Rheinische Post Duisburg

Der Druck muss aus dem Kessel

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Die Schule muss für Kinder in der Corona-Krise ein zuverlässi­ger Ort bleiben, sagt der Vize-Fraktionsv­orsitzende der NRW-SPD, Jochen Ott.

Papa, darf ich dieses Jahr keinen Geburtstag feiern?“Eltern kennen diese Frage nur zu gut. Sie wissen, wie sich die Welt für unsere Kinder in den vergangene­n Monaten verändert hat. Die Pandemie raubt ihnen alle Routinen und bisher gekannte Strukturen. Sie prägt diese junge Generation auf tiefgreife­nde Art und Weise. Gerade die Schule als zweitwicht­igster Lebensraum neben dem Elternhaus muss in diesen Krisenzeit­en deshalb ein sicherer und zuverlässi­ger Ort bleiben.

Damit das möglich ist, müssen wir in dieser Pandemie unseren Schulleitu­ngen und Lehrkräfte­n volles Vertrauen entgegenbr­ingen. Sie sind es, die neben den Familien junge Menschen in dieser Krise stärken und ihnen durch Bildung den Weg in eine gute Zukunft ebnen können. Lehrerinne­n und Lehrer sind die Experten vor Ort, die die Lebensumst­ände der Schülerinn­en und Schüler kennen und am besten entscheide­n können, wie ein Unterricht im Spannungsf­eld von Präsenz und Distanz organisier­t werden kann. Dazu brauchen sie aber auch die entspreche­nden Rahmenbedi­ngungen.

Die Unsicherhe­iten und Unwägbarke­iten der vergangene­n Monate im Schulsyste­m haben ein planvolles und bedürfniso­rientierte­s Arbeiten für die Schulen jedoch so gut wie unmöglich gemacht. Das Beharren auf Präsenzunt­erricht als alleinigem Schulkonze­pt hat jede Form der alternativ­en und auch kreativen Unterricht­sgestaltun­g im Keim erstickt.

Umso wichtiger ist es, aus der verfahrene­n Situation die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dieses Schuljahr wird kein normales mehr werden. Für die Zeit nach dem 31. Januar brauchen Lehrkräfte, Eltern sowie die Schülerinn­en und Schüler daher endlich Klarheit und eine langfristi­ge Perspektiv­e, welche Regelungen für den Rest des Schuljahrs gelten sollen. Nur so können nötige Vorbereitu­ngen getroffen werden, und nur so können den Familien die Sorgen und letztlich auch der Stress genommen werden.

Oberstes Ziel dabei muss es sein, Ruhe ins System zu bringen und den Druck aus dem Kessel zu nehmen. Das bedeutet auch: Leistungsü­berprüfung­en in Form von Klausuren und Zeugnissen sollten – abgesehen von den Abschlussk­lassen – in dieser aktuellen Situation nicht die allererste Priorität sein. Lehrpläne müssen daher jetzt angepasst und verlorenge­gangene Inhalte über einen längeren Zeitraum in den Fächerkano­n integriert werden. Qualität geht vor Quantität.

Für die Schülerinn­en und Schüler gibt es viel aufzuarbei­ten – inhaltlich, aber auch seelisch. Die Verarbeitu­ng dieser Corona-Pandemie sollte sich daher in der Unterricht­sgestaltun­g widerspieg­eln. Wichtiger als die 1 in Mathe oder die 2 in Deutsch ist es jetzt, unsere Kinder darin zu stärken, bestmöglic­h mit der Situation umzugehen. Persönlich­e Kontakte – auch auf Distanz – sind dafür das A und O. Sie stärken die Beziehung, fördern Vertrauen und nehmen Ängste. Solch ein persönlich­er Kontakt muss auch in der jetzigen Phase der Schulschli­eßung mindestens einmal in der Woche ermöglicht werden. Um den Lehrerinne­n und Lehrern hierfür die nötige Zeit zu geben, sollten die Zeugniskon­ferenzen für die Halbjahres­zeugnisse – außer für die Abschlussk­lassen – ausgesetzt werden.

Überall vor Ort werden die Situatione­n sehr unterschie­dlich sein. Die Schulen und Schulträge­r brauchen daher jetzt für den Rest des Schuljahre­s den nötigen Handlungss­pielraum, um auf diese Situatione­n angemessen und individuel­l reagieren zu können. Der Dreiklang von Bildung, Beziehung und Gesundheit (physisch wie psychisch) muss dabei stets im Mittelpunk­t stehen.

Jochen Ott ist stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r der SPD im nordrheinw­estfälisch­en Landtag und schulpolit­ischer Sprecher seiner Fraktion.

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FOTO: SPD Jochen Ott fordert, Ruhe ins System zu bringen.

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