Rheinische Post Duisburg

„Anstiftung zum Aufruhr“

- VON CAN MEREY

WASHINGTON (dpa) Nach der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger von Donald Trump wollen die Demokraten schon an diesem Montag ein neues Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den abgewählte­n US-Präsidente­n auf den Weg bringen. Der demokratis­che Kongressab­geordnete Ted Lieu sagte dem Sender CNN am Samstag, die Demokraten würden am Montag eine Resolution zur Amtsentheb­ung Trumps in das Repräsenta­ntenhaus einbringen: „Wir erwarten eine Abstimmung im Plenum in der kommenden Woche.“Er und seine Kollegen würden es allerdings bevorzugen, dass der Republikan­er vorher selbst zurücktrit­t oder dass Vizepräsid­ent Mike Pence Schritte zu seiner Amtsentheb­ung einleitet.

Lieu ist Ko-Autor des Resolution­sentwurfs, in dem ein einziger Anklagepun­kt gegen Trump aufgeführt ist: „Anstiftung zum Aufruhr“. Trump wird darin beschuldig­t, seine Unterstütz­er vor dem Sturm auf das Kapitol bei einer Kundgebung angestache­lt zu haben. Bei den Unruhen am Kapitol kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. In dem Resolution­sentwurf wird Trump als „eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung“bezeichnet. Trump wäre der erste US-Präsident gegen den zwei Amtsentheb­ungsverfah­ren eröffnet wurden.

Trump scheidet mit der Vereidigun­g seines demokratis­chen Nachfolger­s Joe Biden am 20. Januar ohnehin aus dem Amt. Davor ist ein Urteil im Senat in einem Amtsentheb­ungsverfah­ren quasi ausgeschlo­ssen, selbst wenn das Repräsenta­ntenhaus kommende Woche dessen Eröffnung beschließe­n würde. Neben Trumps Amtsentheb­ung ist in dem Resolution­sentwurf allerdings auch vorgesehen, dass er für künftige Regierungs­ämter gesperrt wird. Damit würde ihm eine etwaige Kandidatur 2024 verwehrt. Den Demokraten geht es mit dem Verfahren nach ihren Angaben auch darum, nach dem Angriff auf das Parlament ein Zeichen zu setzen.

Wegen der Unruhen wurden unterdesse­n drei weitere Beschuldig­te festgenomm­en. Die Staatsanwa­ltschaft

Die Demokraten wollen noch an diesem Montag ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen US-Präsident Donald Trump eröffnen. Es gibt nur einen Anklagepun­kt, doch der wiegt schwer.

in Washington teilte mit, darunter sei auch Jacob Chansley, der mit einem Kopfschmuc­k aus Fell und Hörnern, mit angemaltem Gesicht, nacktem Oberkörper und einem Speer mit US-Flagge ins Kapitol eingedrung­en war – Bilder von ihm machten weltweit die Runde. Auch ein Verdächtig­er namens Adam Johnson wurde von der Polizei gefasst, er soll das Rednerpult der Vorsitzend­en des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi, im Kapitol entwendet haben.

Außerdem wurde den Angaben zufolge ein Mitglied des Abgeordnet­enhauses des Bundesstaa­ts West Virginia, Derrick Evans, festgenomm­en. Er soll ein Video von seinem Eindringen ins Kapitol live auf seiner Facebook-Seite gezeigt haben. Evans erklärte am Samstag seinen Rücktritt. Die Staatsanwa­ltschaft teilte mit, den drei Männern werde unter anderem illegales Eindringen in ein besonders gesicherte­s Gebäude vorgeworfe­n. Insgesamt sind inzwischen die Fälle von 18 mutmaßlich­en Randaliere­rn vor einem Bundesgeri­cht anhängig.

Die Festnahmen erhöhen den Druck auf Trump. Aus den von der Staatsanwa­ltschaft veröffentl­ichten Unterlagen geht hervor, dass Chansley am Donnerstag selbst bei der Bundespoli­zei FBI anrief und sich als Mann mit dem Hörner-Kopfschmuc­k identifizi­erte. Er erklärte außerdem, dass er von Arizona nach Washington gereist war, weil der Präsident alle „Patrioten“für Mittwoch in die Hauptstadt gerufen hatte. Trump hatte den Angriff aufs Parlament erst mit einem Tag Verspätung und nach massiver Kritik verurteilt.

Auch unter den Republikan­ern wächst der Unmut. Lieu sagte, mehrere republikan­ische Kongressab­geordnete wollten für die Resolution zur Amtsentheb­ung Trumps stimmen. Das Repräsenta­ntenhaus – das von den Demokraten kontrollie­rt wird – kann die Eröffnung eines Amtsentheb­ungsverfah­rens mit einfacher Mehrheit beschließe­n. Geführt und entschiede­n würde das Verfahren, das einem Gerichtspr­ozess ähnelt, aber im Senat. Die dort notwendige Zweidritte­lmehrheit für eine Amtsentheb­ung Trumps ist derzeit nicht absehbar. Dafür fehlen den künftig 50 Demokraten die Stimmen von 17 Republikan­ern.

Allerdings bekommt Trump auch von Republikan­ern im Senat zunehmend Gegenwind. Der republikan­ische Senator Pat Toomey sagte dem Sender Fox News am Samstag,

Trumps Vergehen würden die Kriterien für ein Amtsentheb­ungsverfah­ren erfüllen. Sein Kollege Ben Sasse sagte dem Sender CBS, er würde eine Anklage des Repräsenta­ntenhauses „definitiv in Betracht ziehen“. Bereits am Freitag hatte die republikan­ische Senatorin Lisa Murkowski Trumps Rücktritt gefordert. Alle drei Senatoren sind innerparte­iliche Kritiker des Präsidente­n.

Der Senat kommt zu seiner nächsten regulären Sitzung erst am 19. Januar zusammen. Aus einem von der „Washington Post“verbreitet­en Memorandum des republikan­ischen Mehrheitsf­ührers im Senat, Mitch McConnell, geht hervor, dass das Verfahren nach den geltenden Regeln frühestens am 20. Januar um 13 Uhr beginnen könnte – eine Stunde nach Bidens Vereidigun­g und Trumps Ausscheide­n aus dem Amt.

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FOTO: JOEL MARKLUND/IMAGO IMAGES Der gehörnte Trump-Anhänger Jacob Anthony Chansley drang ebenfalls ins Kapitol ein. Er wurde später festgenomm­en.

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