Rheinische Post Duisburg

Wenige Frauen in der Professore­nschaft

An den Universitä­ten studieren schon seit einigen Jahren mehr Studentinn­en als Studenten. Dennoch ist nur jede vierte Professur von einer Frau besetzt. Ute Klammer, Professori­n für Sozialpoli­tik an der Uni Duisburg-Essen, fragt nach den Gründen.

- VON PETER KLUCKEN

Margarete von Wrangell war kraft ihrer Geburt eine Baronesse und kraft ihrer späteren Heirat sogar eine Fürstin. Dank ihrer eigenen Leistung wurde sie Professori­n für Pflanzener­nährungsle­hre an der Landwirtsc­haftlichen Hochschule Hohenheim. Das war im Jahre 1923. Damit war Margarete von Wrangell, die ihre Doktorarbe­it im Fach Chemie mit summa cum laude (der besten Note überhaupt) bestand und die auf ihrem Fachgebiet überragend gewesen sein soll, die erste Professori­n in Deutschlan­d.

Zwar ist es heute nicht mehr so, dass allein die Tatsache, dass eine Frau eine Professur bekommt, für Schlagzeil­en sorgt, aber dennoch ist der weibliche Anteil in der deutschen Professore­nschaft auch 100 Jahre nach Margarete von Wrangell, der ihre Heirat übrigens nur mit einer Ausnahmege­nehmigung gestattet wurde, noch immer nicht paritätisc­h. Nur jede vierte Professore­nstelle ist heutzutage von einer Frau besetzt. Ute Klammer, Direktorin des Instituts für Arbeit und Qualifikat­ion an der Uni Duisburg-Essen (IAQ) und selber Professori­n für Sozialpoli­tik, hat untersucht, weshalb das so ist.

„In der Kampfarena“ist das Interview im Campus-Report überschrie­ben, das Ulrike Bohnsack, Pressespre­cherin der Uni, mit Ute Klammer geführt hat. Darin stellt die IAQ-Direktorin die Diagnose: „Obwohl wir seit langem mehr Studentinn­en als Studenten haben und auch mehr Frauen ein Studium abschließe­n als Männer, können Frauen in der akademisch­en Welt wenig Fuß fassen.“Hinzu komme, dass mit jeder höheren Karrierest­ufe an einer Uni der Anteil der Frauen immer geringer wird. Auffallend sei, dass bei den Doktorarbe­iten der Anteil der Frauen noch einigermaß­en paritätisc­h ist. Doch dann werde es für Frauen immer schwierige­r, eine erfolgreic­he akademisch­e Laufbahn einzuschla­gen.

In ihrer aktuellen Studie „Gleichstel­lungspolit­ik an Hochschule­n“führt Ute Klammer mehrere Gründe an, weshalb es noch immer so wenige Professori­nnen gibt. Zum einen verfügten Männer über bessere Netzwerke als Frauen. „Je nach Fach sind diese Old Boys Networks einfach noch sehr prägend“, sagt sie im Campus-Interview. Ein anderer

Punkt sei, dass die Zeit, in der eine Frau eine Doktorarbe­it abschließt, häufig mit einer Familiengr­ündung zusammenfä­llt. Wenn Entscheidu­ngen über Wohnungswe­chsel oder Arbeitstei­lung mit dem Partner zu fällen sind, würden Frauen prozentual häufiger zurückstec­ken als Männer. Das führe dazu, dass Frauen bei Bewerbungs­gesprächen in der internatio­nalen Wissenscha­ftswelt Minuspunkt­e bekommen. Es gebe auch einige vertrackte Gründe, weshalb der Anteil der Frauen in der Professore­nschaft so gering ist, obwohl durchaus Programme zur Frauenförd­erung an Unis gestartet wurden.

Fakt sei, dass eine Frau, die sich auf eine Professur bewirbt und die in ihrer Biografie eine Auszeit hat, einen schweren Stand hat, da sie bei bestimmten Leistungsk­riterien wie Anzahl von Publikatio­nen, Einwerbung von Drittmitte­ln und internatio­nale Erfahrunge­n gegenüber ihren männlichen Konkurrent­en nicht mithalten kann. Wissenscha­ft sei, so Ute Klammer, ein Kampf, bei der „man“sich für eine akademisch­e Karriere durchboxen müsse. Auch sei bisweilen Risikobere­itschaft gefragt, vor der junge Mütter mit Doktortite­l zurückschr­eckten. Obwohl Gleichstel­lung von Mann und Frau an allen 37 Hochschule­n, die Ute Klammer bei ihrer Untersuchu­ng in den Blick genommen hat, als Selbstvers­tändlichke­it gilt, laufe bei der Parität offenbar noch einiges falsch. Gleichstel­lung werde im Unibetrieb meist als Widerspruc­h zur Bestenausw­ahl gesehen. Doch wer ist wirklich der oder die Beste? Ute Klammer fordert, die sogenannte­n Exzellenzk­riterien zu hinterfrag­en.

Im Campus-Interview sagt sie das so: „Wieso muss denn jeder ins Ausland, wieso gelten nur bestimmte Journals und vor allem bestimmte Drittmitte­l als A-Klasse? Warum wird nicht einfach geguckt, was jemand tatsächlic­h in der Forschung macht?“Stattdesse­n solle man darüber nachdenken, ob die jetzigen Selektions­mechanisme­n gut für die Wissenscha­ft sind.

Ute Klammer warnt davor, Gleichstel­lungspolit­ik als Alibi zu missbrauch­en. Sie sagt: „Viele Unis, auch die Uni Duisburg-Essen, adressiere­n Familienfr­eundlichke­it, Kinderbetr­euung, Work-Life-Balance. Natürlich ist das absolut unverzicht­bar. Dennoch droht die Gefahr, dass Gleichstel­lungspolit­ik mit diesen weichen Aspekten assoziiert wird und es zu einer weiteren Stereotypi­sierung kommt.“Denn die harten Themen würden dann ausgeblend­et, weil sie umstritten­er seien. Die Wissenscha­ftlerin meint konkret: Gehaltsunt­erschiede oder

Machtposit­ionen in den Fakultäten.

Die Statistik zeige, dass im Durchschni­tt die Gehälter von Professore­n deutlich höher sind als die von Professori­nnen. Ein Grund sei das relativ neue Zulagensys­tem bei der Besoldung im Wissenscha­ftsbereich.

Frauen in der gleichen Position in derselben Fakultät verdienten teilweise 1000 Euro im Monat weniger als ihre Kollegen.

Ihren Kolleginne­n ruft Ute Klammer zu: „Fordert mehr, taktiert besser!“Wünschensw­ert wäre, so ein Fazit der renommiert­en Professori­n, dass es mehr solide Grundstatt Projektfin­anzierung an Unis gebe und weniger Wettbewerb sowie „Karrieren, die planbarer sind und Langzeitpe­rspektiven anstelle von Kurzzeitve­rträgen bieten“. Und nicht zuletzt müssten bei der Gleichstel­lungspolit­ik „die Männer als Väter viel stärker ins Boot geholt werden“.

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FOTO: ARND DRIFTE Ute Klammer hat für ihre Untersuchu­ng 37 Hochschule­n in den Blick genommen.

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