Lockdown: Initiativkreis fordert Exitstrategie
Mit dem dringenden Appell, Handel und Gastronomie unbürokratisch zu helfen, hat sich der Verein an die Politik in Bund und Land gewandt.
MOERS Mutlos, hilflos, resigniert: Mit diesen Adjektiven beschreibt Achim Reps, Vorsitzender der Immobilienund Standortgemeinschaft Moers Innenstadt (ISG), die Stimmung, die derzeit unter Moerser Einzelhändlern und Gastronomen herrscht. Auf der eine Seite sind es die finanziellen Hilfen, die zwar zugesagt sind, aber nicht, oder nur mit erheblichen Abschlägen, ankommen. Was Gastronomie und Einzelhandel aus Sicht von Reps aber mindestens genauso zu schaffen macht, ist die fehlende Perspektive, das berühmte Licht am Horizont: „Mittlerweile wird über eine Verlängerung des Lockdowns bis Ostern spekuliert“, sagt er. „Die Sorge und Verzweiflung darüber, das womöglich nicht durchhalten zu können, ist bei vielen mittlerweile sehr, sehr groß.“
Auch der Initiativkreis Moers sieht viele Einzelhändler, Gastronomen, Soloselbständige und auch Teile des Handwerks aus der Region vor dem Gang in die drohende Insolvenz. Mit einem dringenden Appell, Bürokratie schnellstens abzubauen und Fördergelder dort ankommen zu lassen, wo sie dringend gebraucht werden, wendet sich der Verein, der sich als überparteilicher Ideen- und Impulsgeber versteht, an die Politik in Bund und Land.
Das über Jahre angesparte Eigenkapital sei bei vielen kleineren Unternehmen verbraucht, spätestens seit Januar 2021 gehe es ans Eingemachte,
sagt Initiativkreis-Vorsitzender Guido Lohmann. Umso wichtiger sei es, dass die von der Bundesregierung angekündigte Hilfen endlich auch bei den Unternehmen ankämen. „Der heimische Mittelstand kann die Bazooka-Rhetorik des Finanzministers längst nicht mehr hören, denn da werden große Summe öffentlichkeitswirksam ins Schaufenster gestellt, die aber so vor Ort nicht ankommen“, so Lohmann.
Fakt ist: Von der angekündigten Novemberhilfe ist auch im Januar bis auf geringe Abschlagszahlungen noch nichts bei den Betrieben in Moers und der Region angekommen. Diese Rückmeldung bekommt auch Achim Reps. Der Beantragungsweg sei zudem derart bürokratisch und kompliziert, dass selbst Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, über die die Hilfsanträge gestellt werden müssten, mitunter ratlos vor Bürokratiemonstern und sich immer wieder gegenseitig begrenzenden Aktionsprogrammen stünden, sagt Lohmann.
Die vor laufenden Fernsehkameras versprochene staatliche Hilfe für Unternehmen mit signifikanten Umsatzrückgängen bei weiterlaufenden Kosten sei klammheimlich im Kleingedruckten der Ausführungsbestimmungen auf Zuschüsse für lediglich ungedeckte Fixkosten reduziert worden, so der Initiativkreisvorsitzende. In der Folge komme es auch in der Gastronomie bei weitem nicht zu der versprochenen Umsatzentschädigung von fünfundsiebzig Prozent in Dezember.
Entschädigungszahlungen, die sich am Umsatz orientieren, fordert Doris Lewitzky auch für den stationären Einzelhandel. „Experten gehen davon aus, dass zwei Drittel des innerstädtischen Handels von
Insolvenzen bedroht sind“, sagt die Geschäftsführerin des Handelsverbandes Niederrhein. Die Gastronomie könne immerhin auf Entschädigungszahlungen hoffen, die sich am Umsatz orientieren. „Etwas Vergleichbares braucht der Handel auch, zumal wir aktuell vor der Situation stehen, dass in den Geschäften die alte Ware noch vorhanden ist, die neue aber schon vor der Tür steht. Eigentlich ist der Januar der Monat der Schlussverkäufe, doch das fällt alles ins Wasser, deshalb müssen jetzt dringend Planungsperspektiven geschaffen.“
Genauso sieht es auch der Initiativkreis. Das in der vergangenen Woche verabschiedete Maßnahmenpaket zum harten Lockdown werde zwar ausdrücklich befürwortet, heißt es. Was jedoch fehle sei eine klare Exitstrategie der Politik.
Die Übersetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Abwägung der daraus abgeleiteten Maßnahmen in politische Entscheidungsprozesse dürfe nicht länger Virologen und dem Kreis der Ministerpräsidenten alleine überlassen werden, sagt Lohmann. Vielmehr sei es an der Zeit, kritisch zu hinterfragen, warum die Infektionszahlen trotz des bislang härtesten Lockdowns unverändert hoch seien und ob vor diesem Hintergrund nicht eine neue strategische Vorgehensweise erarbeitet werden müsse; eine, die dann auch der Wirtschaft wieder die dringend benötigte Luft zum Atmen ermögliche.
„Wenn das nicht sehr bald passiert, werden wir die Unternehmenslandschaft in unserer Region Ende 2022 nicht mehr wiedererkennen“, prophezeit Kreishandwerksmeister und Vorstandsmitglied Günter Bode. „Und dasselbe gilt auch für die Moerser Innenstadt.“MEHR ZUM THEMA AUF SEITE D1