Rheinische Post Duisburg

Widerstand gegen die Deponie

- VON JULIA MÜLLER

Die geplante Deponie Lohmannshe­ide ist vielen ein Dorn im Auge. Nun sind die Pläne zur Genehmigun­g bei der Bezirksreg­ierung eingegange­n.

BAERL Gregor Weinand geht voran. Mit flottem Schritt lotst uns der Vorsitzend­e des CDU-Ortsverban­ds Baerl über einen matschigen Pfad hinauf auf die Halde Lohmannshe­ide. Obwohl wir schon nach kurzer Zeit ganz oben auf dem knapp 40 Meter hohen Plateau angekommen sind, haben Weinand und seine Mitstreite­r den eigentlich­en Kraftakt noch vor sich. Es geht darum, sich den Plänen der RAG-Tochterfir­ma DAH1 entgegenzu­stemmen, auf der Bergehalde an der Stadtgrenz­e zu Moers eine Deponie zu errichten.

Das Thema ist kein Neues, aber wieder brandaktue­ll, da die 2016 gegründete Firma „Deponien auf Halden“(DAH1) die seit Jahren schwelende­n Ideen der RAG nun sehr konkret umsetzen möchte. Die Pläne zur Genehmigun­g einer Deponie der Klasse I sind bei der Bezirksreg­ierung eingegange­n und liegen aktuell im Duisburger und Moerser Rathaus und im Bezirksrat­haus Homberg aus.

Das „abfallrech­tliche Planfestst­ellungsver­fahren“hat begonnen. Noch bis zum 25. November können sich betroffene Bürger die Unterlagen vor Ort und im Internet anschauen. Einwendung­en gegen das Vorhaben sind bis zum 28. Dezember möglich.

Worum geht es hier? Gregor Weinand klopft mit der Spitze seines Regenschir­ms auf den Boden, der mit hübschen gelben Blüten übersät ist. Wir haben das Problem direkt unter unseren Füßen. „Es gibt sehr viele Hinweise, dass hier unten jede Menge gefährlich­e Stoffe lagern.“Die einstige Kiesgrube ist offiziell seit 1953 unter anderem mit Hochofensc­hlacke, Bauschutt, Schienensc­hotter, unschädlic­hen Abfällen der Eisen- und Stahlindus­trie verfüllt worden und später dann mit dem Bergemater­ial der Schachtanl­age Rheinpreuß­en aufgeschüt­tet worden. Für Gregor Weinand genügt ein Blick auf die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, um die Vermutung zu untermauer­n, dass noch ganz andere gesundheit­sschädlich­e Substanzen hier entsorgt wurden.

Die Regenschir­mspitze zeigt nun durch die Äste der herbstlich kahlen Bäume in Richtung des Chemiewerk­s „Ineos Solvents“, das am Fuße der Halde auf Moerser Gebiet liegt. Genau hier, so Weinand, wurde im Stadtteil Meerbeck kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die kriegswich­tige „Fischer-Tropsch-Anlage“errichtet, die Kohle zu Kraftstoff für die Panzer

verflüssig­te. Ein begehrtes Ziel für die Gegner. 1944 und 1945 wurde die Anlage komplett zerbombt. „Was glauben Sie denn, was mit dem Abbruchmat­erial passiert ist?“, fragt der CDU-Politiker. „Das wird man doch auf der anderen Straßensei­te entsorgt haben. Kein Mensch transporti­ert solche riesigen Mengen weg, wenn man es viel einfacher haben kann.“

Allein die legal gelagerte Hochofensc­hlacke enthalte krebserreg­ende Stoffe wie Benzopyren. Außerdem gebe es Zeitzeugen, die bestätigen könnten, dass an der Halde nicht nur das Abbruchmat­erial der Kraftstoff­gewinnungs­anlage, sondern auch illegaler Gewerbemül­l im großen Stil verklappt wurde. Ein weiteres Problem: „Hier liegen noch jede Menge Bomben.“Weinand spricht von Hinweisen des Kampfmitte­lräumdiens­tes, dass aufgrund der Fülle an Blindgänge­rn schon die jetzige Halde nicht hätte genehmigt werden dürfen.

Und: Längst gebe es Probleme mit dem Grundwasse­r. Bereits 2012 hatte der damalige Umweltmini­ster Johannes Remmel auf eine Anfrage der CDU-Abgeordnet­en im Landtag bestätigt: „Aus laufenden Grundwasse­runtersuch­ungen liegen Hinweise auf erhöhte PAK-Gehalte im Grundwasse­r unter den Ablagerung­en vor.“Es geht um „Polyzyklis­che aromatisch­e Kohlenwass­erstoffe (PAK)“, die als krebserreg­end eingestuft werden. An dieser Stelle kommt wieder der Regenschir­m von Gregor Weinand zum Einsatz, den er mit Druck in den Boden stemmt, nachdem er die Umrisse eines Quadratmet­ers nachgezeic­hnet hat. „Jetzt stellen Sie sich mal 125 Tonnen Gewicht vor, die hier auf dieser kleinen Fläche einwirken.“

Weinand ist pensionier­ter Bergbauing­enieur. Wenn es um Zahlen wie diese geht, dann weiß er, wovon er spricht. Die Pläne von DAH1 sehen vor, dass die Halde ungefähr auf die doppelte Höhe anwächst. 3,5 Millionen Kubikmeter Schutt sollen in einem Zeitraum von 15 Jahren noch obendrauf gekippt werden. Dieser enorme Druck von oben, das befürchten die Politiker, könnte mögliche Giftstoffe ins Grundwasse­r pressen. Auf diesem Wege würden sie langfristi­g im Fluss landen und auch für andere Rheinanlie­ger zum Problem werden.

Gregor Weinand ist dabei, sich in alte Akten zu vertiefen, um zu überprüfen, ob nicht schon die Genehmigun­g der jetzigen Bergehalde unzulässig war, weil dem Untergrund (Giftstoffe und Blindgänge­r) zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Außerdem möchte er mit seinen Parteikoll­egen eine digitale Bürgerinit­iative auf den Weg bringen, um den Widerstand auch in Coronazeit­en bündeln zu können.

Auch die SPD im Bezirk Homberg beackert das Thema Halde mit dem grünen Koalitions­partner. „Wir haben schon 2018 einen Antrag gegen die Deponie eingereich­t und tun das jetzt wieder“, sagt der Fraktionsv­orsitzende Hans Gerd Bosch. Das Papier

steht kurz vor der Abstimmung mit dem Umweltauss­chuss und der Stadt Moers. „Die Pläne liegen jetzt aus, dagegen müssen wir uns alle gemeinsam wehren.“Die SPD will nicht wie die CDU auf Fehlersuch­e in alten Unterlagen und den Gutachten des Antragstel­lers gehen. „Das sind Profis.“Sie konzentrie­rt sich lieber auf die Standortfr­age. Ansatzpunk­t ist, dass eine Halde, die so nah an einem Wohngebiet liegt und deren Vergangenh­eit so ungewiss ist, völlig ungeeignet sei.

„Müssen wir das Risiko eingehen, eine Deponie an einer Stelle zu planen, die solche Altlasten hat und wo das Grundwasse­r schon jetzt belastet ist?“, fragt Bosch und verweist auf die vielen Lkw, die über die bereits überlastet­en Rheinbrück­en zur Deponie rollen. Es sei wichtig, „dass die Bürger ihre Rechte wahrnehmen“, sagt Bosch. „Sie sollen sich die Pläne anschauen und ihre Einwendung­en machen. Je mehr das tun, umso besser. Wir können nur gemeinsam etwas erreichen.“

Die Naturschüt­zer vom BUND sorgen sich nicht nur um die Gesundheit der Bürger. Sie haben auf der seit 1990 ruhenden Halde, die mit Gräsern, Stauden, Sanddorn und Birken überzogen ist, zwei seltene Insekten entdeckt: Die blauflügel­ige Sandschrec­ke und die Ödlandschr­ecke haben sich angesiedel­t und müssen geschützt werden.

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FOTOS: RVR/PICKARTZ Nur aus der Luft ist das Ausmaß der Halde Lohmannshe­ide gut zu erkennen.
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hat seine Unterlagen mit auf
die Halde Lohmannshe­ide genommen.
Gregor Weinand hat seine Unterlagen mit auf die Halde Lohmannshe­ide genommen.

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