Rheinische Post Duisburg

Kein leichter Aufbruch in eine neue Ära

- VON DIRK RETZLAFF

Bei der Vorstellun­g von Trainer Gino Lettieri gehen die Verantwort­lichen des MSV Duisburg in den Verteidigu­ngsmodus. In Internet-Foren wird die Verpflicht­ung auch kritisch gesehen. Finanziell­e Situation des Drittligis­ten bleibt angespannt.

Torsten Lieberknec­ht ist weg, trotzdem geht es hier mit Musik los. Auf dem Rückweg von der Pressekonf­erenz des Fußball-Drittligis­ten MSV Duisburg spuckte das Autoradio Marius Müller-Westernhag­en aus. „Ich bin wieder hier, in meinem Revier, war nie wirklich weg“, so der Kult-Rocker aus Düsseldorf. Gino Lettieri ist wieder da. Fünf Jahre nach seiner Entlassung sitzt er wieder auf dem Trainerstu­hl der Meideriche­r.

Marius singt auch: „Noch immer ein Star.“Daran scheiden sich derzeit die Geister. Dem MSV weht im Zuge der Lettieri-Verpflicht­ung ein scharfer Wind ins Gesicht – und das nicht nur durch die Fans per Internet. Der Aufbruch in eine neue Ära ist nicht leicht, weil der Rucksack bereits beim Start immens schwer ist.

Die Verantwort­lichen nahmen bei der Pressekonf­erenz von vornherein die Verteidigu­ngshaltung ein und schlugen die Bälle aus dem imaginären Strafraum im Medienraum der Arena. Präsident Ingo Wald berichtete, dass ihm auf dem Weg zum Stadion zwei Ex-MSV-Spieler aus der ersten Lettieri-Zeit zur Verpflicht­ung des 53-Jährigen gratuliert hätten. Sportdirek­tor Ivica Grlic empörte sich darüber, dass er im Netz lesen musste, dass Lettieri und er den selben Berater hätten (was nicht stimme) und die Neuverpfli­chtung lediglich ein Freundscha­ftsdienst gewesen sei. „Gino erfüllt unser Stellenpro­fil. Es geht um seine fachlichen Fähigkeite­n“, sagte Ivica Grlic. Gleichwohl: Seinerzeit ließen sich Lettieri und Grlic zumindest medial extern vom selben Mann beraten.

Der geballten Kritik wollen Grlic und Lettieri mit guter Arbeit und den entspreche­nden Ergebnisse­n begegnen. Das muss flott gehen. Eine Schonzeit gibt es nicht, ansonsten würde der Rucksack in kurzer Zeit zu schwer werden.

Die Entlassung im November 2015 hat Gino Lettieri nach eigenem Bekunden überwunden. „Es war eine Enttäuschu­ng. Wir können uns aber nach wie vor in die Augen schauen“, so der gebürtige Züricher. Der Coach sieht nun Parallelen zu seiner ersten Amtszeit. Die vielen Verletzung­en in den ersten Monaten der Zweitliga-Saison 2015/16 seien ihm damals zum Verhängnis geworden. Auch aktuell gibt es viele Ausfälle.

Lettieri merkte an, er sei nun genau an diesen Punkt zurückgeke­hrt, an dem er damals den MSV verlassen hätte.

Am Dienstag unterzog sich Gino Lettieri einem ersten Corona-Test, ein zweiter muss noch folgen, ehe er die Arbeit mit der Mannschaft aufnehmen kann. Geplant ist das für Sonntag. Beim Spiel am Samstag bei Türkgücü München will Lettieri auf der Tribüne des Olympiasta­dions sitzen, aber er will noch nicht ins Tagesgesch­äft eingreifen.

Lettieri berichtete von einem intensiven und guten Gespräch mit dem Trainertea­m. Er habe seinen neuen Kollegen seine Fußball-Philosophi­e näher gebracht. Beim Pressegesp­räch sagte der Coach, er habe schon genaue Vorstellun­gen im Kopf, wie die Zebras künftig spielen sollen. Konkret verriet er aber noch nicht viel. Nur so viel: Er will aus einer konstanten Viererkett­e in der Abwehr heraus spielen lassen. Zumindest in dieser Saison hatte das Lettieris Vorgänger auch schon so gehalten.

Präsident Ingo Wald gab am Donnerstag auf Nachfrage aktuelle Informatio­nen zur finanziell­en Situation des Vereins. Die Lage ist nach wie vor brenzlig. Weiterhin ist die Saison nicht durchfinan­ziert. Im September hatte es geheißen, das Geld reiche bis Dezember. Nun nannte Wald einen Zeitraum bis „Ende Januar/Anfang Februar.“Der Vereinsche­f berichtete von Gesprächen mit potenziell­en Investoren. Ergebnisse gebe es noch nicht.

Dies brachte Gino Lettieri nicht aus der Fassung: Er habe Erfahrung mit solchen Situatione­n. Der Coach hat beim MSV zunächst bis zum Ende der Saison unterschri­eben. Zurück zu Marius Müller-Westernhag­en. Der Mann singt auch: „Und eines ist sicher. Ich geh’ nie wieder weg.“

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FOTOS: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Gino Lettieri (rechts) wurde am Donnerstag von MSV-Präsident Ingo Wald (links) und Sportdirek­tor Ivica Grlic vorgestell­t.
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Gino Lettieri hat schon einen Corona-Test hinter sich. Einer muss noch folgen.

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