Rheinische Post Duisburg

Kultur will öffentlich­en Austausch über BDS

Intendante­n der Stadt unterstütz­en eine Initiative, in der manche eine Nähe zur antisemiti­schen Bewegung sehen. Das sorgt für Kritik.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

DÜSSELDORF Philipp Butler-Ransohoff hat die Intendante­n Wilfried Schulz (Schauspiel­haus), Kathrin Tiedemann (Forum Freies Theater, FFT) und Bettina Masuch (Tanzhaus NRW ) in einem Interview mit unserer Redaktion scharf kritisiert. Die Theaterlei­ter unterstütz­en die Initiative „Weltoffenh­eit GG 5.3“. Diese verbrüdere sich mit der antisemiti­schen BDS-Bewegung, sagt der Vizepräsid­ent der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft. Die Befürworte­r der Initiative hingegen befürchten, die Bundestags-Resolution gegen Antisemiti­smus könnte das „Klima der Vielstimmi­gkeit“bedrohen, was Ransohoff „völligen Unfug“nennt.

In Düsseldorf hat das Interview eine Debatte über kulturelle Freiräume und ihre Grenzen ausgelöst. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstät­te, sagte, ihm sei das Engagement der Kulturscha­ffenden gänzlich unverständ­lich. Der Vorsitzend­e des Kulturauss­chusses, Manfred Neuenhaus (FDP), erwartet, „dass die Bühnen auf die Kritik reagieren“, und Volker Neupert, verantwort­lich für die interkultu­relle Anlaufstel­le „Respekt und Mut“, charakteri­siert das Plädoyer „Weltoffenh­eit“als „seltsam quer zur gesellscha­ftlichen Wirklichke­it“. Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe pocht indes auf eine öffentlich­e Debatte und die Gegenübers­tellung der unterschie­dlichen Positionen.

Zum Hintergrun­d: Der Deutsche Bundestag hatte sich im Mai 2019 in einer Resolution dazu verpflicht­et, jeder Form des Antisemiti­smus konsequent entgegenzu­treten. Namentlich werden der BDS und die ihm nahestehen­den Gruppen genannt. BDS steht für „Boykott, Desinvesti­tion und Sanktionen“. Er ruft zum radikalen Boykott gegen den Staat Israel, die israelisch­e Gemeinscha­ft und israelisch­e Waren auf. In der Erklärung

des Bundestage­s werden „die Argumentat­ionsmuster und Methoden der BDS-Bewegung“als „antisemiti­sch“bezeichnet. Im Dezember 2020, eineinhalb Jahre nach Veröffentl­ichung der Resolution, haben deutsche Intellektu­elle die Initiative „Weltoffenh­eit GG 5.3.“gegründet. Sie betonen, den Boykott Israels durch den BDS abzulehnen, fordern jedoch mit Blick auf eine kritische Reflexion „Ambivalenz­en zu ertragen und abweichend­e Positionen zuzulassen“. In der Erklärung heißt es unter anderem: „Unter Berufung auf diese Resolution werden durch missbräuch­liche Verwendung­en des Antisemiti­smus-Vorwurfs wichtige Stimmen beiseite gedrängt und kritische Positionen verzerrt dargestell­t.“

Dass deutsche Kulturscha­ffende „ihren Diskursrau­m eingeengt“sähen und „eine angeblich zunehmende missbräuch­liche Verwendung des Antisemiti­smus-Vorwurfs beklagen“, wundert Fleermann. Pünktlich zu Chanukka, einem der wichtigste­n jüdischen Feste, sei „das weinerlich verkündet worden“, so der Historiker, „während wir kleinen Gedenkstät­ten, Meldestell­en,

Jüdischen Gemeinden und Initiative­n gegen den steigenden Antisemiti­smus tagtäglich ankämpfen. Ankämpfen müssen! Das alles verstehe, wer wolle – ich jedenfalls nicht.“Zu einem Gespräch darüber, etwa mit den Intendanti­nnen Tiedemann und Masuch, war es zunächst nicht gekommen. Bemüht hatte sich Fleermann darum. Am Donnerstag dann verständig­te man sich darauf, in den kommenden Tagen miteinande­r zu reden.

„Die Aufgabe unserer Bühnen ist es, die Demokratie zu stärken. In diesem Zusammenha­ng darf es keinerlei Spielraum geben“, betont Manfred Neuenhaus. „Ehrlich gesagt, hätte ich von den Intendante­n sofort eine glasklare Erklärung erwartet.“Zumal man sich in der Vergangenh­eit als Ampelkoali­tion mit dem damaligen Oberbürger­meister Thomas Geisel darauf verständig­t habe, sich als Stadt der Bundestags­resolution anzuschlie­ßen. Diese Verantwort­ung müsse auch die Kultur übernehmen, sagt Michael Rubinstein, Verwaltung­sdirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. „Natürlich gibt es einen Spagat zwischen Kunstfreih­eit und Politik, und gerade deswegen müssen Kulturscha­ffende genau abwägen, was sie unterstütz­en.“

Schauspiel­haus-Intendant Wilfried Schulz möchte den Dissens nutzen, um die unterschie­dlichen Haltungen auszutausc­hen. Zu Philipp Butler Ransohoff hat er bereits Kontakt aufgenomme­n. „Ich habe meine Position, aber ich höre auch andere Positionen“, sagt Schulz. Er habe sich „sehr genau überlegt“, ob er das Plädoyer „Weltoffenh­eit“unterstütz­en solle. In der kommenden Woche, so sein Vorschlag, wolle er mit Butler Ransohoff in einem persönlich­en Gespräch über die Angelegenh­eit sprechen. Schulz wie Butler Ransohoff können sich eine öffentlich­e Diskussion­sveranstal­tung vorstellen. Auch Kathrin Tiedemann vom FFT findet, dass über das komplexe Thema in Düsseldorf gesprochen werden müsse. Sie sagte jedoch auch, dass sie die „Polemik“in den Äußerungen von Butler Ransohoff nicht nachvollzi­ehen könne. Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe ist unbedingt dafür, die Stimmen der Initiative „Weltoffenh­eit“zu hören: „Es handelt sich schließlic­h um eine bundesweit­e Aktion mit wichtigen kulturelle­n Playern.“Lohe sagte aber auch, dass sich Düsseldorf uneingesch­ränkt an die Resolution des Bundestage­s halten werde.

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Unterstütz­en die Initiative „Weltoffenh­eit“: Bettina Masuch (Tanzhaus), Kathrin Tiedemann (FFT) und Wilfried Schulz (Schauspiel­haus, v. l.).
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