Allerdings sei die Informationspolitik der Landesregierung wirklich mangelhaft gewesen, das habe viel Verwirrung gestiftet und viele Antragssteller auch im Unklaren darüber gelassen, ob sie zum Bezug der Soforthilfen überhaupt berechtigt gewesen seien und wofür sie die finanziellen Mittel eigentlich verwenden durften.
Der Fall der Unternehmerin aus Solingen beschäftigt demnächst das Gericht. Um nicht verurteilt zu werden, wird sie darlegen müssen, dass sie ihre Geschäfte nicht nur im Nebenerwerb geführt hat. Derzeit wird noch darüber befunden, ob die Hauptverhandlung zugelassen wird. Ihre Geschäfte wurden im zweiten Lockdown wieder geschlossen. Dass sie noch einmal auf die Soforthilfe setzen wird, die der Staat den Unternehmen in dieser zweiten Lockdown-Phase in Aussicht gestellt hat, dürfte nicht sehr wahrscheinlich sein.