Ein Denkmal vor der Zerreißprobe
In der Margarethensiedlung in Rheinhausen muss der Spagat gelingen zwischen unumgänglicher Modernisierung und Verfremdung der Architektur. Die Bewohner wollen, dass der Charakter erhalten bleibt. Nur wie?
RHEINHAUSEN Es gibt noch einige Straßenzüge in der Margarethensiedlung, da scheint die Zeit fast still zu stehen. Man müsste nur die modernen Autos wegfahren und schon hätte man eine ideale Kulisse für einen historischen Film. Die Paul-Wieder-Straße ist so ein idyllischer Fleck. Hier haben die Häuser noch Klappläden und schwere Holztüren wie sie im frühen 20. Jahrhundert üblich waren. Die Margarethensiedlung in Rheinhausen ist ein Denkmalbereich.
Gleich hinter dem Markt-Forum beginnt die Siedlung, die fast bis zum Bezirksrathaus reicht. Schon auf den ersten Blick fällt auf, einige Häuser haben schon deutlich bessere Tage gesehen. In fünf Etappen entstanden hier in ersten Viertel des 20. Jahrhunderts 700 Wohnungen, wobei mal Ideen der Gartenstadt mal urbanere Konzepte mit dichterer und höherer Bebauung dominierten. Mit dazu gehörten auch Gemeinschaftseinrichtungen wie Konsum, Waschhaus und Bierhalle.
Robert Schmohl (1855-1944), Leiter des Kruppschen Baubüros, war der Planer. Er vermied schon in der Kernsiedlung, rechts und links der beiden Achsen Atroper Straße und Schwarzenberg Straße, eine allzu schematische Planung und Baukörper, die wie ein Ei dem anderen glichen. Die „Inszenierung des Zufälligen“macht die Qualität aus, die besonders gut aus der Vogelperspektive erkennbar wird. Von oben merkt man auch, wie grün das Quartier ist und ahnt, wie wichtig es für ein gesundes Stadtklima ist.
Schmohl vermeidet Symmetrien und Spiegelungen von Strukturen. So wirkt das Quartier nicht steril wie am Reißbrett entworfen, sondern wie organisch gewachsen. Das Leben spiegelt sich auch in einer breiten Palette von Gebäudetypen und Varianten wider. Alleine im Kernbereich gibt es 28 Typen und Variationen. Viele Elemente verbinden die
Häuser dann doch zu einer Formensprache. Bögen tauchen immer wieder auf: in Portalen, Fenstern, Vorbauten und Ornamenten. Aber auch Fachwerk ist zu sehen.
Veränderungen sind im Laufe der Jahre unumgänglich. An vielen Stellen haben die Eigentümer aber zu viel getan, so dass das Erscheinungsbild der Siedlung und ihr Charakter verloren ging. Denkmalschutz bedeutet nicht Stillstand. Den Spagat zwischen unumgänglicher Modernisierung und ungewünschter Verfremdung, die eher dem kurzfristigen Wandel von Mode und Zeitgeist unterworfen sind, versucht eine Gestaltungsfibel der Stadt, die bereits vor 16 Jahren erstellt wurde.
Die Fibel will Leitplanken festlegen, die zeigen, was geht und was nicht. Für Besucher mag die Siedlung ein architektonischer Bilderbogen, der für Stunden in die Vergangenheit zurückführt. „Für Sie ist die Margarethensiedlung ihr Zuhause. Sie fühlen sich wohl, nutzen die Siedlung mit ihren Familien, haben sich dort eingerichtet und Freunde und Nachbarn gefunden“, heißt es im Vorwort. Mit der Nutzung bleiben Veränderungen nicht aus. „Einiges war unvermeidlich. Vieles erfolgt, damit die Gebäude an zeitgemäße Wohnansprüche angepasst werden konnten.“Man denke nur an die Toilette im Hof oder auf halber Treppe, Autos waren noch kein Thema, inzwischen müssen für jedes Haus Stellplätze nachgewiesen werden. Küche, Bad, Heizung sind Selbstverständlichkeiten und mit steigendem Einkommen wächst der Wohnbedarf.
Mit Blick in die Zukunft hieß es schon 2004: „Besonders heikel wird es dort, wo die Eigentümer ihre ganz speziellen Gestaltungsvorstellungen folgen wollen und vergessen, dass eine Siedlung immer als eine
Einheit gedacht und geplant ist.“Ein Hinweis auf Förder- und steuerliche Abschreibugsmöglichkeiten von Investitionen in den Denkmalschutz fehlt nicht.
„Manches hat sich zum Schlechteren entwickelt: Schöne alte Haustüren und Fenster sind ausgewechselt worden. Viele alte Zäune und Hecken sind verschwunden. Eingangstreppen und Sockel wurden erneuert und sehen nun anders aus als sie ursprünglich waren. Manches Haus strahlt nicht nur in neuem Putz, sondern hat auch eine neue Bekleidung bekommen.“In den vergangenen Jahren ist es eher noch ärger geworden. Vor allem sind auch zahlreiche prächtige Bäume gefällt worden. Oft habe man sich vergeblich für deren Erhalt stark gemacht. Inzwischen sieht man auch vielerorts Carports oder Garagen.
An der Atroper Straße Ecke war der früher der Kruppsche Konsum, wohl bis in die späten 70er Jahre hinein. Gegenüber auf der Grünfläche, die mit einer hohen Hecke ohne Durchgang umschlossen ist, befindet sich der Kruppsche Brunnen. „Als Kind fand ich den Brunnen mit den speienden Fröschen immer wahnsinnig interessant, wenn ich mit meinen Großeltern auf dem Weg zum Markt dort vorbei gekommen ist,“sagt Thomas Perkowski, Bezirksvertreter der Grünen. Der Brunnen war ein beliebtes Postkartenmotiv.
Ein Stück weiter über die Industriestraße kommt die Eisenstraße. Auch sie ist noch einmal eine Idylle. Einige große Bäume stehen hier noch. Auch die Bäume begeistern den 52-jährigen, der sich ehrenamtlich im Nabu insbesondere für Fledermäuse engagiert. „Höhlen in dem Altholz, die etwa vom Specht stammen, sind für Fledermäuse wie den großen Abendsegler ein idealer Lebensraum.“