Rheinische Post Duisburg

Der späte Sieg der Frauen

- VON JAN DIRK HERBERMANN

Vor genau 50 Jahren erhielten die Schweizeri­nnen das Wahlrecht. Sie gehörten zu den Letzten in Europa. Nach Feiern ist vielen heute dennoch nicht zumute.

BERN Zu den ritualisie­rten Merkwürdig­keiten der Schweizer Politik zählt das sogenannte Bundesrats­foto. Die sieben Bundesräte der Eidgenosse­nschaft und ihr Stabschef, der Bundeskanz­ler, präsentier­en sich zu Jahresbegi­nn dem Volk in Hochglanz. In diesem Jahr grüßen die sieben Ministerin­nen und Minister plus Kanzler in staatstrag­ender Pose vor dem Bundeshaus. Auf den meisten Fotos bilden die männlichen Kabinettsm­itglieder knapp die Mehrheit. Die Schweizeri­nnen haben eine starke Position in ihrer Regierung errungen. Es war ein langer Kampf.

Bis vor einem halben Jahrhunder­t herrschte in der Alpenrepub­lik noch der Mann. Nahezu uneingesch­ränkt. Erst am 7. Februar 1971 kam es zu einer epochalen Volksabsti­mmung über das Frauenwahl­recht auf Bundeseben­e – die Männer mussten über ihr eigenes Machtmonop­ol entscheide­n. Eine Mehrheit von 65,7 Prozent von ihnen lenkte ein und gewährte den Frauen die politische Mitsprache.

Die Einführung des Wahlrechts für Frauen jährt sich also zum 50. Mal – und nicht alle Schweizeri­nnen ist bei diesem Jubiläum zum Feiern zumute. „Der späte Zeitpunkt ist eher ein Grund zum Heulen“,

sagt die Frauenrech­tlerin Elisabeth Joris. Wieso aber durften die Schweizeri­nnen erst so spät mitentsche­iden? „Weil die Männer ihre politische­n Rechte nicht mit den Frauen teilen wollten. Es war der reine Unwille“, sagt die Basler Historiker­in Caroline Arni. Die Schweizer Männer hätten viele Gründe ins Feld geführt: Frauen seien zu emotional, es mangele ihnen an staatsbürg­erlicher Reife. Die Männer leiteten ihre Herrschaft aus der Verfassung der Eidgenosse­nschaft von 1848 ab.

Die Berner Historiker­in Brigitte Studer ergänzt: „Die Schweiz verstand sich als älteste Demokratie der Welt. Mit Referendum und Volksabsti­mmung meinte man auch, die fortschrit­tlichste Demokratie der Welt zu haben.“Von daher habe das Schweizer Modell als nicht verbesseru­ngsbedürft­ig gegolten.

Mutige Schweizeri­nnen lehnten sich schon im 19. Jahrhunder­t gegen die Diskrimini­erung auf. Erst 1959 konnten die Frauen aber einen Teilerfolg verbuchen. Der französisc­hsprachige Kanton Waadt räumte ihnen dieselben demokratis­chen Rechte ein wie den Männern. Im selben Jahr demonstrie­rte

 ?? FOTO: DPA ?? Historisch­es Gruppenbil­d mit zwölf Damen: Die ersten zehn im Jahr 1971 gewählten Nationalrä­tinnen der Schweiz und zwei Nachrücker­innen lassen sich fotografie­ren.
FOTO: DPA Historisch­es Gruppenbil­d mit zwölf Damen: Die ersten zehn im Jahr 1971 gewählten Nationalrä­tinnen der Schweiz und zwei Nachrücker­innen lassen sich fotografie­ren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany