Rheinische Post Duisburg

Warum die Zahlen steigen

- VON DOROTHEE KRINGS

Sieben Corona-Hotspots in NRW: Trotz aller Bemühungen und Lockdown-Einschänku­ngen infizieren sich immer mehr Menschen. Die Mutation aus Großbritan­nien könnte ein Grund sein, die Feiertage ein anderer.

Es wird einfach nicht besser! Beunruhige­nde Infektions­zahlen meldet das Robert-Koch-Institut auch am Wochenende für NRW: Sieben Regionen im Land haben inzwischen die Schwelle von 200 Corona-Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen überschrit­ten. Im Oberbergis­chen Kreis lag der Wert mit 292,2 am Sonntag sogar knapp unter 300. Dort gilt nun eine Ausgangssp­erre ab 22 Uhr, Präsenzgot­tesdienste dürfen nicht mehr stattfinde­n, private Kontakte sind strikt auf eine haushaltsf­remde Person beschränkt. Auch der Kreis Höxter hatte bereits strengere Regeln erlassen. Er liegt am Sonntag mit 258,1 ebenfalls deutlich über 200, genau wie die Stadt Gelsenkirc­hen mit 230,7 und der Kreis Recklingha­usen mit 229,3. Herne, Bielefeld und Gütersloh gelten mit Werten knapp über 200 ebenfalls als Corona-Hotspots. Und das, obwohl die Schulen auf Distanz unterricht­en, die meisten Geschäfte geschlosse­n sind und das öffentlich­e Leben sehr weit herunterge­fahren ist.

Natürlich wirft das Fragen auf. Etwa, ob die in Großbritan­nien aufgetauch­te Mutation des Covid-19-Erregers womöglich unerkannt auch die Infektions­zahlen hierzuland­e bereits in die Höhe treibt. Diese „britische“Variante gilt als 70 Prozent ansteckend­er als der erste Erreger. Das ist das Ergebnis von Datenanaly­sen zur Dynamik der Ausbreitun­g der Virusmutat­ion in England. Demnach müsste beim R-Faktor, also der Zahl, die angibt, wie viele Menschen ein mit Corona Infizierte­r im Durchschni­tt ansteckt, 0,4 bis 0,7 Punkte aufgeschla­gen werden. In Deutschlan­d liegt der r-Faktor im Moment bei knapp über eins. Eine infizierte Person steckt statistisc­h gesehen etwa eine weitere Person an. Wäre die „britische“Mutation hierzuland­e schon unterwegs, würde der r-Faktor also deutlich über eins liegen, das Land geriete schnell wieder in das so gefürchtet­e exponentie­lle Wachstum. Die Chance, mit den bisher geltenden Schutzrege­ln wieder auf Ansteckung­sraten wie im Sommer zu kommen, wäre gering.

Allerdings gibt es bisher für diese These keine empirische Grundlage. Die „britische“Mutation wurde zwar Ende Dezember erstmals in Deutschlan­d nachgewies­en, aber danach bisher nur in Einzelfäll­en. Allerdings wird bei Corona-Testverfah­ren in Deutschlan­d nicht standardmä­ßig erfasst, welche Erregertyp­en für die Infizierun­g gesorgt haben. Dafür sind Spezialver­fahren notwendig. Durch Sequenzier­ung derselben Probe, die für einen Standardte­st entnommen wurde, können Labore das Virusgenom entschlüss­eln und durch Abgleich feststelle­n, ob es sich beim Erreger um die Mutation aus Großbritan­nien handelt.

In einem weniger aufwendige­n Verfahren wird lediglich in bestimmten Abschnitte­n des Genoms untersucht, ob ein Erreger Abweichung­en aufweist, die für die Mutation typisch sind. Man identifizi­ert den Erreger also nicht komplett, bekommt aber Hinweise auf die Mutation. Aber auch diese Analyse, für die es bereits kommerziel­le Angebote gibt, wird bisher nicht routinemäß­ig vorgenomme­n, darum ist die Datenbasis für die Erregerfra­ge in Deutschlan­d dünn.

Kritisiert wird das schon länger, weil es Auswirkung­en etwa für die Strategie der Corona-Schutzvero­rdnungen hätte, wüsste man genau, ob eine hoch ansteckend­e Mutation nennenswer­t im Umlauf ist. Wobei bisher noch nicht abschließe­nd erforscht ist, wie die schnellere Ansteckung im Alltag konkret geschieht. Eine erste, kleinere Studie aus Großbritan­nien zeigt, dass die Viruslast bei den Infizierte­n mit der Mutation höher ist. Allerdings könnte das auch darauf zurückzufü­hren sein, dass die an der Mutation Erkrankten in England früher getestet wurden, also zu einer Zeit, da

„Wie sich die Zahlen tatsächlic­h entwickeln, wird erst in dieser Woche sichtbar werden“

Jörg Timm

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