„Ich bin kein Lager“
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz über seine Wahlchancen, die Kanzlerkandidatur der Union und den Trumpismus.
Herr Röttgen, was haben Sie kommenden Montag vor?
RÖTTGEN Ich hoffe auf einen schönen Tag mit wichtigen und interessanten Gesprächen.
Hat sich die Ausgangslage in den vergangenen Tagen verändert? RÖTTGEN Ich würde eher von einigen Wochen, sogar Monaten sprechen, in denen ich eine Dynamik wahrnehme, die mir Rückenwind gibt. Das Rennen ist offen. Wir sind jetzt auf den letzten Metern. Nach einer jüngsten Umfrage zum Parteivorsitz liege ich bei der Bevölkerung bei 32 Prozent, Friedrich Merz bei 30 Prozent und Armin Laschet bei 13 Prozent. Ich bin zuversichtlich, eine Nasenspitze vorne würde genügen…
Alle Bewerber versichern, den jeweils neuen Vorsitzenden zu unterstützen. Was schwebt Ihnen vor, sollten Sie gewinnen?
RÖTTGEN Ich kandidiere für die Mannschaftsführung. Eine CDU unter meiner Führung bedeutet Mannschaftsspiel. Auch wenn ich für das Amt des Teamchefs kandidiere, bin ich im Falle eines anderen Wahlergebnisses bereit, mich an anderer Stelle im Team einzubringen.
Gilt das auch für Ihre Mitbewerber? RÖTTGEN Ich habe mir vor elf Monaten bei der Bekanntgabe meiner Kandidatur vorgenommen, meine Mitbewerber nicht zu kommentieren. Ich stehe jedenfalls für ein Team und auch für meine Bereitschaft, im Team mitzumachen, so, wie der Parteitag es wählt.
Wie kann die Einheit der Partei herbeigeführt werden?
RÖTTGEN Der neue Vorsitzende muss nicht nur integrieren wollen, sondern er muss auch integrieren können. Auch diejenigen, die den neuen Parteichef nicht gewählt haben, müssen das Gefühl haben: Der repräsentiert auch mich. Ich bin kein Lager in der Partei. Ich bin ein Angebot für alle.
Reicht ein knappes Ergebnis für eine Kanzlerkandidatur?
RÖTTGEN Es gibt historisch viele knappe Ergebnisse, aus denen viel Gutes geworden ist. Ich würde mich über eine Mehrheit freuen, auch wenn sie knapp ist.
Glauben Sie CSU-Chef Markus Söder, wenn er sagt, sein Platz sei in Bayern?
RÖTTGEN Das ist seine Aussage, die ich hier gar nicht infrage stellen will. Zum Selbstverständnis der CDU gehört, dass die Partei einen Vorsitzenden wählt, dem sie auch die Kanzlerkandidatur und das Kanzleramt zutraut, und dass der Vorsitzende dies auch kann und will. Nach 16 Jahren Angela Merkel bedeutet diese Zäsur, dass wir als Unionsparteien mit Bestbesetzung in diese Bundestagswahl gehen. Ziel muss sein, dass die Unionsparteien wieder den Kanzler stellen.
Sie würden Söder auch den Vortritt überlassen?
RÖTTGEN Markus Söder und ich kennen uns seit Jahrzehnten. Wir waren in unseren Bundesländern jeweils JU-Vorsitzende, wir waren zur gleichen Zeit Umweltminister. Werde ich zum Parteivorsitzenden gewählt, werden wir sehr zügig und vertraulich zusammenkommen und zu gegebener Zeit einen Vorschlag machen, welcher Kandidat für die Unionsparteien die besten Chancen bei den Wählerinnen und Wählern hat. Dabei geht es nicht um unsere Egos, sondern um die Verantwortung der beiden Parteivorsitzenden
für den Wahlsieg der Union.
Die SPD kritisiert die Impfstrategie von Bundesgesundheitsminister Spahn. Nur Wahlkampf-Geklingel oder nachvollziehbar?
RÖTTGEN Die SPD ist doch in der Regierung, oder? Ich finde, es geht jetzt nicht ums Kritisieren, sondern um richtiges Handeln. Vor allem, wenn man in der Regierung ist. Für das Herumkritisieren von Vizekanzler Scholz habe ich daher wenig Verständnis. Aber wir müssen natürlich für die Zukunft Lehren ziehen. Was wir noch besser machen können, ist, uns umfassend vorzubereiten und frühzeitig zu handeln.
Braucht es wegen der horrenden Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie einen Corona-Soli? RÖTTGEN Der Staat hat in erheblichem Umfang Schulden gemacht, um die Folgen dieser Pandemie abzufedern. Wir brauchen eine ausgeprägte Wachstumspolitik, um öffentliche Haushalte zu konsolidieren