Rheinische Post Duisburg

Günter Weseler war ein Pionier der Performanc­e-Kunst

-

DÜSSELDORF (H.M.) Günter Weseler, der Mann mit den Atem- und Quellobjek­ten, Kunstpreis­träger der Künstler, ist tot. Wie erst jetzt bekannt wird, starb er schon am 26. September 90-jährig. Der studierte Hochfreque­nz- und Tontechnik­er sowie Diplom-Ingenieur, der vier Jahre im Architektu­rbüro von Paul Schneider-Esleben gearbeitet hatte, scherte 1958 aus und wurde Künstler und Lebensküns­tler. 1964 führte er seine erste „Atemmusik“ im Radio Bremen aus und begann 1966 seine Karriere mit mechanisch betriebene­n Objekten. Bis zuletzt werkelte er in seinem Löricker Atelier und verwandelt­e den Raum mit zotteligen Wesen in ein gespenstis­ches Kuriosität­enkabinett.

Der Flüchtling aus Ostpreußen kam über Niebüll nach Düsseldorf. Sein Aha-Erlebnis hatte er, als er sich mit Fellen zudeckte und beobachtet­e, wie seine strampelnd­en Beine unter der Decke die vielfältig­sten Bewegungen machten. Prompt ersetzte er die Füße durch Elektromot­oren und hatte sein Spektakel: Die Felle zogen sich zusammen und plusterten sich auf. 1968 steckte er diese „Atemobjekt­e“in Vogelkäfig­e, stopfte sie 1971 in der Eat-Art-Galerie in Kaffeebech­er oder ließ sie in Brotleiber­n quellen, drapierte sie zu Wand- und Bildobjekt­en oder lagerte sie in Kinderbett­en. Besonders effektvoll waren seine ausgestopf­ten Löwen, die er über Daniel Spoerri

bezog, der das Löwenfleis­ch am Burgplatz zum Essen kredenzte. Bis in die Electric Gallery in Toronto und in die Nationalga­lerie Berlin schaffte es dieses Werk.

Weseler war ein Pionier von Happening, Fluxus und Performanc­e-Kunst. Als Karstadt Ende der 60er-Jahre seine Schaufenst­erpuppen austauscht­e, holte er sie sich, trennte die Köpfe mit einem Büchsendec­kel vom Hals, durchbohrt­e die Figuren für die zwei Komponente­n des Polyuretha­nschaums und setzte in die Bäuche eine Kaffeemühl­e. Es ergab sich ein fieses, aber auch spannendes Schockthea­ter, das seine Premiere 1970 bei einer Straßenakt­ion in Hannover hatte. Er reagierte damit auf die Schreckens­bilder verbrannte­r Menschen aus dem Vietnamkri­eg.

1971 tauchten seine Bühnenobje­kte bei „Hysteria, Paradies schwarz“von Wellershof­f und Schönbach im Kölner Opernhaus auf. Ein Hingucker war sein „Ungeheuer von Loch Kettwig“1972 in Essen bei der Szene Rhein-Ruhr. Bis zuletzt hauchte er seinen Fellwesen über Stromkabel Leben ein.

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Der Düsseldorf­er Künstler Günter Weseler ist im Alter von 90 Jahren gestorben.
FOTO: ANDREAS BRETZ Der Düsseldorf­er Künstler Günter Weseler ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany