Löws junge Garde glänzt
Nach dem erfolgreichen, aber niveauarmen Test gegen Tschechien erklärte der Bundestrainer die Experimente für beendet. Gut für Gladbachs Florian Neuhaus: Er machte Eigenwerbung für die EM im nächsten Jahr.
LEIPZIG Florian Neuhaus blieb gelassen. „Danke“, sagte Borussia Mönchengladbachs Mittelfeldspieler kurz, als ihm der Fernseh-Reporter ein Lob aussprach für den starken Auftritt beim 1:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Tschechien. Dann ging Neuhaus zur Spielanalyse über. Auch RTL-Experte Steffen Freund war sehr angetan von der Darbietung des 23-Jährigen. Grundsätzlich konstatierte der Ex-Nationalspieler einen Leistungsabfall nach der Pause im Team von Joachim Löw, doch Neuhaus nahm er explizit heraus. „Er hat über 90 Minuten herausragend gespielt“, sagte Freund.
Einen guten Eindruck machte auch Robin Koch (Leeds United) in der zentralen Position der defensiven Dreierkette sowie die Debütanten Ridle Baku (VfL Wolfsburg) und Philipp Max (PSV Eindhoven), der bei seiner Premiere das entscheidende 1:0 von Luca Waldschmidt (Benfica Lissabon) mit einer starken Hereingabe vorbereitete. Der Sohn des früheren Profis Martin Max hat nach DFB-Einsatzminuten schon seinen Vater überholt. Max Senior, der einstige Torschützenkönig der Bundesliga, hatte 2002 gegen Argentinien (0:1) bei seinem einzigen Länderspiel sieben Minuten gespielt, der Filius kam in seinem Erstling auf 69 Minuten und einen Scorerpunkt. „Nach zehn Minuten habe ich kurz auf die Uhr geguckt, da habe ich ihn überholt und war sehr zufrieden“, sagte Max grinsend. Auch Löw war zufrieden: „Sie haben sich richtig reingeworfen.“
Der Mann des Abends war aber Neuhaus. Der Fernschuss ans Lattenkreuz war der krachendste Beleg dieser These. Neuhaus nahm den Ball mit vollem Risiko und auf höchstem technischen Niveau, es wäre ein Treffer der ganz feinen Sorte geworden. Auch am 1:0 war er beteiligt, weil er es auch da aus der Ferne versuchte, im weiteren Verlauf der Situation fiel das Tor von Luca Waldschmidt. Insgesamt gingen fünf Neuhaus-Torschüsse in die Statistik ein, keiner gab mehr ab.
Zudem fiel Neuhaus als Takt- und Ideengeber, Ballverteiler und Balleroberer auf. 101 Ballaktionen und ein Zweikampfwert von 83 Prozent, das sind beachtliche Werte. Vor der Pause waren er und Ilkay Gündogan die Antreiber in der Zentrale, nach der Pause spielte Neuhaus neben Borussia Dortmunds Mo Dahoud. Er blieb der Auffälligste im Löw-Ensemble.
Damit hat er sich mit Blick auf die Europameisterschaft 2021 positioniert, Löw wird sich ein Sternchenvermerk hinter seinem Namen gemacht haben. Am Donnerstag übernehmen wieder Löws Stars das Kommando. Der Bundestrainer verkündete einen sofortigen Teststopp. „Einspielen ist jetzt ein wichtiges Thema“, sagte der 60-Jährige im Hinblick auf die Stammspieler
der EM. Das unterstrich er mit der Maßnahme, Abwehrchef Niklas Süle nachzunominieren.
Neuhaus trug in Leipzig die 7 auf dem Rücken, die Nummer, die früher Bastian Schweinsteiger hatte. Es gibt tatsächlich Parallelen zwischen den Mittelfeldmännern: beide machte ein Positionswechsel stark, denn beide wurden aus dem offensiven Mittelfeld auf die Sechs versetzt.
Louis van Gaal tat das mit Schweinsteiger bei den Bayern, Mark van Bommel war der Nebenmann, an dessen Seite er wuchs. „Die größte Veränderung für mich ist, dass ich auf meiner besten Position spielen kann“, sagte Schweinsteiger. So ist es offenbar auch bei Neuhaus.
In Gladbach zog Trainer Marco Rose Neuhaus zurück. „Taktisch war meine Versetzung auf die Position des Sechsers entscheidend. Zuvor habe ich etwas offensiver, mal auf der Acht oder auf der Zehn, gespielt. Es tut meinem Spiel gut. Trotzdem kann ich weiterhin selbst mit nach vorne stoßen, den vorletzten oder letzten Pass spielen und auch selbst den Abschluss suchen. Das passt zu meinem Spielerprofil“, sagte Neuhaus im Interview mit „Spox“.
Sein Spiel ist total vertikal, Neuhaus denkt und spielt immer steil und nur selten quer. Was er in dem neuen Job vor der Abwehr dazu gelernt hat: Robustheit auch im Spiel gegen den Ball und den Gegner. „Es ist eben unser Ziel, so schnell wie möglich den Ball zu gewinnen, und wenn die ganze Mannschaft mitmacht, macht das viel Spaß. Und dann kann man auch mal grätschen“, sagte Neuhaus unserer Redaktion im Februar.
Er ist ein kompletter Spieler geworden, und einer, der das nicht nur in der gewohnten Umgebung des Klubs sein kann, sondern auch im DFB-Team. In Gladbach ist er längst eine der Konstanten, im DFB-Team der Mann für die Zukunft. Dass Neuhaus bereit dafür ist, hat er gegen Tschechien nachgewiesen.