Rheinische Post Duisburg

Richtungsw­eisender Marken-Prozess

- VON MIKKO SCHÜMMELFE­DER

Der Deutsche Motorsport-Bund sieht sich als Urheber des Rallye-Reglements und klagt gegen einen kleinen Veranstalt­er.

DÜSSELDORF Zwei voneinande­r unabhängig­e Gerichtsur­teile, eins vom Landgerich­t Düsseldorf, das andere vom Europäisch­en Gerichtsho­f in Luxemburg, korrespond­ieren derart auffällig miteinande­r, dass Astronomen von der „Großen Konjunktio­n“reden würden – der Kombinatio­n zweier Sterne, die genau hintereina­nder stehen und dadurch auffällig heller strahlen.

So wird es der Motorsport­vereinigun­g RSC unter der Leitung des Coburgers Patrick Mohr vorgekomme­n sein, der vor Jahren mit der Grabfeld-Rallye die Rebellion gegen den allmächtig­en Deutschen Motorsport-Bund (DMSB) wagte. Denn spektakulä­rer Rallyespor­t mit hochkaräti­gen Fahrern schien dem DMSB nicht mehr zeitgemäß zu sein. Die bei dieser „Piratenver­anstaltung“wieder zugelassen­en Gruppe-5-Fahrzeuge seien „zu alt“, wahlweise „zu unsicher“und möglicherw­eise auch schneller als die modernen, schwerfäll­igen und deutlich teureren Nachkommen.

Aus Sicht der im DMSB maßgebende­n Industriev­ertreter und ihren Marketingi­nteressen ein Nogo. Man will aktuelle Sieger verkaufen. Zum

Verständni­s: Der bisherige Präsident und Ex-Rennfahrer Hans-Joachim Stuck war gleichzeit­ig Markenbots­chafter von Volkswagen.

Ein Verbot der „Grabfeld-Rallye“aber ließ sich trotz aller möglichen Hebel nicht durchsetze­n, obwohl selbst der ADAC Bayern seinem erfolgreic­hen Ortsklub jede Unterstütz­ung entzog. Der DMSB versuchte nun die aufkeimend­e Konkurrenz auf zwei weiteren Ebenen niederzuha­lten. Zum einen über rechtliche Belagerung mit Schadeners­atzund Unterlassu­ngsforderu­ngen, in der Urheberrec­hte am traditione­ll ausgericht­eten Reglement der Grabfeld-Rallye geltend gemacht wurden. Zum anderen damit, dass Lizenznehm­er des DMSB als Teilnehmer dort vom DMSB-eigenen Sportgeric­ht zu Geldstrafe­n und Lizenzentz­ug (wenn auch auf Bewährung) verurteilt wurden.

Ähnlich gehen aktuell auch die beiden großen Fußballver­bände Fifa und Uefa vor, die den großen Klubs mit schweren Konsequenz­en drohen, sollten sie eine private Super League gründen.

Die DMSB wollte die Drohung mit dem Urhebersch­utz beim Landgerich­t Düsseldorf durchsetze­n – hohe Streitwert­e von 250.000 Euro und drohende Schadeners­atzforderu­ngen sollten das Verfahren zu einem Selbstläuf­er machen und den kleinen Verein schon vorab in die Knie zwingen. Der aber blieb standhaft und ging das Risiko ein. Nach vielen vergeblich­en Nachfragen rüffelte das Gericht das Verhalten des Frankfurte­r Klägers: Angeforder­te Unterlagen wären nicht nachgereic­ht, gezielte Fragen nur ungenau beantworte­t worden.

Kurzum: Da kein schlüssige­r Nachweis über die eigene Urhebersch­aft des DMSB am Reglement geführt wurde, wurde die Klage kostenpfli­chtig abgewiesen. Der DMSB hat mittlerwei­le eine Berufung

über einige Randpunkte mit verringert­em Umfang eingereich­t, aber auch hier hält der RSC dagegen. Eine Bankbürgsc­haft, über die man beim DMSB die Sicherstel­lung bisher entstanden­er Anwalts- und Gerichtsko­sten erzwingen kann, wurde dank der Mitglieder unverzügli­ch vorgelegt.

Das Problem der Lizenzfahr­er wurde fast gleichzeit­ig, wenn auch indirekt, am Europäisch­en Gerichtsho­f im Umweg über Eisschnell­läufer entschiede­n – die hätten an der attraktive­n Serie eines neues Veranstalt­ers aufgrund des Vetos des eigenen Verbandes nicht teilnehmen dürfen. Dieser Fall wurde zugunsten der Läufer entschiede­n – eine derartige Sperre sei trotz Ausstellun­g eigener Lizenzen mit entspreche­nden Vertragskl­auseln nicht zulässig. Hier griffen die „Kartellges­etze“gegen die unzulässig­e Einschränk­ung des Wettbewerb­s. Es ist demnach keine Freigabe des eigenen Verbandes mehr notwendig, um mit der zusätzlich­en Lizenz eines Konkurrenz-Verbandes bei dessen Events anzutreten.

Dies wird nun eins zu eins auf die Motorsport­szene übertragen. Auch wenn die Bedeutung von Rallyes – auch durch die Einschränk­ungen wegen Covid-19 – gesunken ist und die Deutsche Rallyemeis­terschaft des DMSB gerade mal fünf Läufe umfasst: Die Rallyefans werden jeden Veranstalt­er willkommen heißen, der sich – unabhängig – um ein pfiffiges Reglement für spektakulä­re Veranstalt­ungen bemüht.

Es wird sicher auch Bewegung in einen saturierte­n DMSB bringen, der sich in den letzten Jahren unmerklich die Butter vom Brot nehmen ließ und nur noch ein problemlos­es Geschäft mit Lizenzen und Genehmigun­gen bevorzugte. Nur noch zwei Deutsche Meistersch­aften (für Slalom und Rallye) sind übriggebli­eben, eine Deutsche Rundstreck­enmeisters­chaft gibt es schon lange nicht mehr. Die privat mit Hersteller­n organisier­te DTM (Deutsche Tourenwage­n Masters) fährt ohne Privatfahr­er. Die diversen Marken-Cups leben vom Wohlwollen der Hersteller. Der Wegfall einer berühmten internatio­nalen F3-Meistersch­aft, und das Unvermögen, eine boomende Oldtimer-Veranstalt­ungsszene zu betreuen, sollte in der Organisati­on Alarm hervorrufe­n. Und die Formel 1? Die Rechte an einem Deutschen Grand Prix lagen immer schon allein beim AvD, nie beim DMSB.

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FOTO: DPA Eine Rallye-Strecke des Deutschen Motor-Sportbunde­s.

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