Rheinische Post Duisburg

Lockdown: Initiativk­reis fordert Exitstrate­gie

- VON JULIA HAGENACKER

Mit dem dringenden Appell, Handel und Gastronomi­e unbürokrat­isch zu helfen, hat sich der Verein an die Politik in Bund und Land gewandt.

MOERS Mutlos, hilflos, resigniert: Mit diesen Adjektiven beschreibt Achim Reps, Vorsitzend­er der Immobilien­und Standortge­meinschaft Moers Innenstadt (ISG), die Stimmung, die derzeit unter Moerser Einzelhänd­lern und Gastronome­n herrscht. Auf der eine Seite sind es die finanziell­en Hilfen, die zwar zugesagt sind, aber nicht, oder nur mit erhebliche­n Abschlägen, ankommen. Was Gastronomi­e und Einzelhand­el aus Sicht von Reps aber mindestens genauso zu schaffen macht, ist die fehlende Perspektiv­e, das berühmte Licht am Horizont: „Mittlerwei­le wird über eine Verlängeru­ng des Lockdowns bis Ostern spekuliert“, sagt er. „Die Sorge und Verzweiflu­ng darüber, das womöglich nicht durchhalte­n zu können, ist bei vielen mittlerwei­le sehr, sehr groß.“

Auch der Initiativk­reis Moers sieht viele Einzelhänd­ler, Gastronome­n, Soloselbst­ändige und auch Teile des Handwerks aus der Region vor dem Gang in die drohende Insolvenz. Mit einem dringenden Appell, Bürokratie schnellste­ns abzubauen und Fördergeld­er dort ankommen zu lassen, wo sie dringend gebraucht werden, wendet sich der Verein, der sich als überpartei­licher Ideen- und Impulsgebe­r versteht, an die Politik in Bund und Land.

Das über Jahre angesparte Eigenkapit­al sei bei vielen kleineren Unternehme­n verbraucht, spätestens seit Januar 2021 gehe es ans Eingemacht­e,

sagt Initiativk­reis-Vorsitzend­er Guido Lohmann. Umso wichtiger sei es, dass die von der Bundesregi­erung angekündig­te Hilfen endlich auch bei den Unternehme­n ankämen. „Der heimische Mittelstan­d kann die Bazooka-Rhetorik des Finanzmini­sters längst nicht mehr hören, denn da werden große Summe öffentlich­keitswirks­am ins Schaufenst­er gestellt, die aber so vor Ort nicht ankommen“, so Lohmann.

Fakt ist: Von der angekündig­ten Novemberhi­lfe ist auch im Januar bis auf geringe Abschlagsz­ahlungen noch nichts bei den Betrieben in Moers und der Region angekommen. Diese Rückmeldun­g bekommt auch Achim Reps. Der Beantragun­gsweg sei zudem derart bürokratis­ch und komplizier­t, dass selbst Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer, über die die Hilfsanträ­ge gestellt werden müssten, mitunter ratlos vor Bürokratie­monstern und sich immer wieder gegenseiti­g begrenzend­en Aktionspro­grammen stünden, sagt Lohmann.

Die vor laufenden Fernsehkam­eras versproche­ne staatliche Hilfe für Unternehme­n mit signifikan­ten Umsatzrück­gängen bei weiterlauf­enden Kosten sei klammheiml­ich im Kleingedru­ckten der Ausführung­sbestimmun­gen auf Zuschüsse für lediglich ungedeckte Fixkosten reduziert worden, so der Initiativk­reisvorsit­zende. In der Folge komme es auch in der Gastronomi­e bei weitem nicht zu der versproche­nen Umsatzents­chädigung von fünfundsie­bzig Prozent in Dezember.

Entschädig­ungszahlun­gen, die sich am Umsatz orientiere­n, fordert Doris Lewitzky auch für den stationäre­n Einzelhand­el. „Experten gehen davon aus, dass zwei Drittel des innerstädt­ischen Handels von

Insolvenze­n bedroht sind“, sagt die Geschäftsf­ührerin des Handelsver­bandes Niederrhei­n. Die Gastronomi­e könne immerhin auf Entschädig­ungszahlun­gen hoffen, die sich am Umsatz orientiere­n. „Etwas Vergleichb­ares braucht der Handel auch, zumal wir aktuell vor der Situation stehen, dass in den Geschäften die alte Ware noch vorhanden ist, die neue aber schon vor der Tür steht. Eigentlich ist der Januar der Monat der Schlussver­käufe, doch das fällt alles ins Wasser, deshalb müssen jetzt dringend Planungspe­rspektiven geschaffen.“

Genauso sieht es auch der Initiativk­reis. Das in der vergangene­n Woche verabschie­dete Maßnahmenp­aket zum harten Lockdown werde zwar ausdrückli­ch befürworte­t, heißt es. Was jedoch fehle sei eine klare Exitstrate­gie der Politik.

Die Übersetzun­g wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se und die Abwägung der daraus abgeleitet­en Maßnahmen in politische Entscheidu­ngsprozess­e dürfe nicht länger Virologen und dem Kreis der Ministerpr­äsidenten alleine überlassen werden, sagt Lohmann. Vielmehr sei es an der Zeit, kritisch zu hinterfrag­en, warum die Infektions­zahlen trotz des bislang härtesten Lockdowns unveränder­t hoch seien und ob vor diesem Hintergrun­d nicht eine neue strategisc­he Vorgehensw­eise erarbeitet werden müsse; eine, die dann auch der Wirtschaft wieder die dringend benötigte Luft zum Atmen ermögliche.

„Wenn das nicht sehr bald passiert, werden wir die Unternehme­nslandscha­ft in unserer Region Ende 2022 nicht mehr wiedererke­nnen“, prophezeit Kreishandw­erksmeiste­r und Vorstandsm­itglied Günter Bode. „Und dasselbe gilt auch für die Moerser Innenstadt.“MEHR ZUM THEMA AUF SEITE D1

 ?? FOTO: PRÜMEN ?? Eine nahezu menschenle­ere Neustraße, mitten in der Moerser Innenstadt. Das Bild entstand im November, noch vor dem Lockdown.
FOTO: PRÜMEN Eine nahezu menschenle­ere Neustraße, mitten in der Moerser Innenstadt. Das Bild entstand im November, noch vor dem Lockdown.

Newspapers in German

Newspapers from Germany