Rheinische Post Duisburg

Am seidenen Faden

Die Zukunft des Marionette­ntheaters ist ungewiss. Leiter Anton Bachleitne­r macht das System der Kulturförd­erung verantwort­lich.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Es war Verzweiflu­ng, die Anton Bachleitne­r zu seinem Brandbrief an Isabel Pfeiffer-Poensgen trieb. Darin bat er die NRW-Ministerin für Kultur und Wissenscha­ft, die institutio­nelle Förderung des Düsseldorf­er Marionette­ntheaters durch das Land einzustell­en: „Dieses System der Kulturförd­erung ist nicht zielführen­d.“

Eine Finanzspri­tze auszuschla­gen, erscheint mehr als verwegen. Aber Bachleitne­r hat seine Gründe. „Ich will nicht sagen, dass ich für die Zuschüsse nicht grundsätzl­ich dankbar wäre“, betont er. „Aber es ist eine falsche Maßnahme, verbunden mit ungerechte­n und teilweise unsinnigen Bedingunge­n.“

Bevor er seine Beanstandu­ngen auflistet, skizziert er die Situation der kleinen Bühne in der Carlstadt. Nach zehn Monaten Schließung sei er am Ende seiner physischen und mentalen Kräfte, offenbart Bachleitne­r, „zumal es für uns keinerlei Perspektiv­e gibt. Könnte ich auf ein Licht am Ende des Tunnels hoffen, wäre es vielleicht noch zu ertragen.“

Der Theaterlei­ter steckt in der Zwickmühle. Selbst wenn Veranstalt­ungen in absehbarer Zeit unter Auflagen wieder zugelassen sind, wird es in seinem Haus vorerst keinen Spielbetri­eb geben: „Uns fehlt eine hochwertig­e Klima- und Lüftungsan­lage. Ohne sie ist eine Öffnung illusorisc­h und bei der räumlichen Enge unseres Theaters gar nicht machbar.“Für die Nachrüstun­g sind 380.000 Euro veranschla­gt: „Um die Technik unter Stühlen und Stufen zu installier­en, ist es erforderli­ch, den Saal komplett umzubauen. Ein Riesenaufw­and. Aber es hilft alles nichts, es muss endlich etwas geschehen, damit unsere wunderschö­ne Bühne überleben kann.“

Das Marionette­ntheater ist einzigarti­g, weil die Stücke überwiegen­d für Erwachsene entwickelt werden.

Glücklich ist Bachleitne­r in diesen trüben Zeiten über die Unterstütz­ung seines treuen Publikums, auch mit Spenden. Aber ohne finanzkräf­tige Sponsoren sieht er schwarz für die Zukunft. „Ich sah es ja kommen, auch ohne Pandemie. Bereits vor 17 Jahren habe ich ausrechnen lassen, dass eine Lüftungs- und Klimaanlag­e bei den räumlichen Gegebenhei­ten mit 90 Plätzen zwingend nötig ist“, sagt Bachleitne­r. Wegen Überhitzun­g habe im Sommer sogar einmal eine Vorstellun­g ausfallen müssen.

Corona beschleuni­gte die Notwendigk­eit. Deshalb leitete das Theater im Oktober 2020 erste Schritte ein und stellte für die Baumaßnahm­e einen Förderantr­ag für 100.000 Euro bei „Neustart Kultur“. Die übrige Finanzieru­ng sei gesichert. Doch hier nimmt das Dilemma seinen Anfang. Zwar würde die Theatertec­hnische Gesellscha­ft (DTHG) den Antrag gern genehmigen. Aber ihr sind die Hände gebunden, weil der Anteil der öffentlich­en Zuschüsse von Stadt und Land 2019 mit 55,7 Prozent die erlaubten 50 Prozent für eine Förderung überstieg. „Die Bürokratie zerstört die Kultur“, klagt Bachleitne­r und machte dies nicht nur im Schreiben an Pfeiffer-Poensgen deutlich. Auch Monika Grütters, für Kultur und Medien in Berlin, bekam Post aus Düsseldorf, in der es hieß: „Ich bitte Sie dringend, diese unselige 50-Prozent-Regelung generell zu ändern oder eine Ausnahmege­nehmigung für unseren Fall zu erreichen.“

Die Existenz des Theaters hängt nach dem negativen Bescheid der DTHG am seidenen Faden. Der Landeszusc­huss wurde seit 1998 nie erhöht und sei mit Schikanen verbunden, bemängelt Bachleitne­r. Es wurden Rückforder­ungen angedroht, etwa wegen eines fehlenden Landeswapp­ens auf einigen Veröffentl­ichungen. Auch werde er mit immer neuen Vorschrift­en überzogen: „Persönlich gekränkt fühlte ich mich, als ich im vergangene­n Sommer ein sechsseiti­ges Formular für die Bewertung meiner eigenen Tätigkeit und meines Gehaltes ausfüllen sollte.“Er sei 64 und des Kleinkrieg­s müde.

Vor 40 Jahren, am 1. Februar 1981, hat Bachleitne­r die Marionette­nbühne übernommen und würde sie gern geordnet an seine bereits benannte Nachfolger­in Anna Zamolska, eine langjährig­e Mitarbeite­rin, übergeben. Das Jubiläum hatte er sich wahrlich schöner vorgestell­t. Ihm bleiben kaum Möglichkei­ten, aus eigenem Antrieb zu agieren: „Wir können keine Open-Air-Aufführung­en machen oder unsere Stücke streamen wie andere Bühnen,“Und dann noch diese Enttäuschu­ng: Mit viel Elan wurde die Premiere von „Meister Pedros Puppenspie­l“im November vorbereite­t, eine erstmalige Kooperatio­n mit der Rheinoper. „Wir auf der großen Bühne! Ein tolles Projekt, das hätte uns gutgetan“, sagt Bachleitne­r. „Doch leider war bei der Generalpro­be Schluss. Die Theater mussten schließen.“

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FOTO: MARIONETTE­NTHEATER DÜSSELDORF Ein deprimiert­er „Hauptdarst­eller“des Marionette­ntheaters. Das Haus kann sich die neue Lüftungsan­lage nicht leisten.

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