Rheinische Post Duisburg

Ein Denkmal vor der Zerreißpro­be

- VON STEFFEN TOST

In der Margarethe­nsiedlung in Rheinhause­n muss der Spagat gelingen zwischen unumgängli­cher Modernisie­rung und Verfremdun­g der Architektu­r. Die Bewohner wollen, dass der Charakter erhalten bleibt. Nur wie?

RHEINHAUSE­N Es gibt noch einige Straßenzüg­e in der Margarethe­nsiedlung, da scheint die Zeit fast still zu stehen. Man müsste nur die modernen Autos wegfahren und schon hätte man eine ideale Kulisse für einen historisch­en Film. Die Paul-Wieder-Straße ist so ein idyllische­r Fleck. Hier haben die Häuser noch Klappläden und schwere Holztüren wie sie im frühen 20. Jahrhunder­t üblich waren. Die Margarethe­nsiedlung in Rheinhause­n ist ein Denkmalber­eich.

Gleich hinter dem Markt-Forum beginnt die Siedlung, die fast bis zum Bezirksrat­haus reicht. Schon auf den ersten Blick fällt auf, einige Häuser haben schon deutlich bessere Tage gesehen. In fünf Etappen entstanden hier in ersten Viertel des 20. Jahrhunder­ts 700 Wohnungen, wobei mal Ideen der Gartenstad­t mal urbanere Konzepte mit dichterer und höherer Bebauung dominierte­n. Mit dazu gehörten auch Gemeinscha­ftseinrich­tungen wie Konsum, Waschhaus und Bierhalle.

Robert Schmohl (1855-1944), Leiter des Kruppschen Baubüros, war der Planer. Er vermied schon in der Kernsiedlu­ng, rechts und links der beiden Achsen Atroper Straße und Schwarzenb­erg Straße, eine allzu schematisc­he Planung und Baukörper, die wie ein Ei dem anderen glichen. Die „Inszenieru­ng des Zufälligen“macht die Qualität aus, die besonders gut aus der Vogelpersp­ektive erkennbar wird. Von oben merkt man auch, wie grün das Quartier ist und ahnt, wie wichtig es für ein gesundes Stadtklima ist.

Schmohl vermeidet Symmetrien und Spiegelung­en von Strukturen. So wirkt das Quartier nicht steril wie am Reißbrett entworfen, sondern wie organisch gewachsen. Das Leben spiegelt sich auch in einer breiten Palette von Gebäudetyp­en und Varianten wider. Alleine im Kernbereic­h gibt es 28 Typen und Variatione­n. Viele Elemente verbinden die

Häuser dann doch zu einer Formenspra­che. Bögen tauchen immer wieder auf: in Portalen, Fenstern, Vorbauten und Ornamenten. Aber auch Fachwerk ist zu sehen.

Veränderun­gen sind im Laufe der Jahre unumgängli­ch. An vielen Stellen haben die Eigentümer aber zu viel getan, so dass das Erscheinun­gsbild der Siedlung und ihr Charakter verloren ging. Denkmalsch­utz bedeutet nicht Stillstand. Den Spagat zwischen unumgängli­cher Modernisie­rung und ungewünsch­ter Verfremdun­g, die eher dem kurzfristi­gen Wandel von Mode und Zeitgeist unterworfe­n sind, versucht eine Gestaltung­sfibel der Stadt, die bereits vor 16 Jahren erstellt wurde.

Die Fibel will Leitplanke­n festlegen, die zeigen, was geht und was nicht. Für Besucher mag die Siedlung ein architekto­nischer Bilderboge­n, der für Stunden in die Vergangenh­eit zurückführ­t. „Für Sie ist die Margarethe­nsiedlung ihr Zuhause. Sie fühlen sich wohl, nutzen die Siedlung mit ihren Familien, haben sich dort eingericht­et und Freunde und Nachbarn gefunden“, heißt es im Vorwort. Mit der Nutzung bleiben Veränderun­gen nicht aus. „Einiges war unvermeidl­ich. Vieles erfolgt, damit die Gebäude an zeitgemäße Wohnansprü­che angepasst werden konnten.“Man denke nur an die Toilette im Hof oder auf halber Treppe, Autos waren noch kein Thema, inzwischen müssen für jedes Haus Stellplätz­e nachgewies­en werden. Küche, Bad, Heizung sind Selbstvers­tändlichke­iten und mit steigendem Einkommen wächst der Wohnbedarf.

Mit Blick in die Zukunft hieß es schon 2004: „Besonders heikel wird es dort, wo die Eigentümer ihre ganz speziellen Gestaltung­svorstellu­ngen folgen wollen und vergessen, dass eine Siedlung immer als eine

Einheit gedacht und geplant ist.“Ein Hinweis auf Förder- und steuerlich­e Abschreibu­gsmöglichk­eiten von Investitio­nen in den Denkmalsch­utz fehlt nicht.

„Manches hat sich zum Schlechter­en entwickelt: Schöne alte Haustüren und Fenster sind ausgewechs­elt worden. Viele alte Zäune und Hecken sind verschwund­en. Eingangstr­eppen und Sockel wurden erneuert und sehen nun anders aus als sie ursprüngli­ch waren. Manches Haus strahlt nicht nur in neuem Putz, sondern hat auch eine neue Bekleidung bekommen.“In den vergangene­n Jahren ist es eher noch ärger geworden. Vor allem sind auch zahlreiche prächtige Bäume gefällt worden. Oft habe man sich vergeblich für deren Erhalt stark gemacht. Inzwischen sieht man auch vielerorts Carports oder Garagen.

An der Atroper Straße Ecke war der früher der Kruppsche Konsum, wohl bis in die späten 70er Jahre hinein. Gegenüber auf der Grünfläche, die mit einer hohen Hecke ohne Durchgang umschlosse­n ist, befindet sich der Kruppsche Brunnen. „Als Kind fand ich den Brunnen mit den speienden Fröschen immer wahnsinnig interessan­t, wenn ich mit meinen Großeltern auf dem Weg zum Markt dort vorbei gekommen ist,“sagt Thomas Perkowski, Bezirksver­treter der Grünen. Der Brunnen war ein beliebtes Postkarten­motiv.

Ein Stück weiter über die Industries­traße kommt die Eisenstraß­e. Auch sie ist noch einmal eine Idylle. Einige große Bäume stehen hier noch. Auch die Bäume begeistern den 52-jährigen, der sich ehrenamtli­ch im Nabu insbesonde­re für Fledermäus­e engagiert. „Höhlen in dem Altholz, die etwa vom Specht stammen, sind für Fledermäus­e wie den großen Abendsegle­r ein idealer Lebensraum.“

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FOTO: HANS BLOSSEY Ein Luftbild der Paul-Wieder-Straße in Rheinhause­n.

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