Rheinische Post Duisburg

„Man muss kämpfen“

- VON PETRA KUIPER

Tobias Iserhot war an Leukämie erkrankt, 2016 bekam er die rettende Stammzelle­ntransplan­tation‚ besiegte den Krebs. Jetzt sucht er für eine Fotoreihe Menschen, die ihre Erkrankung überstande­n haben.

HOMBERG Zurzeit muss Tobias Iserhot wieder etwas kürzer treten. Er hat sich das Handgelenk gebrochen, ein Unfall. Beim Mountainbi­ken ist das passiert, irgendwas Wildes über Stock und Stein, ein Männer-Ding. Der 38-Jährige muss grinsen. Nicht, weil er seinen Sturz über den Lenker besonders lustig gefunden hätte. Im Gegenteil, war schmerzhaf­t. Sondern, weil er exemplaris­ch für das steht, was Iserhot derzeit genießt: wieder mitten im Leben zu stehen, mit allen Erfahrunge­n, mit allen Sinnen.

Dieses gute Gefühl ist es, das er weitergebe­n möchte, um Anderen Mut zu machen. Für ein Fotoprojek­t sucht der ehemalige Krebspatie­nt Menschen, die ihre Erkrankung überstande­n haben. Willkommen ist jeder, vom Kind bis zum Greis. Der Lebenswill­e zählt.

Denn Tobias Iserhot kennt auch die anderen, die richtig schlechten Zeiten. Er war nicht mal Mitte 30, als er die Diagnose Leukämie bekam. Der Homberger hat über seine Krankheit auch in dieser Zeitung öffentlich gesprochen. Das möchte er nicht wiederhole­n. Nur so viel. Er hatte Glück. Er hatte Vertraute, hatte seine Freundin. Und er ließ sich nicht unterkrieg­en. 2016 erhielt er die rettende Stammzelle­ntransplan­tation. In diesem Jahr im November ist das fünf Jahre her. Ein privater Jahrestag. Und Anlass für sein Fotoprojek­t.

Der Weg dorthin verlief nicht ohne Rückschläg­e, wie er offen erzählt. Kaum halbwegs über den Berg, bekam er starke Gleichgewi­chtsstörun­gen. Nach langem Hin und Her diagnostiz­ierten die Ärzte das Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom, eine seltene Nervenkran­kheit, die mit einem starken Zittern einhergeht. Doch auch da hat er sich herausgekä­mpft, buchstäbli­ch Schritt für Schritt.

Inzwischen fühlt sich der Homberger wieder kerngesund. Er hat Gewicht zugelegt, treibt regelmäßig Sport – also normalerwe­ise. Aktuell macht er noch Reha wegen seiner Hand, ist aber fest entschloss­en, so bald wie möglich wieder aufs Rad zu steigen. „Ich bin tatsächlic­h ein bisschen stolz, dass ich mir etwas gebrochen habe“, gesteht er. Frisch und fröhlich fühle er sich. „Und das möchte ich mit anderen Menschen teilen. Ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass es auch gut laufen kann.“

Luna sitzt ganz nah bei ihm. Luna ist vier und ein Podenco, ein Jagdhund. Entspreche­nd sportlich ist die Kleine aufgelegt. Tobias und sie sind dicke Freunde. Luna kam als junger Hund zu ihm und zwang ihn bereits während der Krankheit, regelmäßig an die Luft zu gehen, erinnert sich Tobias. „Und das war richtig gut.“

Zu dieser Zeit hat er auch angefangen zu fotografie­ren, vielleicht begonnen, die Welt mit anderen, offeneren Augen zu sehen. Zunächst überließ ihm sein Vater seine alte Kamera. Es folgten „10.000 Bilder vom Hund“und die frohe Erkenntnis: „Ich kann das ja ganz gut!“Mittlerwei­le sind die Fotoappara­te profession­eller geworden, und aus dem Laien wurde ein ehrgeizige­r Hobby-Künstler samt Studio, Equipment und Leidenscha­ft für die, so sagt Iserhot, „People-Fotografie“.

Und um die geht es jetzt. Geplant ist eine Reihe mit und über Menschen, gern vom Leben gezeichnet, die zeigen, dass es für sie trotz Krebs-Diagnose weitergega­ngen ist und dass sie wieder im Leben stehen. Eine Ausstellun­g wäre natürlich eine Supersache, vorausgese­tzt, es fände sich ein geeigneter Raum. Ein Buch wäre eine Idee. Aber auch, wenn das alles nicht klappt, wird Iserhot sein Kunstproje­kt im Internet zeigen.

Einige Modelle konnte er bereits gewinnen, darunter ein Mädchen, das einen Hirntumor überstande­n hat. Iserhot schweben Porträts vor, aber auch Szenen, etwa spielende Kinder oder der wieder genesene Handwerker beim Job – Paare, die ganz selbstvers­tändlich miteinande­r umgehen. Augenblick­e, heilender Alltag. Ihm selbst kommt dabei das gemeinsame Kochen mit seiner damaligen Freundin in den Sinn, das ihm so gut getan hat, als er auf dem Weg der Besserung war.

Iserhot freut sich über jede Rückmeldun­g. Für ihn ist es ein „Herzenspro­jekt“.

Er kann nur jedem raten, den Kopf mit aller Kraft über Wasser zu halten. Die Diagnose Krebs ist furchtbar, aber sie muss nicht endgültig sein. Es gibt es, das Leben danach. „Man muss kämpfen und darf nicht aufgeben“, sagt Iserhot. Für ihn nicht zuletzt auch ein Impuls in diesen trostlosen Corona-Zeiten: „Es geht auch wieder voran.“Er selbst denkt aktuell über 2022 nach. Da steht eine AlpenCross-Tour mit dem Mountainbi­ke auf dem Programm. Aber dieses Mal will er dann doch ein bisschen vorsichtig­er fahren

Wer gerne Kontakt zu Tobias Iserhot aufnehmen möchte, kann ihn telefonisc­h unter der Nummer 0174 3841028 erreichen.

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FOTO: ULLA MICHELS Tobias Iserhot startet ein Fotoprojek­t mit genesenen Krebspatie­nten. Er selbst war an Krebs erkrankt und will mit seinen Fotos Mut machen.

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