Falsche Polizisten und teure Corona-Heilmittel
Immer öfter tauchen in Duisburg Fälle von Trickbetrug am Telefon auf, gerade Senioren werden oft zum Ziel der organisierten Betrüger. Wie sie vorgehen und wie man sich und seine Angehörigen schützen kann.
In den vergangenen Wochen kam es wieder vermehrt zu Telefonanrufen von Trickbetrügern. Mitte Oktober brachten Betrüger eine Seniorin aus Alt-Homberg um ihre Münzsammlung, unweit dessen erbeutete am Tag darauf ein junger Mann Bargeld und andere Wertgegenstände bei einem 84-jährigen Mann. Immer wieder werden Menschen am Telefon so weit unter Druck gesetzt, dass sie Betrügern die geforderten Gegenstände aushändigen.
Ralf Schäfer, Kriminalhauptkommissar und zuständig für die Seniorenprävention, berichtet von über 100 Delikten im vergangenen Monat, alleine in Duisburg. „Das ist aber nur die Spitze des Eisberges, ich schätze, dass uns nur jeder siebte Fall überhaupt erreicht“, sagt er. Der Schaden gehe dabei in die Tausende.
Dass die Dunkelziffer so hoch ist, liegt vor allem daran, dass Betroffene sich oft schämen. „Sie fragen sich: ‚Wie konnte ich nur so dumm sein?’ – und werden das im schlimmsten Fall auch noch von ihren Angehörigen gefragt“, erklärt Schäfer das Schweigen. Dabei sind die Trickbetrüger meist hoch professionell, oft sind die Anrufer gut geschult und versiert in Verkaufstechniken und psychologischen Kniffen.
Diese Anrufer nennt man Keiler, sie treiben den bildlichen Keil in die Tür und nehmen das Opfer für sich ein. Später bereiten sie dann die Ankunft der Person vor, die das Geld oder die Wertsachen abholt. Meist verwickeln sie die Opfer so lange in ein Gespräch, bis der Komplize vor Ort ist, dann bleibt gar nicht erst Zeit zum Nachdenken. Diese Menschen sitzen oft in Call-Centern im Ausland und kassieren bei Erfolg einen Anteil an der Beute. Der Keiler ist es auch, der mit geschickten Reaktionen und Nachfragen zum Teil ein enormes Wissen über den Angerufenen vortäuscht, etwa unbemerkt den Namen der Enkel erfährt. Schäfer benutzt das Bild des Angelhakens, an den der Keiler den Angerufenen bringen will: „Dann hat das Opfer den Köder schon mal im Mund, auch wenn es den Haken noch nicht geschluckt hat.“
Die wohl bekannteste Masche ist der Enkel-Trick. Seit Beginn der 90er Jahre wird er verwendet, um Senioren glauben zu lassen, ihre Enkel befänden sich in einer finanziellen Notlage. Meist wird dann ein angeblicher Bekannter angekündigt, der das Geld abholen komme. Doch auch Trickbetrug durch angebliche Amtsträger, etwa falsche Polizisten, nimmt immer mehr zu. Dabei wird dem Opfer glaubhaft gemacht, dass sie beispielsweise auf einer aufgetauchten Liste von Einbrechern stünden. Um ihre Wertsachen zu schützen, kämen gleich Polizeibeamte, die die Wertsachen zur Sicherheit an sich nähmen. Doch auch falsche Bankmitarbeiter haben schon versucht, an das Geld ihrer Opfer zu gelangen. Teilweise werden sogar die angezeigten Rufnummern technisch verändert, um die Behauptung zu stützen. Doch die Polizei ruft niemals unter der Notrufnummer 110 an, wird diese Nummer anzeigt, handelt es sich um Betrüger.
Auch falsche Ärzte haben schon behauptet ein neues, sehr teures Medikament gegen eine angebliche Covid-19-Erkrankung eines Angehörigen des Opfers zu haben. Es fehle eben nur noch das Geld für das Mittel, mit dem Kinder oder Enkel gerettet werden können. Um diese Masche glaubhaft zu machen, meldet sich oft zuerst der angebliche Angehörige mit verweinter und heiserer Stimme – dadurch fällt es noch schwerer die Stimme zu erkennen – und übergibt dann den Hörer an den vorgeblichen Arzt.
„Die Abwandlungen sind extrem vielfältig“, bestätigt Schäfer. „Es ist wichtig, dass man erkennt, dass es sich um eine Masche handelt und die bildliche Angelschnur durchschneidet“, rät er. Bei verdächtigen Anrufen helfe nur rigoroses Auflegen. „Viele Menschen wollen aber nicht unhöflich sein, einfach aufzulegen fällt vielen schwerer als gedacht“, so Schäfer.
Bei den Trickbetrügern handelt es sich nicht um Einzeltäter. Kriminelle Banden, organisiert in festen Strukturen arbeiten teilweise systematisch ganze Stadtteile oder Regionen durch. „Dann haben wir plötzlich gehäuft Meldungen aus einem bestimmten Stadtteil“, so Schäfer.
Oft kommt es auch zu Anrufen wegen angeblicher Gewinne aus Verlosungen. Lediglich eine Gebühr, zum Beispiel für die Überführung des gewonnenen Autos, wird dann gefordert, bevor der große Gewinn ausgezahlt wird. Schäfer sagt hier ganz klar: „Wer nicht spielt, kann auch nicht gewinnen“. Außerdem rät er, niemals in Vorkasse zu treten, egal wie hoch der versprochene Gewinn sei.
Betroffen von Telefonbetrug sind meistens, aber nicht nur, alleinstehende Senioren. Denn wer alleine zu Hause ist, ist leichter zu verunsichern und lässt sich eher in ein langes Gespräch verwickeln. Der Kriminalhauptkommissar rät deshalb: „Reden sie mit ihren Bekannten und Angehörigen darüber“, oft helfe das laute Aussprechen schon dabei, die Unseriösität zu erkennen. Und er sagt: „Das hat nichts mit Intelligenz oder Bildung zu tun!“Ihm selbst sei schon der Fall einer ehemaligen Professorin begegnet, die am Telefon betrogen wurde.
Woher die Anrufer die Kontaktdaten ihrer Opfer haben, ist im Einzelfall fast nie nachzuweisen. „Aber laut dem deutschen Datenschutzgesetz ist es nicht verboten, Datensätze mit Vor- und Nachname, Telefonnummer, Geburtsjahr und Beruf zu verkaufen“, so Schäfer. Für rund 50 Cent bis einem Euro können Betrüger so einen für sie sehr wertvollen Informationsvorsprung
erwerben. „Selbst Todesanzeigen wurden schon durchsucht, um an die Namen von gut situierten Witwen zu kommen“, berichtet Schäfer. Doch den eignen Namen aus dem Telefonbuch streichen zu lassen, bringt kaum etwas. Das klassische Telefonbuch ist nicht die Informationsquelle für Betrüger und Daten, die einmal in der Welt sind, sind fast unmöglich nachzuverfolgen.
Technische Hilfsmittel wie Telefonfilter können im Zweifelsfall helfen, Anrufe unbekannter Nummern erst gar nicht durchzustellen (siehe Box). Wer unsicher ist, zu Wertsachen oder persönlichen Details gefragt oder vom Anrufer unter Druck gesetzt wird, sollte sich an die Polizei wenden. Das geht entweder über die örtliche Polizeidienststelle oder den Notruf 110. Alle Infos dazu gibt es unter www.polizei-beratung.de.
Ein ähnliches Informationsblatt wie für Senioren gibt die Kriminalpräventionsstelle auch an Bankmitarbeiter heraus, sodass diese wissen, wie sie sich in verdächtigen Situationen verhalten können. „Tatsächlich haben wir schon mal dank des Hinweises einer Bankmitarbeiterin Schlimmeres verhindern können. Ihr war das ungewöhnliche Verhalten einer Kundin aufgefallen und hat uns alarmiert“, so Schäfer. Die Frau konnte so noch vor den Betrügern geschützt werden.
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