Richtungsweisender Marken-Prozess
Der Deutsche Motorsport-Bund sieht sich als Urheber des Rallye-Reglements und klagt gegen einen kleinen Veranstalter.
DÜSSELDORF Zwei voneinander unabhängige Gerichtsurteile, eins vom Landgericht Düsseldorf, das andere vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, korrespondieren derart auffällig miteinander, dass Astronomen von der „Großen Konjunktion“reden würden – der Kombination zweier Sterne, die genau hintereinander stehen und dadurch auffällig heller strahlen.
So wird es der Motorsportvereinigung RSC unter der Leitung des Coburgers Patrick Mohr vorgekommen sein, der vor Jahren mit der Grabfeld-Rallye die Rebellion gegen den allmächtigen Deutschen Motorsport-Bund (DMSB) wagte. Denn spektakulärer Rallyesport mit hochkarätigen Fahrern schien dem DMSB nicht mehr zeitgemäß zu sein. Die bei dieser „Piratenveranstaltung“wieder zugelassenen Gruppe-5-Fahrzeuge seien „zu alt“, wahlweise „zu unsicher“und möglicherweise auch schneller als die modernen, schwerfälligen und deutlich teureren Nachkommen.
Aus Sicht der im DMSB maßgebenden Industrievertreter und ihren Marketinginteressen ein Nogo. Man will aktuelle Sieger verkaufen. Zum
Verständnis: Der bisherige Präsident und Ex-Rennfahrer Hans-Joachim Stuck war gleichzeitig Markenbotschafter von Volkswagen.
Ein Verbot der „Grabfeld-Rallye“aber ließ sich trotz aller möglichen Hebel nicht durchsetzen, obwohl selbst der ADAC Bayern seinem erfolgreichen Ortsklub jede Unterstützung entzog. Der DMSB versuchte nun die aufkeimende Konkurrenz auf zwei weiteren Ebenen niederzuhalten. Zum einen über rechtliche Belagerung mit Schadenersatzund Unterlassungsforderungen, in der Urheberrechte am traditionell ausgerichteten Reglement der Grabfeld-Rallye geltend gemacht wurden. Zum anderen damit, dass Lizenznehmer des DMSB als Teilnehmer dort vom DMSB-eigenen Sportgericht zu Geldstrafen und Lizenzentzug (wenn auch auf Bewährung) verurteilt wurden.
Ähnlich gehen aktuell auch die beiden großen Fußballverbände Fifa und Uefa vor, die den großen Klubs mit schweren Konsequenzen drohen, sollten sie eine private Super League gründen.
Die DMSB wollte die Drohung mit dem Urheberschutz beim Landgericht Düsseldorf durchsetzen – hohe Streitwerte von 250.000 Euro und drohende Schadenersatzforderungen sollten das Verfahren zu einem Selbstläufer machen und den kleinen Verein schon vorab in die Knie zwingen. Der aber blieb standhaft und ging das Risiko ein. Nach vielen vergeblichen Nachfragen rüffelte das Gericht das Verhalten des Frankfurter Klägers: Angeforderte Unterlagen wären nicht nachgereicht, gezielte Fragen nur ungenau beantwortet worden.
Kurzum: Da kein schlüssiger Nachweis über die eigene Urheberschaft des DMSB am Reglement geführt wurde, wurde die Klage kostenpflichtig abgewiesen. Der DMSB hat mittlerweile eine Berufung
über einige Randpunkte mit verringertem Umfang eingereicht, aber auch hier hält der RSC dagegen. Eine Bankbürgschaft, über die man beim DMSB die Sicherstellung bisher entstandener Anwalts- und Gerichtskosten erzwingen kann, wurde dank der Mitglieder unverzüglich vorgelegt.
Das Problem der Lizenzfahrer wurde fast gleichzeitig, wenn auch indirekt, am Europäischen Gerichtshof im Umweg über Eisschnellläufer entschieden – die hätten an der attraktiven Serie eines neues Veranstalters aufgrund des Vetos des eigenen Verbandes nicht teilnehmen dürfen. Dieser Fall wurde zugunsten der Läufer entschieden – eine derartige Sperre sei trotz Ausstellung eigener Lizenzen mit entsprechenden Vertragsklauseln nicht zulässig. Hier griffen die „Kartellgesetze“gegen die unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs. Es ist demnach keine Freigabe des eigenen Verbandes mehr notwendig, um mit der zusätzlichen Lizenz eines Konkurrenz-Verbandes bei dessen Events anzutreten.
Dies wird nun eins zu eins auf die Motorsportszene übertragen. Auch wenn die Bedeutung von Rallyes – auch durch die Einschränkungen wegen Covid-19 – gesunken ist und die Deutsche Rallyemeisterschaft des DMSB gerade mal fünf Läufe umfasst: Die Rallyefans werden jeden Veranstalter willkommen heißen, der sich – unabhängig – um ein pfiffiges Reglement für spektakuläre Veranstaltungen bemüht.
Es wird sicher auch Bewegung in einen saturierten DMSB bringen, der sich in den letzten Jahren unmerklich die Butter vom Brot nehmen ließ und nur noch ein problemloses Geschäft mit Lizenzen und Genehmigungen bevorzugte. Nur noch zwei Deutsche Meisterschaften (für Slalom und Rallye) sind übriggeblieben, eine Deutsche Rundstreckenmeisterschaft gibt es schon lange nicht mehr. Die privat mit Herstellern organisierte DTM (Deutsche Tourenwagen Masters) fährt ohne Privatfahrer. Die diversen Marken-Cups leben vom Wohlwollen der Hersteller. Der Wegfall einer berühmten internationalen F3-Meisterschaft, und das Unvermögen, eine boomende Oldtimer-Veranstaltungsszene zu betreuen, sollte in der Organisation Alarm hervorrufen. Und die Formel 1? Die Rechte an einem Deutschen Grand Prix lagen immer schon allein beim AvD, nie beim DMSB.