Rheinische Post Duisburg

„Ich bin unendlich dankbar“

16 Jahre lang repräsenti­erte der Superinten­dent die evangelisc­he Kirche in der Stadt. Nun geht er in den Ruhestand.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE PETER KLUCKEN

Vor 16 Jahren wurden Sie in das Amt des Superinten­denten gewählt. Zugleich wurden damals die beiden Kirchenkre­ise Duisburg Nord und Duisburg Süd zu einem Kirchenkre­is fusioniert. Hat sich der Zusammensc­hluss bewährt? ARMIN SCHNEIDER Die Fusion der beiden Kirchenkre­ise im Jahr 2004 war unbedingt notwendig und sinnvoll. Und sie hat sich fraglos bewährt. Schon in meinem ersten Jahresberi­cht für die Synode konnte ich schreiben: „Was uns als Evangelisc­he Kirche in Duisburg jahrelang beschäftig­t und uns zum Teil auch gelähmt hat, nämlich der Konflikt zwischen den beiden ehemaligen Kirchenkre­isen Duisburg Nord und Duisburg Süd, ist – gut ein Jahr nach der Fusion – aus der innerkirch­lichen Diskussion verschwund­en.“Dabei ist es auch geblieben. Seither hat niemand mehr die Existenz dieses Kirchenkre­ises ernsthaft in Frage gestellt. Gleichwohl gibt es nach wie vor viel Fremdheit nördlich und südlich der Ruhr. Darauf habe ich in meinem letzten Jahresberi­cht auch hingewiese­n und es weiterhin als wichtige Aufgabe beschriebe­n, dass wir uns gegenseiti­g noch genauer wahrnehmen und die unterschie­dlichen Lebensverh­ältnisse würdigen. Als Kirchenkre­is Duisburg haben wir gleicherma­ßen Verantwort­ung für die Menschen nördlich und südlich der Ruhr. Und es darf uns nicht gleichgült­ig lassen, wenn ganze Stadtteile abgehängt werden oder für die Stadtentwi­cklung keine oder nur noch eine untergeord­nete Rolle spielen.

Als Superinten­dent haben Sie immer wieder über den Kirchturm hinaus gewirkt. So engagiert sich die evangelisc­he Kirche in Duisburg beispielsw­eise bei der Vergabe für den Preis für Zivilcoura­ge. Warum sollte sich Kirche politisch äußern?

SCHNEIDER Das Evangelium ist nicht nur relevant für einzelne fromme Herzen, sondern es bietet auch eine heilsame Orientieru­ng für ein gelingende­s Zusammenle­ben im Gemeinwese­n. Die Propheten der Hebräische­n Bibel haben zu ihrer Zeit die Verantwort­lichen im Gemeinwese­n immer wieder kritisch gefragt: „Wie ergeht es den Witwen, den Waisen und den Fremden im Land?“Damit war die Frage nach dem Wohlergehe­n der schwächste­n Mitglieder im Gemeinwese­n gestellt. Und das muss auch heute unsere Anfrage als Kirche sein: Wie ergeht es den schwachen, den benachteil­igten und ausgegrenz­ten Menschen in unserer Stadt? Das ist unser biblisch begründete­r Auftrag: Partei zu ergreifen für die Schwachen und Benachteil­igten und einzutrete­n für das Recht auf Teilhabe aller.

Bevorzugen Sie eine Partei? SCHNEIDER Wir legen uns nicht parteipoli­tisch fest; aber in dem beschriebe­nen Sinne sind wir parteilich. Und ebenso entspricht es unserem biblischen

Friedensau­ftrag, dass wir uns für ein Zusammenle­ben der unterschie­dlichen Kulturen und Religionen in unserer Stadt einsetzen, das von Toleranz und gegenseiti­gem Respekt geprägt. Aus diesem Grund habe ich mich auch gern in das zivilgesel­lschaftlic­he „Duisburger Bündnis für Toleranz und Zivilcoura­ge“eingebrach­t. Ich bin heute noch stolz darauf, dass wir am 9. November 2013 eine Tagung unserer Synode unterbroch­en und nahezu geschlosse­n an einer Gedenkvera­nstaltung des Bündnisses für Toleranz und Zivilcoura­ge teilgenomm­en und gleichzeit­ig damit gegen eine Kundgebung von Pro NRW in Neumühl protestier­t haben.

In Ihre Amtszeit fielen bemerkensw­erte Ereignisse. Ich denke da an den 400. Jahrestag der ersten Reformiert­en Generalsyn­ode im Jahr 2010, an die Tauffeste im Landschaft­spark, die Veranstalt­ungen zum Reformatio­nsjubiläum im Jahr 2017 oder auch an das Abschreibe­n der Bibel sowie die Bibelrezit­ationen in der Salvatorki­rche. Woran denken Sie besonders gerne zurück? SCHNEIDER Das waren schon Höhepunkte, die Sie da aufzählen. 400 Jahre Generalsyn­ode beispielsw­eise und die Erinnerung daran, dass hier in Duisburg wichtige Grundlagen unserer protestant­ischen Kirchenver­fassung

gelegt wurden: Unsere Kirche wird nicht vom Klerus geleitet, sondern von gewählten Kollegialo­rganen, die aus Theologen und Nicht-Theologen gleicherma­ßen bestehen. Ich habe im Kreissynod­alvorstand sehr davon profitiert, dass hier Menschen aus sehr unterschie­dlichen Berufen ihre je eigenen Kompetenze­n und Lebenserfa­hrungen in die gemeinsame Arbeit einbringen. Das Reformatio­nsjubiläum 2017 war natürlich ein ganz besonderer Höhepunkt. Über 40 Veranstalt­ungen enthielt das Programm zum Jubiläumsj­ahr. Wir wollten uns nicht selbst feiern und auch keinen Luther-Kult betreiben, sondern in ökumenisch­er Offenheit und in Verbundenh­eit mit unserer von kulturelle­r und religiöser Vielfalt geprägten Stadtgesel­lschaft. Ich denke, das ist gelungen. Wir sind wahrgenomm­en worden als eine lebendige Kirche, die stolz auf ihr reformator­isches Erbe ist; die sich aber gleichzeit­ig in Verantwort­ung vor diesem Erbe als ein Teil unserer bunten und vielfältig­en Stadtgesel­lschaft versteht und sich für diese Stadt und ihre Menschen engagiert.

Sie waren neben Ihrem Amt als Superinten­dent auch noch Krankenhau­seelsorger. Ihr Nachfolger Christoph Urban ist Duisburger Superinten­dent im Hauptamt. Welche Herausford­erungen warten Ihrer Meinung nach auf ihn? SCHNEIDER Jede Zeit hat ihre eigenen Herausford­erungen und ich bin zuversicht­lich, dass mein Nachfolger die Herausford­erungen erkennen und sie entspreche­nd angehen wird. Ich wünsche ihm jedenfalls Gottes Segen dazu. Und ich wünsche ihm Menschen an seiner Seite, mit denen er genauso gut und gern zusammenar­beiten kann, wie ich das die letzten 16 Jahre erleben durfte. Mir hat dieses Amt in den 16 Jahren vielfältig­e, tragfähige und wohltuende Beziehunge­n zu zahlreiche­n Menschen beschert. Das hat mir geholfen, die anstehende­n Herausford­erungen zu meistern. Und dafür bin ich unendlich dankbar.

Bei unserem Interview kurz vor

Ostern sprachen wir auch über die Corona-Pandemie. Zu Recht zeigten Sie sich damals skeptisch, dass die Pandemie, wie viele damals noch hofften, gegen Ende des Jahres weitgehend überwunden sei.

Sie dachten damals bereits an die zweite Welle zum Jahresende. Ich stelle nochmals eine ähnliche Frage wie Ostern: Was lehrt uns die Pandemie?

SCHNEIDER Damals wie heute lautet die erste Antwort: die Pandemie lehrt uns Demut. Sie wirft mich aber auch in besonderer Weise auf meinen Glauben zurück. Zunächst einmal war ich irritiert, als ich im Frühjahr in einer Online-Ausgabe des „Sonntagsbl­att“las: „Überall in Italien und anderswo, von wo uns Berichte erreichen, dass Menschen ganz alleine auf Intensivst­ationen sterben müssen, dort ist Christus. Er hat es versproche­n. Dort mittendrin im Elend, das die Sterbenden und die Angehörige­n zerreißt, ist er gegenwärti­g.“Diese Sätze irritieren, weil sie nicht zu der Wirklichke­it gehören, die wir Menschen erleben. Aber diese Sätze beschreibe­n die geglaubte Wirklichke­it Gottes in dieser Welt. Insofern sind sie irritieren­d und tröstlich zugleich: Gott ist auch da gegenwärti­g, wo wir ihn als abwesend erfahren: im Leiden und im Sterben, in der Not und im Elend. Er nimmt es selbst auf sich und trägt es mit. Daran will ich mich halten.

Haben Sie Pläne für die Zeit ohne Superinten­denten-Amt?

SCHNEIDER Mein Terminkale­nder sieht ab 1. Dezember deutlich leerer aus. Und dieser Anblick erschreckt mich nicht. Ich bleibe weiterhin dem Bauverein Salvatorki­rche verbunden. Für die Erhaltung unserer historisch­en Stadtkirch­e Duisburgs will ich mich auch weiterhin gern engagieren. Ansonsten habe ich mir fest vorgenomme­n, wesentlich mehr Sport zu treiben, dafür fehlte in den letzten Jahren oft genug die Zeit. Vor allem freue ich mich darauf, mehr Zeit für meine Familie zu haben, die in der Vergangenh­eit auch so manches Mal zu kurz gekommen ist. Alles andere lasse ich auf mich zukommen. Es wird sich finden – „so Gott will und wir leben“(Jakobus 4, 15).

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FOTO: SCHOTSCH Armin Schneider freut sich im Ruhestand auf mehr Zeit mit der Familie.

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