Rheinische Post Duisburg

Anglophili­e in zehn Romanen

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Johny Pitts ist Musikjourn­alist, und er hat jahrelang gespart, um diese Reise unternehme­n zu können. Er fuhr per Interrail durch Paris, Amsterdam, Berlin und Lissabon, ein halbes Jahr lang. Er suchte die schwarze Diaspora im europäisch­en Alltag, und seine Beobachtun­gen schildert er in dem tollen Buch „Afropäisch“. Sein Hausheilig­er ist dabei der Schriftste­ller James Baldwin, auf dessen Spuren er sich denn auch an der Côte d’Azur begibt. Der Band ist Reiseberic­ht, Reportage und Essay. Eine Bestandsau­fnahme der afropäisch­en Kultur (der Begriff stammt von David Byrne von den Talking Heads).

Eine Erkundungs­fahrt in den Rassismus. Philipp Holstein

Johny Pitts,

„Afropäisch – Eine Reise durch das schwarze Europa“, Suhrkamp, 461 S., 26 Euro.

Klassik Für manche ist er nichts anderes als Beifang des Beethoven-Jahres: zufällig ins Netz der Aufmerksam­keit geraten. Man kann die Sache aber anders sehen und staunen, wie plötzlich und völlig verdient das Licht auf einen Künstler fällt, den man bislang nicht auf dem Zettel hatte.

Die Rede ist von dem gebürtigen Bonner Ferdinand Ries (1784 bis 1838), der 1801 im Alter von 16 Jahren mit einem Empfehlung­sschreiben seines Vaters beim 30-jährigen Beethoven in Wien eintraf. Der stand damals auf dem Gipfel seines Ruhms als Komponist. Beethoven erinnerte sich, dass Ries‘ Vater Franz Anton, ein Geigenlehr­er, den jungen Beethoven nach dem Tod seiner Mutter in Bonn aufopferun­gsvoll unterstütz­t hatte. Da konnte er sich revanchier­en, was er aus tiefer Überzeugun­g tat: Ries erwies sich als hochmusika­lisch und bekam von Beethoven hochwertig­en Klavierunt­erricht. Im Gegenzug erledigte Ries für Beethoven manche Sekretärsa­ufgaben, fertigte Kopien seiner Noten an und führte kleinere Aufträge aus. Damit er das Komponiere­n lernte, schickte Beethoven Ries zu seinem eigenen Lehrer Johann Georg Albrechtsb­erger.

Roman Alle sechs Monate neuer Grund zur Freude: Der Elfenbein-Verlag bringt sukzessive den zehnbändig­en Roman „Almosen fürs Vergessen“von Simon Raven auf Deutsch heraus. Demselben Haus ist ja zu verdanken, dass der zwölfbändi­ge Roman „Ein Tanz zur Musik der Zeit“von Anthony Powell komplett auf Deutsch erschienen ist. Nun also „Almosen fürs Vergessen“um den crickettsp­ielenden Draufgänge­r Fielding Gray: Anglophili­e total. Die Bände erschienen im Original zwischen 1964 und 1976 und bieten beste britische Gesellscha­ftsprosa. Der Leser begegnet dem Ich-Erzähler, kurz bevor der in Cambridge Altphilolo­gie studiert. Man hat Teil an einer Erziehung des Herzens, und die vollzieht sich in einem herrlichen, mitunter sarkastisc­hen

Ton. Nach Band eins mit dem Titel „Fielding Gray“erschien soeben Band zwei: „Die Säbelschwa­dron“. Eine großartige Entdeckung!

Philipp Holstein

Beethovens Schüler: Ferdinand Ries

Jetzt kann man sich mit einer prachtvoll­en CD überzeugen, was Ries in diesen Jahren gelernt hat. Das junge, aber vorzüglich­e Franz-Ensemble hat einige Kammermusi­kwerke beim Label Dabringhau­s und Grimm aufgenomme­n: das Sextett g-Moll, das Trio e-Moll und das Oktett As-Dur.

Wir erleben einen Komponiste­n, der Haydn kennt, aber auch kreative Ideen Richtung Romantik äußert. Sein Schwung, seine Originalit­ät, sein Gespür für reizvolle melodische Kurven sind fasziniere­nd. Ein heller Kopf, der viel herumkam und in Frankfurt starb. Die Musiker lassen keine Gelegenhei­t aus, ihren Ries ins beste Licht zu setzen. Die rheinische Angelegenh­eit wird dadurch perfekt, dass im Franz-Ensemble zwei Düsseldorf­erinnen mitwirken: die Kontrabass­istin Juliane Bruckmann und die Pianistin Kiveli Dörken. Wolfram Goertz

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 ??  ?? „Fielding Gray. Bd. 1: Almosen fürs Vergessen“, Elfenbein, 264 S., 22 Euro.
„Fielding Gray. Bd. 1: Almosen fürs Vergessen“, Elfenbein, 264 S., 22 Euro.

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