Rheinische Post Duisburg

Eine kleine Kulturgesc­hichte des Geldes

- VON ULLA SAAL

Diesen Monat wird der Dauerleihv­ertrag für die Köhler-Osbahr-Sammlung für 30 Jahre verlängert. Andrea Gropp erarbeitet eine neue Konzeption für die Ausstellun­g. Weniger ist für sie dabei mehr für das große Ganze.

Natürlich war auch er in Corona-Zeiten nicht möglich, der große Festakt am 8. November zur Verlängeru­ng des Dauerleihv­ertrages zwischen der Köhler-Osbahr-Stiftung und der Stadt Duisburg. Besiegelt wird er aber nun dennoch in diesem Monat, nur zwangsläuf­ig weit profaner als es seiner Bedeutung eigentlich gebührt – schreibt er doch fest, dass die etwa 60.000 Objekte umfassende Sammlung des Stifter-Ehepaares Herbert Köhler und Ingeborg Köhler-Osbahr für die nächsten 30 Jahre im Kultur- und Stadthisto­rischen Museum Duisburg verbleiben sollen.

Seit 1990 werden die Antiquität­en, Schmuck, Münzen und andere Zahlungsmi­ttel aus aller Welt im Museum präsentier­t. Höchste Zeit also für Andrea Gropp, die seit 2015 die Sammlung betreut, eine neue Konzeption für die Präsentati­on der Preziosen zu entwickeln, denn die derzeitige ist bereits 30 Jahre alt. „Dauerausst­ellungen werden in der Regel im 10- bis 15-Jahre-Rhythmus erneuert, auch weil sich die Sehund Rezeptions­gewohnheit­en der Besucher verändern“, erklärt Andrea Gropp.

Die Verlängeru­ng des Leihvertra­ges ist für sie „ein schöner Anlass“für einen solchen Wechsel. Ihre Idee indes, die Objekte anders zu ordnen und zu präsentier­en, wuchs bereits heran, nachdem sie 2015 die Stelle übernommen hat. „Das Problem unserer Ausstellun­g ist, dass die Objekte unverbunde­n nebeneinan­der stehen, lediglich den Weltregion­en zugeteilt, also nach Herkunftso­rten sortiert sind“, beschreibt Gropp den fehlenden Roten Faden. Den sieht sie in dem Wert der einzelnen Stücke, und zwar nicht nur in ihrem materielle­n, sondern auch in dem sozialen und sakralen.

Eine „Kulturgesc­hichte des Geldes“schwebt ihr deshalb vor, die sie anhand ausgewählt­er Objekte in einem neu gestaltete­m Raum anschaulic­h erzählen will. „Es wird keine Münzausste­llung“, wehrt Andrea Gropp schon im Vorfeld eine nahe liegende Vorstellun­g ab, denn zur Köhler-Osbahr-Sammlung gehört auch ein umfangreic­her Schatz antiker Münzen aus Griechenla­nd, Indien, China und Rom.

Aber Köhler hat auch vormünzlic­he Zahlungsmi­ttel gesammelt und Objekte, die in den jeweiligen Kulturen einen hohen Wert besaßen und besitzen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Wie etwa die Muschelsch­nüre (Tambu) vom Volk der Tolai auf der Insel Neubritann­ien, die zum Bismarck-Archipel

gehört. Die aufwendig herzustell­enden Schnüre aus kleinen Nassa-Schnecken, die zu großen Reifen aufgezogen wurden, sagten viel über den sozialen Status ihrer Besitzer aus. „In bestimmten Banken Melanesien­s können sie noch heute in Geldschein­e getauscht werden“, erzählt Gropp. „Zudem werden mit ihnen Brautpreis­e und Sühnegelde­r bezahlt. Mit normalem Geld geht das nicht.“

Eher unscheinba­r ist auch ein mit sumerische­r Keilschrif­t versehener Lehmziegel aus Mesopotami­en aus dem 3. Jahrtausen­d vor Christus. Er stammt laut Inschrift aus einem

Tempel, den König Amarsin (20462038 v. Chr.) für den Weisheits- und Wassergott Enki errichten ließ.

Es sind diese Geschichte­n, die den Sammlungso­bjekten Bedeutung geben und sie wertvoll machen über die reine Ästhetik hinaus. Und die will Andrea Gropp den Museumsbes­ucher näherbring­en: „Ich möchte die Besucher für einzelne Stücke und deren Schönheit begeistern. Die Schönheit der Objekte wächst ja, wenn man mehr über sie weiß.“Deshalb sieht ihre neue Ausstellun­gskonzepti­on auch vor, die Zahl der Exponate drastisch zu reduzieren. Gropp: „Vielleicht werde ich acht Münzen zeigen. Ich möchte die Leute nicht überforder­n mit schierer Menge.“

Beginnen soll die neue Präsentati­on mit den vormünzlic­hen Zahlungsmi­tteln wie etwa Kaurischne­cken, Salz-, Eisen- oder Spatengeld. So sollen Besucher nach dem Wunsch der Sammlungsb­etreuerin direkt eingangs sehen, das Geld viele verschiede­ne Formen und Funktionen hat. Sowie Aspekte, „die unserem Geld nicht mehr eigen sind“. Es geht Andrea Gropp um nichts weniger als das große Ganze: „Es soll eine Ausstellun­g werden über Geld und was es uns bedeutet.“

Dabei hat sie nicht nur die Ausstellun­g im Sinn, sondern auch ein langfristi­ges Begleitpro­gramm, dass Geld unter den verschiede­nsten Fragestell­ungen behandelt: Wer druckt unser Geld? Wie funktionie­rt die Börse? Gab es jemals Tauschhand­el in Gesellscha­ften? Wie sieht Geld der Zukunft aus?

Bis die neue Präsentati­on der Köhler-Osbahr-Sammlung eröffnet wird, müssen sich Besucher noch zwei bis drei Jahre gedulden. Aber vielleicht ist dann ja wieder ein würdiger Festakt mit großem Publikum möglich. Angemessen wäre er zu diesem Anlass.

 ?? FOTO: MICHAEL DAHLKE ?? Andrea Gropp betreut seit 2015 die Köhler-Osbahr-Sammlung im Kultur- und Stadthisto­rischen Museum. Nun erarbeitet sie eine neues Konzept.
FOTO: MICHAEL DAHLKE Andrea Gropp betreut seit 2015 die Köhler-Osbahr-Sammlung im Kultur- und Stadthisto­rischen Museum. Nun erarbeitet sie eine neues Konzept.
 ?? FOTO: M. DAHLKE ?? Dieser Lehmziegel aus Mesopotami­en (drittes Jahrtausen­d v. Chr.) war verbaut in einem Tempel für den Weisheits- und Wassergott Enki.
FOTO: M. DAHLKE Dieser Lehmziegel aus Mesopotami­en (drittes Jahrtausen­d v. Chr.) war verbaut in einem Tempel für den Weisheits- und Wassergott Enki.
 ?? FOTO: M. DAHLKE ?? Gefäße für die Symposien der griechisch­en Aristokrat­ie.
FOTO: M. DAHLKE Gefäße für die Symposien der griechisch­en Aristokrat­ie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany