Erster Bericht über den Neandertaler
Im Sommer hatten Kalkarbeiter im Neandertal zwischen Erkrath und Düsseldorf einen bemerkenswerten Fund gemacht: Knochen, die der Besitzer des Steinbruchs zunächst für die Überreste eines Höhlenbären hielt, einer vor rund 28.000 Jahren ausgestorbenen Spezies. Die Gebeine wurden dem Wuppertaler Naturforscher Carl Johann Fuhlrott vorgelegt. Er erkannte, dass es sich um einen Menschen handeln musste – doch er sah auch die deutlichen Unterschiede zum modernen Homo sapiens. Durch eine Zeitungsmeldung wurde der Bonner Anatom Hermann Schaaffhausen auf die Entdeckung aufmerksam. Er bat Fuhlrott, die Gebeine selbst untersuchen zu dürfen. Der Wuppertaler brachte Knochen und Schädel persönlich nach Bonn. Am 4. Februar berichtete Schaaffhausen erstmals einem Fachpublikum von der Entdeckung. Doch beim Vortrag vor der „Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde“nahmen renommierte Wissenschaftler die Vermutungen Fuhlrotts und Schaaffhausens nicht ernst. Einer der prominentesten Gegner der These, es sei ein „Urmensch“gefunden worden, war der Arzt und Pathologe Rudolf Virchow: Er war davon überzeugt, dass Knochen und Schädel von einem modernen Menschen stammten und als Folge einer Krankheit stark deformiert seien. Während man hierzulande noch um die Bedeutung des Fundes stritt, gab ein Brite der Art ihren Namen: Der Geologe William King sprach 1863 bei einem Vortrag erstmals vom „Homo Neanderthalensis“. Später setzte sich die Überzeugung durch, dass im Neandertal eine eigenständige, vom Homo sapiens abweichende Menschenart gefunden wurde.