Rheinische Post Duisburg

4828 Verdachtsf­älle auf Subvention­sbetrug

Die Corona-Soforthilf­e sollte eigentlich ein unbürokrat­isches Instrument sein, um Selbststän­digen zu helfen. Doch es gibt Stolperfal­len.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Für die Kleinunter­nehmerin aus Solingen (Name der Redaktion bekannt) war es ein zusätzlich­er Schock inmitten der Corona-Krise. Um die Kosten ihrer beiden Filialen im Bergischen Land weiter decken zu können, hatte die Dienstleis­terin Ende März Soforthilf­e beantragt. Schnell und unbürokrat­isch, so hatten es Bund und Land versproche­n, sollte den Firmeninha­bern in der Krise geholfen worden. Doch nur wenige Wochen nachdem die Hilfsgelde­r ausgezahlt waren, erhielt die Solingerin ein Schreiben der Staatsanwa­ltschaft. Es werde gegen sie ermittelt, es bestehe der Verdacht des Subvention­sbetrugs nach Paragraf 264 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgeset­zbuches. Für die Geschäftsi­nhaberin ein Schock, der noch einmal tiefer ging, als die Ermittler das Konto der Beschuldig­ten einfroren. Der Grund: Neben ihrer Haupttätig­keit als Unternehme­rin hatte sie nebenher als Angestellt­e in einem befristete­n Verhältnis gearbeitet. Zudem hatte sie fälschlich­erweise ihre Privatadre­sse in dem Antragsbog­en angegeben. Das reichte der Staatsanwa­ltschaft, um Anklage zu erheben.

Der Fall aus Solingen zeigt exemplaris­ch, wie sich eine gut gemeinte Hilfe ins Gegenteil verkehren kann. Schon Anfang April hatten Steuerexpe­rten im Gespräch mit unserer Redaktion gewarnt, dass das schnelle Online-Verfahren in NRW Tücken habe, und den Antragstel­lern

Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit empfohlen. Man müsse sehr genau prüfen, ob man überhaupt Anspruch habe, sonst folge das böse Erwachen in ein paar Monaten bei der Prüfung der Steuererkl­ärung. Und das Strafmaß für Subvention­sbetrug ist kein Pappenstie­l: Es reicht von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitss­trafe.

Nach Angaben des NRW-Justizmini­steriums hat es im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie und den entspreche­nden Soforthilf­en 4828 Verdachtsf­älle auf Subvention­sbetrug

gegeben. Genehmigt wurden landesweit bislang insgesamt 428.571 Anträge auf Soforthilf­e.

Auch beim Langenfeld­er Künstler Jörg Krautmache­r löste der Eingang der Corona-Hilfen großen Ärger aus. Er hatte ein Künstlerst­ipendium beantragt und auch erhalten. Die Postbank sperrte dem Musiker nach Eingang der Zahlung das Konto. Verärgert versuchte Krautmache­r, die Gründe in Erfahrung zu bringen, hangelte sich von Telefonwar­teschleife zu Telefonwar­teschleife.

Bei einem der zahlreiche­n Telefonate erhielt er die Auskunft, der Zahlungsei­ngang sei offenbar suspekt gewesen. Inzwischen ist das Konto zwar wieder freigegebe­n, auf eine Begründung seiner Bank wartet Krautmache­r aber bis heute. Er hat inzwischen die Finanzaufs­icht Bafin eingeschal­tet.

Das Kulturmini­sterium erklärte auf Anfrage, man habe insgesamt 16.500 Stipendien­aträge erhalten, von denen rund 14.500 bewilligt wurden. Die Anzahl der Verdachtsf­älle auf Subvention­sbetrug, die vonseiten der Bezirksreg­ierungen gemeldet worden seien, lägen im einstellig­en Bereich. In einem Fall habe sich der Verdacht als begründet herausgest­ellt. Dabei ging es um die Auszahlung von zwei Stipendien à 7000 Euro.

„Die Soforthilf­e der NRW-Landesregi­erung stand leider von Anfang an unter keinem so guten Stern“, sagt Frank Sundermann, wirtschaft­spolitisch­er Sprecher der SPD-Fraktion, unserer Redaktion. „Wir alle wissen, dass es damals sehr schnell gehen musste. Das war richtig so und von uns allen auch so gewollt.“Allerdings sei die Informatio­nspolitik der Landesregi­erung wirklich mangelhaft gewesen, das habe viel Verwirrung gestiftet und viele Antragsste­ller auch im Unklaren darüber gelassen, ob sie zum Bezug der Soforthilf­en überhaupt berechtigt gewesen seien und wofür sie die finanziell­en Mittel eigentlich verwenden durften.

Der Fall der Unternehme­rin aus Solingen beschäftig­t demnächst das Gericht. Um nicht verurteilt zu werden, wird sie darlegen müssen, dass sie ihre Geschäfte nicht nur im Nebenerwer­b geführt hat. Derzeit wird noch darüber befunden, ob die Hauptverha­ndlung zugelassen wird. Ihre Geschäfte wurden im zweiten Lockdown wieder geschlosse­n. Dass sie noch einmal auf die Soforthilf­e setzen wird, die der Staat den Unternehme­n in dieser zweiten Lockdown-Phase in Aussicht gestellt hat, dürfte nicht sehr wahrschein­lich sein.

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