Die Flut falscher Vergleiche
Markus Söder und Arnold Schwarzenegger machen vor, was gar nicht geht.
Die selbst ernannten „Querdenker“als „Corona-RAF“? Der Angriff eines Mobs auf das US-Parlament als amerikanische Variante der Pogromnacht 1938? Bislang fielen vor allem Verschwörungsmythiker und Gegner der Corona-Maßnahmen mit falschen historischen Vergleichen auf. Etwa als sie die Reform des Infektionsschutzgesetzes mit Hitlers Ermächtigungsgesetz gleichsetzten. Oder die Regelungen von Bund und Ländern als „Corona-Diktatur“zu verunglimpften versuchten.
Jetzt bewegte sich jedoch auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in Richtung dieses niedrigen Niveaus. Söder warnte vor einer Radikalisierung der „Querdenker“-Szene, indem er in einem Interview sagte: „Auch wenn die Umfragewerte der AfD sinken, besteht die Gefahr, dass sich aus ihrem Umfeld heraus in Deutschland ein Corona-Mob oder eine Art Corona-RAF bilden könnte, die zunehmend aggressiver und sogar gewalttätig werden könnte.“
Experten geben Söder zwar grundsätzlich recht. Tatsächlich wird nach Auffassung des Terrorismusforschers Peter Neumann vom Londoner King’s College in den USA die Gefahr gewaltsamer Angriffe durch teils schwer bewaffnete Anhänger der sogenannten „QAnon“-Bewegung wachsen. Und potentiell könnte Ähnliches auch in Deutschland passieren.
Mit der RAF als linksextremistische, mordende Terrorgruppe der 70er-Jahre haben sie aber nichts zu tun. Und auch der frühere Gouverneur Kaliforniens und Filmheld Arnold Schwarzenegger liegt falsch, als er in einer Video-Botschaft die Zerstörung aus der sogenannten Kristallnacht und den Auftakt zu einer verheerenden Judenverfolgung in einen Bezug zum gewaltsamen Eindringen in das US-Kapitol setzt. Dass dieser Angriff zu verurteilen ist, steht außer Frage. Von historischen Vergleichen dieser Art sollten Politiker unbedingt die Finger lassen.
Jan Drebes ist stellvertretender Leiter des Berliner Parlamentsbüros. Er wechselt sich mit Bürochefin Kerstin Münstermann und Journalist Christoph Schwennicke ab.