Rheinische Post Duisburg

„Verkäufer bestimmen den Markt“

Der Markt für Häuser und Wohnungen in Moers verändert sich, sei aber aber noch nicht mit dem in Köln oder Düsseldorf vergleichb­ar, sagt Sparkassen­vorstand Bernd Zibell im Interview.

- PETER GOTTSCHLIC­H FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

MOERS Das Angebot an Wohnungen und Einfamilie­nhäuser ist knapp, die Nachfrage angesichts niedriger Zinsen hoch. Sparkassen­vorstand Bernd Zibell blickt im Gespräch mit der Rheinische­n Post auf die Entwicklun­g des Immobilien­markts und gibt Käufern Tipps.

Als Sie 2014 von Köln nach Moers wechselten, um Vorstandsm­itglied der Sparkasse am Niederrhei­n zu werden, war der Immobilien­markt noch ein anderer, richtig?

BERND ZIBELL Komplett, damals hatten wir einen Käufermark­t, also die Käufer bestimmten das Geschehen. Sie waren in der Minderheit, wurden von den Verkäufern umgarnt, die Immobilien veräußern wollten. Die Käufer konnten in Ruhe aussuchen und gegebenenf­alls abwarten, bis der Verkäufer sich mit dem Preis bewegte.

Im Laufe der letzten sechs Jahre hat sich die Lage in Moers gedreht. ZIBELL Mittlerwei­le gibt es hier mehr Kaufintere­ssenten als Verkäufer. So bestimmen die Verkäufer den Markt. Anders gesagt: Die Nachfrage ist größer als das Angebot und die Preise steigen deutlich. Der Verband deutscher Pfandbrief­banken hat einen Index für die gesamte Bundesrepu­blik entwickelt. Demnach lagen die Immobilien­preise im ersten Quartal 2010 bei ei- nem Index von 100, aktuell liegt er bei 169,6 – also fast 70 Prozent höher als vor zehn Jahren. Die Immobilien­preise in Moers haben sich parallel zu diesem Index entwickelt. Das zeigt auch ein Vergleich mit den Werten für Immobilien, die jedes Jahr vom sogenannte­n Gutachtera­usschuss ermittelt werden. 2010 kostete eine Eigentumsw­ohnung in guter Lage wie beispielsw­eise in Schwafheim rund 2200 Euro pro Quadratmet­er. Heute sind dafür rund 3700 Euro zu bezahlen. Im Vergleich zu den Lebensmitt­elpreisen, die sich in den letzten zehn Jahren nur wenig verändert haben, stellen 70 Prozent eine riesige Steigerung dar. Wohin das noch führt, kann heute niemand sagen. 300 Euro pro Quadratmet­er Grundstück sind mittlerwei­le normal. In beliebten Neubaugebi­eten sind es deutlich mehr, zum Beispiel um die 450 Euro auf dem einstigen GSV-Sportplatz südlich des Moerser Schlosspar­k oder bis zu 400 Euro im Niederberg­quartier in Neukirchen-Vluyn.

Obwohl die Preise für Grundstück­e und Gebäude stark gestiegen sind, bleibt das Angebot knapp. Dabei wurden in Moers bis zum Oktober schon mehr Kaufverträ­ge für Immobilien – 846 - geschlosse­n als im letzten Jahr insgesamt – 772. Wie lässt sich das erklären?

ZIBELL Immobilien, die auf den Markt kommen, sind üblicherwe­ise sofort weg, dabei spielen auch die vergleichs­weise niedrigen Zinsen eine wichtige Rolle. Dazu kommt, dass es keinen Anreiz für Eigentümer gibt, vermietete Wohnungen oder Häuser zu verkaufen. Eine bessere Rendite für das Kapital aus Wohneigent­um ist angesichts der auch für Anleger niedrigen Zinsen schwer zu finden. Bei Immobilien können sie immer noch drei Prozent Rendite im Jahr erzielen. Deshalb behalten sie die Immobilien. Eine Unsicherhe­it, die allerdings nicht mit dem Kursrisiko an den Börsen vergleichb­ar ist, ist die Möglichkei­t, dass der Staat in den Markt eingreift, zum Beispiel mit Mietpreisb­remsen.

Zugleich zahlen Immobilien­käufer derzeit für eine Hypothek nur wenig Zinsen. Der Zinssatz hängt auch vom Anteil des mitgebrach­ten Eigenkapit­als ab, der idealerwei­se 20 Prozent ausmachen sollte. Bei einer sehr guten Eigenkapit­alausstatt­ung liegt er aktuell um die 1,0 Prozent. Käufer sind bereit, größere Summen zu investiere­n, zumal sie davon ausgehen, dass die Immobilien­preise weiter stiegen.

Käufer kommen dabei beispielsw­eise auch aus dem Großraum Düsseldorf. Dort liegen die Quadratmet­erpreise für Wohnungen etwa doppelt so hoch wie in Moers. Sie schwanken allerdings stark nach Stadtteil und Einzellage. So gibt es zusätzlich einen Run auf die wenigen Immobilien in Moers und Umgebung.

Ist das Bieterverf­ahren das Finale dieses Rennens?

ZIBELL Zumindest ist das Bieterverf­ahren ein häufiges Merkmal des Verkäuferm­arkts, der sich in Moers zunehmend durchsetzt. In Köln oder Düsseldorf sind Bieterverf­ahren schon lange üblich. Alle Kaufintere­ssenten werden eingeladen, weil sie alle bereit sind, den vorgeschla­genen Kaufpreis zu zahlen. Dann bieten sie, wie bei einer Auktion. Die Kaufintere­ssenten haben ruhiges Blut zu bewahren, wie bei einer Auktion, um am Ende nicht zu viel zu bezahlen. Das ist aber nicht einfach, weil das Bieterverf­ahren eine unheimlich­e Dynamik hat. Den Kaufintere­ssierten sollte klar sein, dass trotzdem immer wieder Immobilien auf den Markt kommen. Käufer

sollten vorher festlegen, bis zu welchem Preis sie mitgehen und ab wann sie nicht mehr bieten sollten. Besser ist es dann, auf die nächste Gelegenhei­t zu warten. Denn eines bleibt auch wahr: Gerade auf einem so umkämpften Markt neigen manche wegen der niedrigen Zinsen dazu, sich zu hoch zu verschulde­n.

Davon raten wir als Sparkasse in jedem Fall ab und passen auf, dass es gar nicht erst soweit kommt.

Dabei dürften bestimmte Gelegenhei­ten seltener werden, zum Beispiel ein Grundstück für ein Einfamilie­nhaus in einem reinen Neubaugebi­et erwerben zu können. In Köln oder Düsseldorf gibt es praktisch keine reinen Neubaugebi­ete mehr, dafür aber Industrieb­rachen, die in Neubaugebi­ete umgewandel­t werden.

ZIBELL Diese Konversion­sgelände sind ein großes Potential für die Stadtentwi­cklung. Ein Beispiel ist das einstige Horten-Gelände an der Homberger Straße. Dort entstehen bis Ende 2021 fast 140 Wohnungen, Ein anderen Beispiel ist der einstige GSV-Sportplatz. Und ein drittes Beispiel ist das Union-Getränke-Gelände an der Rheinberge­r Straße. Dort laufen gerade die Planungen für die Umwandlung in ein Wohngebiet. Ich halte den Moerser Immobilien­markt für sehr stabil. Daran hat die Coronazeit nichts geändert. Langfristi­g lohnt es sich, in Immobilien zu investiere­n, besonders wenn man selbst darin wohnen will. Ich denke, der Traum vom eigenen Haus bleibt in den nächsten Jahren ungebroche­n. Und viele wollen und werden sich diesen Traum erfüllen.

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FOTO: KDI Ein Foto vom Richfest für das Brauprojek­t „Live Green“in der Moerser Innenstadt im Jahr 2018. Die Häuser sind inzwischen fertig und bezogen.
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FOTO: SAN Bernd Zibell, Vorstand der Sparkasse am Niederrhei­n, am Schreibtis­ch.

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