Rheinische Post Duisburg

Erinnern und gedenken

Glockenläu­ten und Kerzen zeigten unsere Solidaritä­t. Wieso nicht jetzt wieder?

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Die Kunst des Sterbens, der Sterbebegl­eitung, der Erinnerung und des Gedenkens müssen wir neu lernen. Das zeigt uns diese Corona-Zeit auf schockiere­nde Weise. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht. Aber mich bewegen die inzwischen 50.000 Toten dieser Pandemie zutiefst. Nicht, weil ich nicht wüsste, dass der Tod zum Leben gehört; dass jeder eines Tages Abschied nehmen muss und dass am Ende nur die Erinnerung bleibt und vielleicht – wenn auch nur noch bei wenigen – die Hoffnung auf ein ewiges Leben.

Doch das, was sich derzeit ereignet, lässt mich fast verzweifel­n: die vielen einsam Sterbenden und ihre ebenso einsamen Angehörige­n; die vielen Ärzte und Pflegenden, die sich immer mehr als Sterbebegl­eiter denn als Lebensrett­er erfahren. Und schließlic­h die, die die Todeszahle­n mal gleichgült­ig, mal zynisch zur Kenntnis nehmen und dann möglichst schnell zur Tagesordnu­ng übergehen – nach dem Motto: Was geht mich das an? Im ersten Lockdown läuteten abends die Kirchenglo­cken; viele Menschen haben Kerzen in die Fenster gestellt, um der Erkrankten und Verstorben­en zu gedenken. Ich habe dies als tröstlich erfahren und als starkes Zeichen der Solidaritä­t. Andere empfanden dasselbe schon bald als inhaltslee­r oder als Ruhestörun­g am Feierabend. Ich wäre dankbar, wenn heute wenigstens einmal in der Woche, zum

Beispiel samstagabe­nds, der Toten mit dem Läuten der Glocken gedacht würde. Das wäre ein erster Schritt, um sich wieder an die hohen Künste der „ars moriendi“und der „memoria“zu erinnern. Und wenn wir dann auch noch – wie jetzt von Bundespräs­ident Steinmeier angekündig­t – eine öffentlich­e Gedenkfeie­r für die Toten der Pandemie begehen, dann ist das ein heilsamer Schritt und ein Grund zur Hoffnung auf den bleibenden Zusammenha­lt unserer Gesellscha­ft.

Unsere Autorin ist Benediktin­erin des Klosters St. Hildegard in Rüdesheim-Eibingen und stammt aus Ratingen. Sie wechselt sich hier mit Friederike Lambrich, Jehoschua Ahrens und Mouhanad Khorchide ab.

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