Wenige Frauen in der Professorenschaft
An den Universitäten studieren schon seit einigen Jahren mehr Studentinnen als Studenten. Dennoch ist nur jede vierte Professur von einer Frau besetzt. Ute Klammer, Professorin für Sozialpolitik an der Uni Duisburg-Essen, fragt nach den Gründen.
Margarete von Wrangell war kraft ihrer Geburt eine Baronesse und kraft ihrer späteren Heirat sogar eine Fürstin. Dank ihrer eigenen Leistung wurde sie Professorin für Pflanzenernährungslehre an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim. Das war im Jahre 1923. Damit war Margarete von Wrangell, die ihre Doktorarbeit im Fach Chemie mit summa cum laude (der besten Note überhaupt) bestand und die auf ihrem Fachgebiet überragend gewesen sein soll, die erste Professorin in Deutschland.
Zwar ist es heute nicht mehr so, dass allein die Tatsache, dass eine Frau eine Professur bekommt, für Schlagzeilen sorgt, aber dennoch ist der weibliche Anteil in der deutschen Professorenschaft auch 100 Jahre nach Margarete von Wrangell, der ihre Heirat übrigens nur mit einer Ausnahmegenehmigung gestattet wurde, noch immer nicht paritätisch. Nur jede vierte Professorenstelle ist heutzutage von einer Frau besetzt. Ute Klammer, Direktorin des Instituts für Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen (IAQ) und selber Professorin für Sozialpolitik, hat untersucht, weshalb das so ist.
„In der Kampfarena“ist das Interview im Campus-Report überschrieben, das Ulrike Bohnsack, Pressesprecherin der Uni, mit Ute Klammer geführt hat. Darin stellt die IAQ-Direktorin die Diagnose: „Obwohl wir seit langem mehr Studentinnen als Studenten haben und auch mehr Frauen ein Studium abschließen als Männer, können Frauen in der akademischen Welt wenig Fuß fassen.“Hinzu komme, dass mit jeder höheren Karrierestufe an einer Uni der Anteil der Frauen immer geringer wird. Auffallend sei, dass bei den Doktorarbeiten der Anteil der Frauen noch einigermaßen paritätisch ist. Doch dann werde es für Frauen immer schwieriger, eine erfolgreiche akademische Laufbahn einzuschlagen.
In ihrer aktuellen Studie „Gleichstellungspolitik an Hochschulen“führt Ute Klammer mehrere Gründe an, weshalb es noch immer so wenige Professorinnen gibt. Zum einen verfügten Männer über bessere Netzwerke als Frauen. „Je nach Fach sind diese Old Boys Networks einfach noch sehr prägend“, sagt sie im Campus-Interview. Ein anderer
Punkt sei, dass die Zeit, in der eine Frau eine Doktorarbeit abschließt, häufig mit einer Familiengründung zusammenfällt. Wenn Entscheidungen über Wohnungswechsel oder Arbeitsteilung mit dem Partner zu fällen sind, würden Frauen prozentual häufiger zurückstecken als Männer. Das führe dazu, dass Frauen bei Bewerbungsgesprächen in der internationalen Wissenschaftswelt Minuspunkte bekommen. Es gebe auch einige vertrackte Gründe, weshalb der Anteil der Frauen in der Professorenschaft so gering ist, obwohl durchaus Programme zur Frauenförderung an Unis gestartet wurden.
Fakt sei, dass eine Frau, die sich auf eine Professur bewirbt und die in ihrer Biografie eine Auszeit hat, einen schweren Stand hat, da sie bei bestimmten Leistungskriterien wie Anzahl von Publikationen, Einwerbung von Drittmitteln und internationale Erfahrungen gegenüber ihren männlichen Konkurrenten nicht mithalten kann. Wissenschaft sei, so Ute Klammer, ein Kampf, bei der „man“sich für eine akademische Karriere durchboxen müsse. Auch sei bisweilen Risikobereitschaft gefragt, vor der junge Mütter mit Doktortitel zurückschreckten. Obwohl Gleichstellung von Mann und Frau an allen 37 Hochschulen, die Ute Klammer bei ihrer Untersuchung in den Blick genommen hat, als Selbstverständlichkeit gilt, laufe bei der Parität offenbar noch einiges falsch. Gleichstellung werde im Unibetrieb meist als Widerspruch zur Bestenauswahl gesehen. Doch wer ist wirklich der oder die Beste? Ute Klammer fordert, die sogenannten Exzellenzkriterien zu hinterfragen.
Im Campus-Interview sagt sie das so: „Wieso muss denn jeder ins Ausland, wieso gelten nur bestimmte Journals und vor allem bestimmte Drittmittel als A-Klasse? Warum wird nicht einfach geguckt, was jemand tatsächlich in der Forschung macht?“Stattdessen solle man darüber nachdenken, ob die jetzigen Selektionsmechanismen gut für die Wissenschaft sind.
Ute Klammer warnt davor, Gleichstellungspolitik als Alibi zu missbrauchen. Sie sagt: „Viele Unis, auch die Uni Duisburg-Essen, adressieren Familienfreundlichkeit, Kinderbetreuung, Work-Life-Balance. Natürlich ist das absolut unverzichtbar. Dennoch droht die Gefahr, dass Gleichstellungspolitik mit diesen weichen Aspekten assoziiert wird und es zu einer weiteren Stereotypisierung kommt.“Denn die harten Themen würden dann ausgeblendet, weil sie umstrittener seien. Die Wissenschaftlerin meint konkret: Gehaltsunterschiede oder
Machtpositionen in den Fakultäten.
Die Statistik zeige, dass im Durchschnitt die Gehälter von Professoren deutlich höher sind als die von Professorinnen. Ein Grund sei das relativ neue Zulagensystem bei der Besoldung im Wissenschaftsbereich.
Frauen in der gleichen Position in derselben Fakultät verdienten teilweise 1000 Euro im Monat weniger als ihre Kollegen.
Ihren Kolleginnen ruft Ute Klammer zu: „Fordert mehr, taktiert besser!“Wünschenswert wäre, so ein Fazit der renommierten Professorin, dass es mehr solide Grundstatt Projektfinanzierung an Unis gebe und weniger Wettbewerb sowie „Karrieren, die planbarer sind und Langzeitperspektiven anstelle von Kurzzeitverträgen bieten“. Und nicht zuletzt müssten bei der Gleichstellungspolitik „die Männer als Väter viel stärker ins Boot geholt werden“.