Rheinische Post Duisburg

Uwe Gensheimer­s Auftritt ist eines Handball-Kapitäns unwürdig

- VON GEORG AMEND

Johannes Bitter hat Größe gezeigt. Nach der 28:32-Niederlage gegen Spanien, die das WM-Aus der deutschen Handballer bereits besiegelt haben dürfte, brach der Nationalto­rhüter am ZDF-Mikrofon eine Lanze für Juri Knorr. Der Jüngste im Kader habe in seinem erst dritten Länderspie­l tolle Akzente gesetzt, befand der mit 38 Jahren älteste deutsche Spieler. Bitter hat einem 20-Jährigen, dem die Zukunft des deutschen Handballs gehören kann, Mut zugesproch­en.

Und genau diese Größe ging Uwe Gensheimer wenig später völlig ab. Der Kapitän disqualifi­zierte sich für dieses Amt mit seinen Aussagen selbst. „Es ist natürlich ein schmaler Grat, wenn man nach einem kurzen Aufbau schnell den Pass an den Kreis spielt. Juri wurde da ein bisschen ins kalte Wasser geworfen. Er hat zwei überragend­e Anspiele gemacht und dann zwei Fehlpässe. Das ist ihm natürlich verziehen.“So sehr der 34-Jährige seine Kritik mit dem letzten Satz noch einzuschrä­nken versuchte – den jüngsten Spieler des Kaders, der nach seiner Einwechslu­ng vor den Fehlpässen auch mit einem Tor mithalf, dass Deutschlan­d den Halbzeit-Rückstand in einen Vorsprung drehte, derart öffentlich und namentlich an den Pranger zu stellen, ist ein absolutes Unding.

Zumal Gensheimer selbst während des gesamten Turniers in Ägypten den Nachweis seiner eigenen Klasse schuldig geblieben ist. Im Auftaktspi­el gegen Uruguay fiel der Linksaußen der Rhein-Neckar Löwen mit Würfen der Kategorie ungenügend bis überheblic­h so negativ auf, dass ihn Bundestrai­ner Alfred Gislason in der zweiten Halbzeit komplett draußen ließ, und ihm auch in den nächsten beiden Spielen Marcel Schiller vorzog – der ihm auch in der internen Hackordnun­g bei den Strafwürfe­n den Rang abgelaufen hat. Als Gensheimer dann gegen Ungarn ins Spiel kam, war sein erster Versuch ein Trickwurf hinter dem Rücken – Kreis ab, Ballverlus­t. Auch gegen Spanien überzeugte der Kapitän nach seiner Einwechslu­ng nicht, vergab unter anderem einen Gegenstoß.

Gensheimer hat in 193 Länderspie­len 930 Tore erzielt und seine Klasse mehrfach bewiesen. Bei dieser WM war er davon weit entfernt: In drei Spielen erzielte er sieben Tore bei zwölf Würfen – das ist eine Quote von 58 Prozent. Ein unterirdis­cher Wert für einen, der den Ruf hat, einer der besten Außenspiel­er der Welt zu sein. Knorr hat als Rückraumsp­ieler übrigens eine Quote von 83 Prozent (5/6).

Dass Deutschlan­d schon nach dem ersten Hauptrunde­nspiel so gut wie keine Chance mehr bei dieser WM hat, liegt also sicher nicht am Jüngsten im Kader. Dass Gensheimer diesen Ansatz ernsthaft in dieser Deutlichke­it formuliert­e, ist nicht nur schlechter Stil, sondern eines Kapitäns unwürdig. Johannes Bitter hat gezeigt, wie es geht, nicht nur auf dem Feld als einer der besten Torhüter des Turniers bis hierhin. Gensheimer nicht. Er sollte über einen Rücktritt nachdenken – mindestens vom Amt des Kapitäns.

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FOTO: SASCHA KLAHN/DPA Uwe Gensheimer.

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