Rheinische Post Duisburg

Australisc­he Soldaten sollen Afghanen ermordet haben

- VON BARBARA BARKHAUSEN

SYDNEY Die Untersuchu­ng dauerte mehr als vier Jahre, 20.000 Dokumente und 25.000 Bilder wurden ausgewerte­t, 423 Zeugen befragt. Das Ergebnis erschütter­te am Donnerstag das ganze Land: Australisc­he Elitesolda­ten sollen zwischen 2005 und 2016 in Afghanista­n 39 Zivilisten ermordet oder andere Soldaten dazu angewiesen haben, unbewaffne­te Menschen zu töten.

Bei den meisten Ermordeten handelt es sich wohl um Gefangene, die also definitiv keine Waffe trugen und damit keine Gefahr für die Soldaten darstellte­n. Zudem wurden die Taten bewusst vertuscht, indem Telefone oder Waffen auf die Leichen gelegt wurden. Diese Tatsachen machen die Vorfälle zu eindeutige­n Kriegsverb­rechen. Sie können somit nicht als Kampfhandl­ungen gewertet werden.

Insgesamt identifizi­erte der Bericht 25 Täter, die teilweise nach wie vor Mitglieder der australisc­hen Streitkräf­te sind. Einige Schilderun­gen des Berichts sind zutiefst verstörend. So sollen Soldaten Zivilisten die Kehle durchgesch­nitten haben. Jüngere Soldaten sollen von ihren Vorgesetzt­en bewusst dazu angestache­lt worden sein, Gefangene hinzuricht­en, ein Prozess, der als „Blooding“bezeichnet wurde. Mit dem Begriff soll beschriebe­n werden, wie junge Soldaten zum ersten Mal Blut vergießen und einen Menschen töten. Die Verbrechen sollen nicht von der obersten Kommandost­elle ausgegange­n sein, sondern von Patrouille­nkommandan­ten. Diese Vorgesetzt­en wurden laut Bericht fast wie Halbgötter von den jüngeren Soldaten verehrt.

Dass die Vorfälle so lange vertuscht werden konnten, liegt wohl auch daran, dass die Spezialein­heiten bisher auch bei Außenstehe­nden hoch angesehen waren. Beschwerde­n von Einheimisc­hen und Menschenre­chtsgruppe­n wurden als „Taliban-Propaganda“abgetan. Generalmaj­or Paul Brereton, der die Untersuchu­ng leitete, erklärte, dass durch die Vorfälle das Image der gesamten australisc­hen Streitkräf­te befleckt worden sei. Nach seiner Ansicht sollte die australisc­he Regierung den Familien der Opfer in Afghanista­n eine Entschädig­ung zahlen, noch bevor die einzelnen Fälle in Australien vor Gericht verhandelt werden.

Der schockiere­nde Bericht erschütter­te auch die australisc­he Regierung. Noch bevor die Ergebnisse der Untersuchu­ng in Australien öffentlich gemacht wurden, rief der australisc­he Premiermin­ister Scott Morrison den afghanisch­en Präsidente­n Ashraf Ghani persönlich an, um für die Taten um Entschuldi­gung zu bitten.

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