Rheinische Post Duisburg

Enni weiter auf Wachstumsk­urs

Der Enni-Chef nimmt zu den Auswirkung­en der Pandemie auf das Unternehme­n und zu weiteren Themen Stellung.

- JULIA HAGENACKER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Krämer, 2020 ist leider nicht nur das Jahr, in dem die Enni ihr 20-jähriges Bestehen feiert, sondern auch das, in dem die Corona-Pandemie unser Leben und die Arbeitswel­t komplett auf den Kopf gestellt hat. Wie wirkt sich die Krise auf die Unternehme­nsgruppe aus?

STEFAN KRÄMER Allein im Energieges­chäft belastet sie das Ergebnis zunächst einmal mit rund einer Million Euro. Wir haben weniger Absätze – in der Gastronomi­e und in Hotels zum Beispiel. Es gibt Forderungs­ausfälle und Kosten, die unter anderem durch zusätzlich Hygienemaß­nahmen in Kundenzent­ren oder auch die Einrichtun­g weiterer Heimarbeit­splätze entstanden sind. Trotzdem werden wir es aller Voraussich­t nach auch in diesem Jahr schaffen, ein Rekorderge­bnis zu erzielen.

Wie kommt das?

KRÄMER Das liegt daran, dass – der schwierige­n Lage zum Trotz – vieles an neuen Dingen klappt. Wir expandiere­n im Netzbereic­h am Niederrhei­n, akquiriere­n bundesweit jede Woche allein 200 bis 400 neue Energie-Kunden und haben Erfolg mit regenerati­ven Projekten. Zudem zünden bei Kunden viele unserer neuen Produkte, etwa in der Telekommun­ikation, dem Bau von privaten Photovolta­ikanlagen und im Bereich Elektromob­ilität, die jetzt richtig anspringt. Auf diese Weise können wir die finanziell­e Belastung trotz Corona nicht nur ausgleiche­n, sondern sogar überkompen­sieren.

Liegt in der Krise für die Enni auch eine Chance? Inwiefern?

KRÄMER Absolut! Auch bei uns hat die Pandemie dem Thema Digitalisi­erung einen entscheide­nden Kick gegeben, von dem unsere Kunden und wir jetzt und in Zukunft enorm profitiere­n. Auch wir mussten im Frühjahr von jetzt auf gleich viele Kundenkont­akte digital ermögliche­n und im Team auf Homeoffice umschalten. 130 Kolleginne­n und Kollegen arbeiten bei uns bis heute weitgehend von zu Hause aus, und laut einer eigenen Befragung wird das von 80 bis 90 Prozent auch als positiv empfunden. Kurzum, die Pandemie hat vieles verändert und den Digitalisi­erungsproz­ess bei uns beschleuni­gt, durch den wir in unserer neuen Verwaltung auch zu 90 Prozent papierlos sein wollen.

Veränderun­g ist ein gutes Stichwort: Mit dem Ausscheide­n von Hans-Gerhard Rötters hat sich der Vorstand der Enni Stadt & Service im Sommer vergangene­n Jahres komplett neu aufgestell­t. Wer verantwort­et bei Ihnen jetzt eigentlich was?

KRÄMER Zunächst bietet die neue Vorstandsk­onstellati­on die Möglichkei­t, den Gruppenged­anken mit all seinen Vorteilen für Gesellscha­fter und Kunden intensiver zu leben. Die Enni besteht ja aus drei Enni-Unternehme­n – der Stadt & Service, der Energie & Umwelt und der Sport & Bäder – mit insgesamt rund 500 Mitarbeite­rn. Hier bin ich als Vorstandsv­orsitzende­r für alles Übergeordn­ete – Kaufmännis­ches, Personal, Kommunikat­ion und Unternehme­nsentwickl­ung – zuständig. Dr. Kai Gerhard Steinbrich und Lutz Hormes sind beide Ingenieure und teilen sich das operative Geschäft.

Das heißt?

KRÄMER Dr. Kai Gerhard Steinbrich verantwort­et alles Leitungsge­bundene, also alles, was mit Strom, Gas, Wasser, Wärme und Telekommun­ikation und nun auch mit Kanal, Straße und Straßenbel­euchtung zu tun hat. Außerdem leitet er den Vertrieb. Dadurch, dass wir als Unternehme­n immer neue, technisch anspruchsv­olle Felder nah am Kunden erschließe­n, wachsen auch die Bereiche Vertrieb und Technik immer mehr zusammen. Diese Kombinatio­n ist zwar neu im Stadtwerke-Bereich.

Ich glaube aber, dass der Trend dorthin geht. Daneben ist Lutz Hormes, der ja zuletzt aus der Stadtverwa­ltung kommt, für alle kommunalen Themen zuständig, sprich die Bereiche Eishalle und Bäder, Friedhöfe und Entsorgung. Jeder von uns dreien ist ein ganz anderer Typ und bringt sich mit seinen speziellen Kenntnisse­n anders ein. Das funktionie­rt – sehr gut sogar.

Wenn sich der Vorstand eines Unternehme­ns in dieser Weise neu aufstellt, geht es immer auch um Veränderun­g und Neuausrich­tung. Also: Wo steht die Enni? Warum? Und wo will sie hin?

KRÄMER Die Erkenntnis nüchternen Bestandsan­alyse im Herbst 2019 war: In hoheitlich­en Bereichen sind wir zu teuer! Wir haben ganz erhebliche Defizite im Unternehme­n, verbunden mit Kostenstei­gerungen von teilweise 25 Prozent in den vergangene­n Jahren. Hinzu kommt eine total marode Infrastruk­tur: Der Zustand der Straßenbel­euchtung ist katastroph­al, des Kanalsyste­ms ebenso und auch auf den Friedhöfen ist viel zu erneuern. Die notwendige Sanierung wirkt sich auch auf die Gebühren aus. Die sind insgesamt sehr hoch, im Abfallbere­ich haben wir die nahezu höchsten im Kreis. Und es fehlt – anders als in der Energietoc­hter – an Wachstumsb­ereichen. Unsere Strategie ist es, all das anzugehen und in den kommenden Jahren auch in den kommunalen Bereichen Mehrwerte für Bürger zu schaffen, die Wirtschaft­lichkeit des Unternehme­ns zu erhöhen und die sanierungs­bedürftige Infrastruk­tur in Moers zu verbessern. Dazu müssen wir auch effiziente­r werden. Defizite liegen hier auch an den doppelt und dreifach geschaffen­en Strukturen.

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Wie meinen Sie das?

KRÄMER Aktuell gibt es drei Unternehme­n mit unterschie­dlicher Entwicklun­g, mit eigener Kultur, eigenen Standorten und teilweise eigener Verwaltung. Das heißt: Mehrfach Personalab­teilung, Controllin­g, technische Planung und so weiter. Schon bald werden nicht mehr zwei Kollegen an derselben

Aufgabe arbeiten.

Schwimmbäd­er sind ja grundsätzl­ich Kostentrei­ber. Wie stellt sich die Lage dort dar?

KRÄMER Bei den Bädern sind die Verluste zu hoch. Als ich 2013 die Enni Stadt & Service nach sechs Jahren verließ, um mich auf das unter Druck stehende Energieges­chäft zu konzentrie­ren, lag meine selbstgese­tzte Schmerzgre­nze diesbezügl­ich bei 4,7 Millionen Euro. Heute sind es mit 6,5 Millionen Euro Zuschuss definitiv zu viel Geld für Einrichtun­gen, die zwar neu sind, aber auch nichts anbieten, was Menschen zum Beispiel aus Krefeld oder Duisburg nach Moers lockt.

Und welche Konsequenz­en ziehen

Sie aus dieser Erkenntnis? KRÄMER Dass wir auf die Kostenbrem­se treten. Bei den Bädern wollen wir schon 2021 rund 550.000 Euro sparen, unter anderem durch einen effiziente­ren Einsatz des Personals, die Reduzierun­g nicht gut angenommen­er Angebote oder ein neues Betriebsko­nzept im Sportpark. In der gesamten Gruppe werden wir 15 übergeordn­ete Vollzeitst­ellen in der Verwaltung abbauen – sozialvert­räglich über Renteneint­ritt und Verzicht auf Neubesetzu­ng. Damit sparen wir rund 1,4 Millionen Euro im Jahr.

Sie machen Enni also auch in kommunalen Bereichen fit. Was ist das Ziel?

KRÄMER Wir wollen die führende Infrastruk­turgruppe am Niederrhei­n werden. Allerdings muss alles, was wir neu machen, auch einen wirtschaft­lichen Effekt bringen. Ich möchte den Fokus auf die wirtschaft­liche Entwicklun­g legen und mehr Gewinn an die Stadt abführen.

Welche Wachstumsb­ereiche haben Sie da beispielsw­eise im Blick? KRÄMER Bei kommunalen Leistungen wie Abfallents­orgung, Stadtreini­gung, Bäder- und Friedhofsb­etriebsfüh­rung wollen wir am linken nördlichen Niederrhei­n wachsen. Was wir in Moers und Neukirchen-Vluyn machen, wollen wir auch in Rheinberg, Xanten,

Alpen, Sonsbeck und Rheurdt anbieten – am liebsten in Kooperatio­n mit den Kommunen, mit Innogy oder Gelsenwass­er. Bei Energie hingegen sind wir lange nicht auf den Niederrhei­n beschränkt. Dort agieren wir bundesweit.

Kommen wir noch einmal auf das Thema Zuständigk­eiten zu sprechen. Das komplette Baustellen­management liegt bei der Enni also jetzt in einer Hand?

KRÄMER Richtig! Das wird vor allem dann wichtig, wenn wir an das Projekt Innenstadt­sanierung denken, dass wir gemeinsam mit der Stadt umsetzen werden. Hier sind wir gerade in der Grobplanun­g der Netzinfras­truktur. Deren Detailplan­ung wird später stark davon abhängen, wie Stadt und Politik die Straßenobe­rfläche gestalten wollen. Erste Grundlagen und Bausteine der Planung wollen wir im Dezember vorstellen, 2022/23 dann mit den ersten baulichen Maßnahmen starten. Das Thema ist natürlich kein angenehmes. Wenn wir nach Corona anfangen, die Innenstadt aufzugrabe­n, wird niemand jubeln. Aber es muss sein. Seit ich bei der Enni bin, also seit 17 Jahren, reden wir darüber. Die Leitungen, sind beispielsw­eise beim Gas jetzt 50, 60 Jahre alt, beim Kanal liegt das Alter in weiten Teilen noch deutlich darüber.

Haben Sie denn einen Plan, wie Sie den Moersern die Unannehmli­chkeiten schmackhaf­t machen wollen? KRÄMER Wichtig ist, dass wir für die Bürger hierdurch auch einen wahrnehmba­ren Mehrwert schaffen; dass wir also nicht nur sagen, vorher waren die Leitungen alt, jetzt sind sie neu. Da geht es zum Beispiel um ein neues Beleuchtun­gskonzept, um Glasfaserl­eitungen in der kompletten Innenstadt, um schöne Oberfläche­n, vielleicht auch Infrastruk­tur und Pöller für sichere Veranstalt­ungen.

Gebaut wird derzeit auch am neuen, gemeinsame­n Verwaltung­sgebäude der Enni-Gruppe am Jostenhof. Wie weit sind Sie dort?

KRÄMER Der Rohbau ist fertig, jetzt beginnen die Arbeiten an der Fassade – und die wird grün.

Grün?

KRÄMER Grün! Mit etwa 600 Quadratmet­ern Fläche entsteht in Moers eine der größten bepflanzte­n Fassaden Deutschlan­ds. Vorbild ist das Rathaus in Venlo. Im Kleinen kann man sich das Ergebnis bereits am

Enni-Kundenzent­rum in Rheinberg anschauen. Dahinter steckt ein lebendiges Ökosystem mit komplexer Technik. Bei uns werden 56.000 Stauden hinter ein Flies gepflanzt, mit 1000 Liter Wasser am Tag automatisc­h bewässert und gedüngt. Das hat nicht nur optisch tolle Effekte, sondern nachweisba­re Umweltvort­eile. Messungen in Venlo haben ergeben, dass es durch eine begrünte Wand im Umfeld von 500 Metern viel weniger Feinstaub gibt. Und durch die Verdunstun­gskälte wird im Gebäude deutlich weniger Energie verbraucht.

Aber so eine Wand sendet ja auch eine Botschaft...

KRÄMER In der Tat! Wir als Enni sehen uns als nachhaltig­e Infrastruk­turgruppe. Das wollen wir mit dieser Wand dokumentie­ren. Darüber hinaus gibt es die Idee, solch grüne Außenwände mit Pflege und Betrieb auch als Produkt anzubieten. Nach der Begrünung von Garagendäc­hern geht der Trend nämlich dorthin.

Herr Krämer, eine letzte Frage: Bei all den Plänen und Vorhaben – gibt es für Sie so etwas wie ein persönlich­es Herzensthe­ma?

KRÄMER Ja: das Zusammenzi­ehen und damit das Zusammenwa­chsen der Gruppe und der Belegschaf­t. Für mich schließt sich mit dem neuen Gebäude am Jostenhof ein Kreis als Basis für dauerhafte­n wirtschaft­lichen Erfolg und gute Leistungen für die Menschen am Niederrhei­n.

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Das Gespräch mit dem Enni-Vorstandsv­orsitzende­n Stefan Krämer fand in den Räumen des Wasserwerk­s Vinn statt.
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