„Verkäufer bestimmen den Markt“
Der Markt für Häuser und Wohnungen in Moers verändert sich, sei aber aber noch nicht mit dem in Köln oder Düsseldorf vergleichbar, sagt Sparkassenvorstand Bernd Zibell im Interview.
MOERS Das Angebot an Wohnungen und Einfamilienhäuser ist knapp, die Nachfrage angesichts niedriger Zinsen hoch. Sparkassenvorstand Bernd Zibell blickt im Gespräch mit der Rheinischen Post auf die Entwicklung des Immobilienmarkts und gibt Käufern Tipps.
Als Sie 2014 von Köln nach Moers wechselten, um Vorstandsmitglied der Sparkasse am Niederrhein zu werden, war der Immobilienmarkt noch ein anderer, richtig?
BERND ZIBELL Komplett, damals hatten wir einen Käufermarkt, also die Käufer bestimmten das Geschehen. Sie waren in der Minderheit, wurden von den Verkäufern umgarnt, die Immobilien veräußern wollten. Die Käufer konnten in Ruhe aussuchen und gegebenenfalls abwarten, bis der Verkäufer sich mit dem Preis bewegte.
Im Laufe der letzten sechs Jahre hat sich die Lage in Moers gedreht. ZIBELL Mittlerweile gibt es hier mehr Kaufinteressenten als Verkäufer. So bestimmen die Verkäufer den Markt. Anders gesagt: Die Nachfrage ist größer als das Angebot und die Preise steigen deutlich. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken hat einen Index für die gesamte Bundesrepublik entwickelt. Demnach lagen die Immobilienpreise im ersten Quartal 2010 bei ei- nem Index von 100, aktuell liegt er bei 169,6 – also fast 70 Prozent höher als vor zehn Jahren. Die Immobilienpreise in Moers haben sich parallel zu diesem Index entwickelt. Das zeigt auch ein Vergleich mit den Werten für Immobilien, die jedes Jahr vom sogenannten Gutachterausschuss ermittelt werden. 2010 kostete eine Eigentumswohnung in guter Lage wie beispielsweise in Schwafheim rund 2200 Euro pro Quadratmeter. Heute sind dafür rund 3700 Euro zu bezahlen. Im Vergleich zu den Lebensmittelpreisen, die sich in den letzten zehn Jahren nur wenig verändert haben, stellen 70 Prozent eine riesige Steigerung dar. Wohin das noch führt, kann heute niemand sagen. 300 Euro pro Quadratmeter Grundstück sind mittlerweile normal. In beliebten Neubaugebieten sind es deutlich mehr, zum Beispiel um die 450 Euro auf dem einstigen GSV-Sportplatz südlich des Moerser Schlosspark oder bis zu 400 Euro im Niederbergquartier in Neukirchen-Vluyn.
Obwohl die Preise für Grundstücke und Gebäude stark gestiegen sind, bleibt das Angebot knapp. Dabei wurden in Moers bis zum Oktober schon mehr Kaufverträge für Immobilien – 846 - geschlossen als im letzten Jahr insgesamt – 772. Wie lässt sich das erklären?
ZIBELL Immobilien, die auf den Markt kommen, sind üblicherweise sofort weg, dabei spielen auch die vergleichsweise niedrigen Zinsen eine wichtige Rolle. Dazu kommt, dass es keinen Anreiz für Eigentümer gibt, vermietete Wohnungen oder Häuser zu verkaufen. Eine bessere Rendite für das Kapital aus Wohneigentum ist angesichts der auch für Anleger niedrigen Zinsen schwer zu finden. Bei Immobilien können sie immer noch drei Prozent Rendite im Jahr erzielen. Deshalb behalten sie die Immobilien. Eine Unsicherheit, die allerdings nicht mit dem Kursrisiko an den Börsen vergleichbar ist, ist die Möglichkeit, dass der Staat in den Markt eingreift, zum Beispiel mit Mietpreisbremsen.
Zugleich zahlen Immobilienkäufer derzeit für eine Hypothek nur wenig Zinsen. Der Zinssatz hängt auch vom Anteil des mitgebrachten Eigenkapitals ab, der idealerweise 20 Prozent ausmachen sollte. Bei einer sehr guten Eigenkapitalausstattung liegt er aktuell um die 1,0 Prozent. Käufer sind bereit, größere Summen zu investieren, zumal sie davon ausgehen, dass die Immobilienpreise weiter stiegen.
Käufer kommen dabei beispielsweise auch aus dem Großraum Düsseldorf. Dort liegen die Quadratmeterpreise für Wohnungen etwa doppelt so hoch wie in Moers. Sie schwanken allerdings stark nach Stadtteil und Einzellage. So gibt es zusätzlich einen Run auf die wenigen Immobilien in Moers und Umgebung.
Ist das Bieterverfahren das Finale dieses Rennens?
ZIBELL Zumindest ist das Bieterverfahren ein häufiges Merkmal des Verkäufermarkts, der sich in Moers zunehmend durchsetzt. In Köln oder Düsseldorf sind Bieterverfahren schon lange üblich. Alle Kaufinteressenten werden eingeladen, weil sie alle bereit sind, den vorgeschlagenen Kaufpreis zu zahlen. Dann bieten sie, wie bei einer Auktion. Die Kaufinteressenten haben ruhiges Blut zu bewahren, wie bei einer Auktion, um am Ende nicht zu viel zu bezahlen. Das ist aber nicht einfach, weil das Bieterverfahren eine unheimliche Dynamik hat. Den Kaufinteressierten sollte klar sein, dass trotzdem immer wieder Immobilien auf den Markt kommen. Käufer
sollten vorher festlegen, bis zu welchem Preis sie mitgehen und ab wann sie nicht mehr bieten sollten. Besser ist es dann, auf die nächste Gelegenheit zu warten. Denn eines bleibt auch wahr: Gerade auf einem so umkämpften Markt neigen manche wegen der niedrigen Zinsen dazu, sich zu hoch zu verschulden.
Davon raten wir als Sparkasse in jedem Fall ab und passen auf, dass es gar nicht erst soweit kommt.
Dabei dürften bestimmte Gelegenheiten seltener werden, zum Beispiel ein Grundstück für ein Einfamilienhaus in einem reinen Neubaugebiet erwerben zu können. In Köln oder Düsseldorf gibt es praktisch keine reinen Neubaugebiete mehr, dafür aber Industriebrachen, die in Neubaugebiete umgewandelt werden.
ZIBELL Diese Konversionsgelände sind ein großes Potential für die Stadtentwicklung. Ein Beispiel ist das einstige Horten-Gelände an der Homberger Straße. Dort entstehen bis Ende 2021 fast 140 Wohnungen, Ein anderen Beispiel ist der einstige GSV-Sportplatz. Und ein drittes Beispiel ist das Union-Getränke-Gelände an der Rheinberger Straße. Dort laufen gerade die Planungen für die Umwandlung in ein Wohngebiet. Ich halte den Moerser Immobilienmarkt für sehr stabil. Daran hat die Coronazeit nichts geändert. Langfristig lohnt es sich, in Immobilien zu investieren, besonders wenn man selbst darin wohnen will. Ich denke, der Traum vom eigenen Haus bleibt in den nächsten Jahren ungebrochen. Und viele wollen und werden sich diesen Traum erfüllen.