EU-Bürger sollen nicht auf Reisen gehen
Die Länder der Europäischen Union wollen die Binnengrenzen offenlassen, an den Außengrenzen aber schärfer kontrollieren.
BRÜSSEL Die Binnengrenzen bleiben geöffnet, alle nicht unbedingt nötigen Reisen sollen aber unterbunden werden. Das ist die Strategie, auf die sich die 27 Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Videogipfel geeinigt haben. Alle sind alarmiert, weil sich die deutlich stärker ansteckenden Virus-Mutationen britischen, brasilianischen und südamerikanischen Ursprungs offenbar schnell und weitgehend unbemerkt in der EU ausbreiten.
Was gilt künftig an den EU-Binnengrenzen? Die EU kann den Mitgliedstaaten nichts vorschreiben. Sonderwege sind nicht ausgeschlossen wie etwa in Frankreich, wo ab Sonntag die Einreise nur noch nach einem Test möglich sein soll. Die Binnengrenzen sollen für Warenverkehr und Berufspendler aber grundsätzlich offenbleiben. Der Binnenmarkt soll nicht Schaden nehmen, die Lieferketten für Lebensmittel und Industrie sollen nicht abreißen. Doch alle nicht unbedingt nötigen Reisen – touristischer Art, um Verwandte zu besuchen oder zum Einkaufen – sollen ausbleiben und von den Behörden unterbunden werden. Wie genau, will die EU-Kommission am Montag sagen.
Was gilt für den kleinen Grenzverkehr? Die EU ruft dazu auf, die Maßnahmen im Grenzgebiet zu harmonisieren und zu beobachten. Wenn auf der einen Seite der Grenze wie etwa gerade in Deutschland die Geschäfte geschlossen, auf der anderen Seite wie jetzt in Belgien die Geschäfte geöffnet sind, müsse unbedingt ein Shopping-Tourismus unterbunden werden. Deutschland droht bereits mit Grenzschließungen zu Tschechien und Luxemburg, weil dort die Fallzahlen besorgniserregend hoch sind.
Warum werden dunkelrote Gebiete ausgewiesen? Die EU-Agentur zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten ECDC aktualisiert ständig die EU-Landkarte zur Infektionslage in den einzelnen Ländern. Es werden die Farben grün, orange und rot ausgewiesen. Seit Wochen ist nahezu die gesamte EU rot. Künftig soll es noch dunkelrote Gebiete geben, in denen die Fallzahlen besonders hoch sind. Wer aus dunkelroten Gebieten in rote Gebiete fährt, soll dies erst nach einem negativen Testergebnis tun können. Außerdem könnten verschärfte Quarantäneregeln greifen.
Was gilt an den Außengrenzen? An den EU-Außengrenzen sollen die Maßnahmen verschärft werden. Wer aus einem besonders belasteten Land kommt, soll nur noch mit einem negativen Testergebnis Zugang bekommen. Schon jetzt haben Länder wie Niederlande die Einreise zu touristischen Zwecken aus dem Nicht-EU-Land Großbritannien blockiert. Auch verschärfte Quarantänevorschriften sind denkbar.
Was tut man gegen die gefährlichen Mutationen? Das Unwissen über die Verbreitung der Mutationen ist groß. Der Grund ist: Im Schnitt wird in allen Mitgliedstaaten nur bei weniger als einem Prozent der positiven Tests untersucht, um welches Virus es sich genau handelt. Die EU will die Zahl dieser sogenannten Gensequenzierungen deutlich steigern. Man müsse auf einen Anteil von mindestens fünf bis zehn Prozent der Untersuchungen kommen, verlangt die Kommission. Dabei soll die EU-Agentur zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten ECDC helfen.
Wann gewährt der Impfpass Bewegungsfreiheit in der EU? Das ist noch ein weiter Weg. Zunächst muss klar sein, ob Geimpfte das Virus weitergeben können und wie lange die Impfung gegen das Virus immun macht. Erst danach will man abwägen, ob Geimpfte von Corona-Maßnahmen ausgenommen werden können. Gleichwohl soll im orangefarbenen Impfausweis der WHO die Impfung gegen das Virus medizinisch dokumentiert werden.
Ändert sich etwas an der Impfstrategie? Die Staats- und Regierungschefs wollen, dass das Impfen schneller geht. Man erwartet in den nächsten Tagen die Zulassung des dritten Impfstoffes in der EU, der von Astrazeneca kommt und einfacher zu handhaben ist. Alle Mitgliedstaaten wollen bis Ende März 80 Prozent der über 80-Jährigen sowie des medizinischen und Pflegepersonals geimpft haben. Bis Ende des Sommers – ein genaues Datum gibt es nicht – soll 70 Prozent aller Erwachsenen in der EU ein Impfangebot gemacht werden. Ungarn geht beim Impfen einen Sonderweg und will Dosen spritzen, die aus Russland und China stammen, aber nicht in der EU zugelassen sind. Brüssel kann Ungarn nicht davon abhalten. Allerdings weist man Budapest darauf hin, dass dieses Vorgehen Risiken hat.
Was geschieht mit Impfdosen, die die EU zu viel hat? Schon mit den zugelassenen und auf der neuen mRNA-Technologie basierenden Impfstoffen von Biontech und Moderna können schätzungsweise 80 Prozent der EU-Bevölkerung geimpft werden. Da Vakzine von Astrazeneca und Johnson & Johnson in der Pipeline sind, geht man davon aus, dass die EU bald mehr als genug Impfstoffe für alle Bürger hat. Die EU will damit die Nachbarländer sowie arme Staaten unterstützen. Es ist im Interesse aller, wenn die Impfe möglichst schnell bei allen Menschen auf der Welt ankommt. Je länger das Virus zirkuliert, desto höher ist das Risiko, dass neue Varianten entstehen, die möglicherweise gegen die Impfe immun sind.