Kritische Stimmen im Fußball unerwünscht
Der Kampf um die ab der nächsten Saison sinkenden TV-Gelder droht den Profifußball zu spalten.
Von der propagierten Solidarität in der Krise ist derzeit kaum etwas zu sehen. Anfang Dezember droht der Showdown.
DÜSSELDORF Der Pate hat die Familie zusammengerufen. Er lud nur jene ein, auf die er sich auch wirklich verlassen kann. So wie man das eben macht, wenn stürmische Zeiten bevorstehen. Damit auch jeder mitbekam, wie ernst er es meint, hat er die Öffentlichkeit wissen lassen, wer zum erlauchten Kreis gehört. Und wer eben nicht. 14 Erstligisten und ein Zweitligist (Hamburger SV ) haben sich zur „G15“in Frankfurt am Main versammelt. KarlHeinz Rummenigge hat recht bereitwillig die Rolle des Oberhaupts übernommen. Und er hat finster dreingeblickt, als er hinterher die Botschaft verkündet hat, die unmissverständlich war in Richtung jener, die in Ungnade gefallen sind: „Sie haben den Fehdehandschuh in den Ring geworfen.“
Mit „sie“meint er vier Erstligisten (Mainz 05, FC Augsburg, VfB Stuttgart, Arminia Bielefeld) und zehn Klubs der Zweiten Liga (darunter Fortuna Düsseldorf), die ein Positionspapier an alle Klubs, die unter dem Dach der Deutschen Fußball-Liga (DFL) organisiert sind, verschickt hatten. Kernpunkt des Papiers: Wie könnte die Verteilung der TV-Gelder gerechter geregelt werden? Wohlgemerkt: Es handelte sich nicht um eine Beschlussvorlage, sondern um einen Denkanstoß. Es sagt so unfassbar viel über diese Branche aus, dass bereits ein solcher Vorstoß als eine Art Nestbeschmutzung angesehen wird.
Rummenigge ist nur das Gesicht der Bewegung. Er hat mächtige Verbündete um sich geschart. Borussia
Dortmund, RB Leipzig, Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen sollen zu den Mit-Initiatoren gehört haben. In diesem Geschäft sollte es eigentlich nichts geben, was einen überrascht, aber dass ausgerechnet Gladbach sich hat mit einspannen lassen, verwundert schon. Denn es ist nicht so lange her, da gehörte man selbst eher zu denen, die mit dem Fernglas nach oben und nicht nach unten geblickt haben.
Die Zeiten haben sich geändert. Und auch die Macht der Bayern. Wie sehr Rummenigge eine „Revolution“fürchtet, zeigt die Wucht seiner Reaktion. Man trifft sich in diesen Zeiten nicht mal eben so. Dieses Treffen war eine Demonstration der Stärke. Rummenigge hat die Botschaft ausgesendet, dass in diesem Land nichts, aber auch gar nichts, ohne den FC Bayern München geht. Früher hätte er dafür nicht drei weitere
Klubs gebraucht. Auch das ist eine bemerkenswerte Erkenntnis. Rummenigge hat in seiner ganzen Güte indes auch verlautbaren lassen, er sei bereit, die anderen wieder mitspielen zu lassen. Wenn sie ihre Position aufgeben.
Es ist zuvorderst die Bankrotterklärung der Solidargemeinschaft DFL. Es ist ein legitimer Anspruch, unterschiedliche Meinungen zu haben. Doch nun durften alle erfahren: Kritische Geister sind innerhalb der Fußball-Szene absolut unerwünscht. Mehr noch: Sie werden auch aktiv angegangen.
Wer schon einmal einen sogenannten Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verfolgt hat, der könnte meinen, er verfolge eine Parlamentssitzung in Nordkorea.
Kritische Stimmen? Fehlanzeige. Es gibt noch nicht einmal den Austausch über unterschiedliche Positionen. Was es gibt: nach außen demonstrierte Harmonie und Einigkeit.
„Der“Fußball hat in seiner Mehrheit trotz Corona-Krise nichts verstanden. Es geht alles munter so weiter. Es geht um Geld, Geld, ach ja, und um Geld. Und Macht. Es werden von Rummenigge und Co. Selbstverständlichkeiten („Zunächst einmal ist klar, dass wir die politischen Entscheidungen respektieren“) beteuert, als ob man sich dafür bedanken müsste. Bei der deutschen Nationalmannschaft ist ganz gut abzulesen, wie schnell es gehen kann, dass das Publikum wegen akuter Entfremdung die Lust verliert.