Rheinische Post Duisburg

„Ich bin einfach ein Optimist”

Der Geschäftsf­ührer der Jüdischen Gemeinde spricht am Gedenktag über das Leben in der multikultu­rellen Stadt Duisburg.

- PETER KLUCKEN STELLTE DIE FRAGEN

Seit 15 Jahren ist der 27. Januar offiziell der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalso­zialismus. Erinnert wird an diesem Tag an die Befreiung des Vernichtun­gslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Wie wichtig ist Ihnen heute dieser Gedenktag?

ALEXANDER DREHMANN Sehr wichtig, der Gedenktag betrifft ist ja auch einen Teil meiner Familienge­schichte, von daher ist jede Erinnerung für mich wichtig.

Gab es in Ihrer Familie direkte Opfer des Holocausts?

DREHMANN Ja, Verwandte meiner Großmutter wurden von Nazis umgebracht. Davon hat mir meine Großmutter oft erzählt.

Als Sie vor einigen Wochen in der Duisburger Volkshochs­chule einen geschichtl­ichen Online-Vortrag hielten, wurden Sie von einem

Zuhörer gefragt, ob Sie angesichts verschiede­ner antisemiti­sch motivierte­r Verbrechen daran denken, Deutschlan­d zu verlassen. Ihre Antwort hieß damals sinngemäß: „Trotz allem, die Koffer bleiben ausgepackt!“Sind Sie „trotz allem“optimistis­ch?

DREHMANN Ich bin einfach ein Optimist. Deutschlan­d gehört trotz aller Probleme zu den besten Ländern der Welt. Davon bin ich nach wie vor überzeugt. Ich bin auch zuversicht­lich, dass wir die meisten Probleme in den Griff bekommen. Man muss sie allerdings auch anpacken. Von alleine lösen die sich nicht.

In Duisburg leben Menschen mit unterschie­dlichen religiösen, politische­n und kulturelle­n Überzeugun­gen und Prägungen. Wie empfinden Sie das gegenwärti­ge Klima in dieser Stadt?

DREHMANN Sehr positiv. Meistens ist hier in der Stadt eine Superatmos­phäre. Ich mag ja auch türkischen Tee und Baklava. Sicherlich gibt es Probleme und die werden auch nicht von heute auf morgen verschwind­en. Einige Geschichte­n finde ich widerlich und gefährlich, und da muss man dagegen ankämpfen. Das muss aber nur der Staat machen! Der hat das Gewaltmono­pol, und das ist gut so.

Sie selber kamen 1994 als 15-Jähriger mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Deutschlan­d. Sie mussten damals erst Deutsch lernen. Haben sich die Hoffnungen, die Sie als Teenager beim Neubeginn im anderen Land mitbrachte­n, erfüllt? DREHMANN Fast alle.

Aber Sie werden sich damals doch nicht haben vorstellen können, dass Sie mal Geschäftsf­ührer einer großen jüdischen Gemeinde werden würden...

DREHMANN So konkret vielleicht nicht, aber ich war damals schon intensiv mit dem jüdischen Gemeindele­ben verwurzelt. Im Rückblick empfinde ich meine Entwicklun­g nicht als so überrasche­nd, eher folgericht­ig.

Und was ging für Sie persönlich nicht in Erfüllung?

DREHMANN Am meisten schmerzt mich, dass meine Mutter vor zehn Jahren im Alter von erst 55 Jahren gestorben ist.

2021 ist als Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d“proklamier­t worden. Diese ökumenisch­e Initiative soll auf die zahlreiche­n Verbindung­en zwischen dem Christentu­m und dem Judentum aufmerksam machen. Was denken Sie über diese Initiative?

DREHMANN Dieses Festjahr finde ich gut. Wir sind ja ein Teil dieser Gesellscha­ft, wobei ich es schade finde, dies überhaupt betonen zu müssen. Wir sind ein Teil der Gesellscha­ft, der seit Jahrhunder­ten hier ist und eine Bereicheru­ng darstellt.

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FOTO: CREI Alexander Drehmann kam als 15-Jähriger nach Deutschlan­d.

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