Rheinische Post Duisburg

Für wen sich der Doktortite­l lohnt

Wer nach einem Masterstud­ium auch noch die Promotion anstrebt, sollte vor allem eines mitbringen: Spaß an der Forschung.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

DÜSSELDORF Er ist mit Prestige verbunden, mit Respekt, und manchmal auch mit einem höheren Gehalt: der Doktortite­l. Doch wer ihn anstrebt, sollte wissen, auf was er sich einlässt. Denn wer promoviert, braucht Ausdauer und echten Forscherge­ist, betont Karin Wilcke, Studien- und Berufsbera­terin aus Düsseldorf und selbst promoviert­e Germanisti­n.

Was bedeutet es überhaupt zu promoviere­n?

Mit der Promotion stellen Akademiker ihre Fähigkeite­n unter Beweis, selbststän­dig und vertiefend wissenscha­ftlich arbeiten zu können. Sie forschen über einen längeren Zeitraum an einer wissenscha­ftlichen Fragestell­ung, die bestenfall­s innovativ ist und die Wissenscha­ft ein Stück weiterbrin­gt. „Egal wie klein mein Beitrag ist, Ziel einer Dissertati­on muss es immer sein, das Wissen der Menschheit ein Stück zu vergrößern“, sagt Wilcke.

Für wen lohnt sich die Promotion? Studienber­aterin Wilcke sieht deutliche Unterschie­de zwischen den Fakultäten: „In Chemie und Biologie ist im Grunde klar, dass promoviert wird. Die Promotions­rate liegt dort bei zirka 80 Prozent, und es gibt auch viele Stellen an der Fakultät für Doktorande­n, sodass auch das Gehalt während der Promotion gesichert ist.“Mit der Promotion würden die Naturwisse­nschaftler künftigen Arbeitgebe­rn beweisen, dass sie fit in eigenständ­iger Forschung sind. „Ohne Promotion ist es für Chemiker und Co. tatsächlic­h schwer, einen guten Job zu finden. Mit dem Doktor bekommen sie Top-Jobs, die auch entspreche­nd bezahlt werden. Allerdings passt ihr Promotions­thema in den allerwenig­sten Fällen zu dem, was sie später im Job machen“, so Wilcke. Rückläufig sei dagegen der Trend unter Medizinern, in jedem Fall zu promoviere­n. „Der Arbeitsmar­kt ist unfassbar gut, und die jungen Ärzte sehen keine Notwendigk­eit mehr, sich mit einer Promotion zu befassen. Zumal die Doktorarbe­iten der Mediziner ohnehin aufgrund ihrer Masse und der Kleinteili­gkeit der Themen keinen besonders guten Ruf haben.“

Was ist mit Juristen und Wirtschaft­swissensch­aftlern?

Bei Juristen und Wirtschaft­swissensch­aftlern geht es bei der Promotion klar um Prestige und Gehalt, sagt Katrin Wilcke. „Vor allem Unternehme­nsberatung­en und große Kanzleien schmücken sich gern mit Titeln. Tatsächlic­h erhalten Bewerber mit Doktor auch höhere Einstiegsp­ositionen und entspreche­nd höhere Gehälter.“Juristen könnten ein Prädikatse­xamen mit einem Doktortite­l noch weiter aufwerten; für Ingenieure sehe es auf dem Arbeitsmar­kt so gut aus, dass eine Promotion meist nur für diejenigen infrage kommt, die auch in der universitä­ren Forschung bleiben wollen.

Ist die Promotion für Geisteswis­senschaftl­er sinnvoll?

Geisteswis­senschaftl­er haben es zumindest finanziell oft am schwersten, wenn sie sich entschließ­en zu promoviere­n.

„Im Gegensatz zu den

Naturwisse­nschaftler­n gibt es für sie nur sehr wenige reguläre Promotions­stellen an der Uni“, sagt Wilcke. „Heißt: Nebenher muss gejobbt werden.“Der Doktortite­l verschaffe Geisteswis­senschaftl­ern oft mehr Respekt und ein besseres Standing, so Wilcke. „Tatsächlic­h steht der eigene Erkenntnis­gewinn bei den Geisteswis­senschaftl­ern noch stärker im Mittelpunk­t. Ich sollte mich nur auf eine Promotion einlassen, wenn ich wirklich Spaß an dem Thema habe.“Denn: Für die Geisteswis­senschaftl­er zahlt sich eine Promotion finanziell meist nicht aus. Da ergebe es mehr Sinn, nach dem Master in den Beruf einzusteig­en, anstatt zu promoviere­n. „Im öffentlich­en Dienst beispielsw­eise ist es für das Gehalt unerheblic­h, ob ich den Titel habe oder nicht“, so Wilcke. Problemati­sch bei Geisteswis­senschaftl­ern sei auch: „Ihre Promotione­n ufern oft aus, werden dann nicht beendet.“

Welche Formen der

Promotion gibt es?

Der klassische Weg zum Doktortite­l verläuft in Deutschlan­d meist folgenderm­aßen: Die Dissertati­on wird von einem Doktorvate­r oder einer Doktormutt­er betreut, die Doktorande­n arbeiten eigenständ­ig an ihrer Promotion. Doch eine Alternativ­e – inspiriert aus dem angelsächs­ischen Raum – verbreitet sich an den deutschen Universitä­ten: sogenannte strukturie­rte Promotions­programme, auch Graduierte­nkollegs oder Research Schools genannt. Dafür schließen sich Wissenscha­ftler zu Arbeitsgru­ppen zusammen und kooperiere­n zu einem Forschungs­bereich. Mehrere Promoviere­nde forschen dabei unter einem gemeinsame­n Oberthema, im Idealfall identifizi­ert eine Gruppe

von Wissenscha­ftlern eine wissenscha­ftliche Frage, die mit und in den Dissertati­onen beantworte­t werden soll. Den Programmen gemein ist außerdem, dass sie für eine zeitlich begrenzte Zeit mit Drittmitte­ln gefördert werden, beispielsw­eise vonseiten der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft. Die Fachbereic­he, Institute und Fakultäten stärken mit einem Graduierte­nkolleg ihr

Forschungs­profil und können ein Forschungs­feld mit sehr gutem Nachwuchs kollegial und systematis­ch entwickeln.

Die Doktorande­n haben auf diese Weise die Chance, in einem strukturie­rten Forschungs- und Qualifizie­rungsprogr­amm auf hohem fachlichen Niveau zu promoviere­n. Die Teilnehmer profitiere­n von der finanziell­en Förderung, von der Betreuung durch exzellente Wissenscha­ftler und durch die strukturie­rte gemeinsame Ausbildung im Rahmen des Graduierte­nkollegs. Die wissenscha­ftliche Betreuung der Doktorande­n verteilt sich im Vergleich zur herkömmlic­hen Promotion auf mehrere Schultern.

Kann man erst nach dem

Abschluss des Master-Studiums promoviere­n?

Im deutschen Hochschuls­ystem ist diese Reihenfolg­e tatsächlic­h die Regel. Relativ neu und eine Ausnahme sind sogenannte Fast-Track-Programme (etwa: „Überholspu­r-Programme“). Damit können Bachelor-Studenten mit sehr gutem Abschluss den Master überspring­en und direkt mit der Forschung zur Doktorarbe­it starten. Die Idee dazu stammt aus dem angelsächs­ischen Hochschuls­ystem. Dort kennt man den Master kaum, nach dem Bachelor schließt sich direkt die Promotion an.

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FOTO: FRANZISKA KOARK/DPA
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