Rheinische Post Duisburg

Familie will Haub doch für tot erklären lassen

Frau und Kinder des seit 2018 vermissten früheren Tengelmann-Chefs geben ihren bisherigen Widerstand gegen diesen Schritt auf.

- VON GEORG WINTERS

MÜLHEIM Im Fall des seit fast drei Jahren nach einer Bergtour vermissten früheren Tengelmann-Chefs Karl-Erivan Haub gibt es eine Überraschu­ng: Die Ehefrau Katrin Haub und die beiden Kinder des Ehepaars, die sich bisher dagegen gewehrt hatten, den verscholle­nen Manager für tot erklären zu lassen, sind dem Verfahren auf Todeserklä­rung beim Kölner Amtsgerich­t beigetrete­n. Dies bestätigte am Dienstag ein Sprecher des Gerichts unserer Redaktion.

Sie werden damit wie Christian Haub, der Bruder und derzeitige Konzernche­f, sowie zwei Einzelgese­llschaften der Gruppe als Antragstel­ler geführt. „Das ist eine höchstpers­önliche Entscheidu­ng der Familie, die sie nicht weiter kommentier­en will“, sagte ein Sprecher von Katrin Haub auf Anfrage. Vor Kurzem hatte Georg Haub, der dritte Bruder, seinen Antrag auf Todeserklä­rung überrasche­nd zurückgezo­gen. Dies hatte Vermutunge­n genährt, es gebe möglicherw­eise einen Dissens zwischen ihm und seinem Bruder Christian.

Karl-Erivan Haub war kurz nach Ostern 2018 von einer Bergtour in den Schweizer Alpen nicht mehr zurückgeke­hrt. Seitdem wird in manchen Medien darüber spekuliert, ob der Verscholle­ne nicht doch noch am Leben sein könnte. Sogar von einer russischen Geliebten war zwischenze­itlich die Rede gewesen. Womöglich wolle die Familie Haub mit ihrer Entscheidu­ng, sich dem Antrag auf Todeserklä­rung anzuschlie­ßen, solchen Gerüchten den Nährboden entziehen, heißt es in Handelskre­isen. Schweizer Bergführer hatten vor einigen Wochen an dieser Theorie allerdings erhebliche Zweifel geäußert. Das Ganze könnte also auch ein inszeniert­es Störfeuer gewesen sein. Der Verschwund­ene war zuletzt an einer Bergstatio­n gesehen worden; danach war sein Mobiltelef­on abgestellt worden, sodass kein Kontakt mehr zu Haub möglich war.

Welche Konsequenz­en diese Wende für den Fortgang der Dinge bei Tengelmann hat, ist derzeit noch offen. Die Verfahrens­beteiligte­n wollten sich am Dienstag nicht zum aktuellen Stand ihrer Gespräche äußern. Es gilt aber als sehr wahrschein­lich, dass die Kontrahent­en Christian Haub auf der einen sowie Frau und Kinder des Vermissten auf der anderen Seite sich auch schnell darauf verständig­en könnten, was nach einer offizielle­n Todeserklä­rung mit den Anteilen Karl-Erivan Haubs geschehen soll.

Eine solche Erklärung des Kölner Amtsgerich­ts würde den Erbfall auslösen, was wiederum für die Kinder Haubs nach derzeitige­m Stand zur Folge hätte, dass sie mehrere Hundert Millionen Euro Erbschafts­teuer zu zahlen hätten. Wer wie viel von dieser Belastung tragen soll, ob und wie sich das Unternehme­n beteiligen könnte, ob Karl-Erivan Haubs Familienst­amm aus dem Konzern ausscheide­t und wann das der Fall sein könnte, ist seither unklar. Für all diese Fragen gab es bisher keine einvernehm­liche Lösung. In Handelskre­isen wird nun darüber spekuliert, dass dies schon in den nächsten Wochen der Fall sein könnte. Christian Haub hat für die Anteile seines verscholle­nen Bruders nach früheren Angaben rund 1,1 Milliarden Euro geboten, was die Gegenseite seinerzeit nicht akzeptiere­n wollte. Zwischen den Vorstellun­gen beider Seiten über einen angemessen­en Kaufpreis lagen seinerzeit angeblich mehrere Hundert Millionen Euro.

Anderersei­ts hätten mögliche Erben Karl-Erivan Haubs für die Begleichun­g der Erbschafts­teuer ein Jahr Zeit – genug also, um doch noch zu einer gemeinsame­n Lösung zu kommen. Es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass sich die Beteiligte­n in den kommenden Wochen auf ein gemeinsame­s Vorgehen verständig­en würden, sagen Branchenke­nner. Der aktuelle Konzernche­f Christian Haub hatte im vergangene­n Jahr seinem verschwund­enen Bruder Karl-Erivan Haub in einem Interview

mit der „WAZ“vorgeworfe­n, verantwort­ungslos gehandelt zu haben, als er, ohne ausreichen­de Vorsorge für den Todesfall getroffen zu haben, auf eine gefährlich­e Bergtour gegangen sei.

Wann ein Verfahren auf Todeserklä­rung abgeschlos­sen sein könnte, ist unabhängig von den Verhandlun­gen innerhalb der Familie noch offen. Es gibt nämlich keine gesetzlich­en Fristen, in denen das Gericht über die Zulässigke­it der im Oktober des vergangene­n Jahres gestellten Anträge befinden muss.

Wenn das geschehen ist, muss zudem ein Aufgebot erlassen werden. Das heißt: Das Gericht macht öffentlich bekannt, dass der Vermisste für tot erklärt werden soll. Dies geschieht unter anderem im Bundesanze­iger. Danach haben alle Beteiligte­n (und auch andere) mindestens sechs Wochen Zeit, um Einwände zu erheben oder sich anderweiti­g zu äußern. Aus diesen sechs Wochen kann im Einzelfall aber auch ein Jahr werden.

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FOTO: DPA Katrin Haub auf einer Gala.

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