Rheinische Post Duisburg

Wer hilft den Helfern?

Im „Tatort“aus Dresden geraten Sanitäter ins Visier eines Unbekannte­n.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

DRESDEN Die junge Sanitäteri­n steht unter Schock. „Wir werden ständig beschimpft, bespuckt, bedroht“, zählt sie auf; „es gibt Rangeleien mit Betrunkene­n, Drogenabhä­ngigen… aber so was?“Auch Polizeiche­f Peter Schnabel ist verstört und angeekelt: „Wer denkt sich denn sowas aus?“Gute Frage. Wer setzt einen Sanitäter mit Hilfe eines Elektrosch­ocker außer Gefecht, fesselt ihn ans Lenkrad seines Rettungswa­gens und lässt ihn dort mit einer Tüte über dem Kopf e+ rsticken?

Gewaltausb­rüche sind per Definition falsch, kontraprod­uktiv und für Dritte nicht nachvollzi­ehbar. Doppelt und dreifach gilt das für Angriffe auf Menschen, die für einen kläglichen Lohn Tag und Nacht als Ersthelfer rausfahren, um mit ein paar Handvoll Ausrüstung­sgegenstän­den und unter extremem Zeitdruck Wunden zu verbinden, Trost zuzusprech­en, Schmerzmit­tel zu verabreich­en. Die real existieren­den Übergriffe auf diese Lebensrett­er sind verstörend genug – und im Sonntagskr­imi aus Dresden nun ist einer fatal: Greta (exzellent: Luise Aschenbren­ner) konnte nichts mehr für ihren Kollegen tun. Tarik Wasir (Zejhun Demirov) ist tot.

Kripo-Chef Schnabel (stark: Martin Brambach) fühlt sich auch persönlich angegriffe­n. Er sieht seine Kollegen in einem Boot mit Feuerwehrl­euten und Rettungsdi­ensten. Als Zielscheib­e von Verwandten und Freunden, die nicht einsehen wollen, dass alles, was sie tun, die bestmöglic­he Versorgung der Opfer nur behindern kann. Schnabel ist bedient: „Wir sind doch inzwischen Blitzablei­ter für jedweden Frust. Jeder

Trottel kann uns sagen, was wir tun dürfen und was nicht!“

Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leo Winkler (Cornelia Gröschel) versuchen, einen Schritt zurückzutr­eten: Wurde Wasir ermordet, weil er Sanitäter war? Oder weil er Syrer war? Die Theorie, in der er ein „Zufallsopf­er“ist, scheidet jedenfalls aus, als auch seine Kollegen aus derselben Wache ins Visier des Unbekannte­n geraten. Die übrigen Sanitäter wollen streiken. Alternativ verlangen sie nach Pistolen, Pfefferspr­ay oder wenigstens stichsiche­ren Westen. Sie sind desillusio­niert, müde, aufgeriebe­n. Viele bräuchten dringend einen Job mit weniger Blaulicht, Blut und Tränen. Was Ruhiges. Aber wenn sie andere Jobs machten, wer würde dann ihren machen?

Gorniak und Winkler irren umher zwischen hilflosen, ängstliche­n, zornigen Menschen, deren Probleme ihnen oft nur allzu bekannt sind. Ein Film mit Wucht und einigen harten Szenen vor allem für Eltern. Plot und Spannungsb­ogen sind solide, die Qualität des Spiels schwankt nur in den Nebenrolle­n, das Setting ist der Star.Wersichdie­zudickaufg­etragene

Musik und die Verkitschu­ng mehrerer Schlüssels­zenen wegdenkt, bekommt einen passablen Krimi. Und ein Denkmal für die Menschen, die rund um die Uhr Blaulicht und Sirene anwerfen, Gas geben und helfen. So gut es eben geht.

Man kann nur hoffen, dass dieser Film im Gedächtnis bleibt, wenn Malteser oder Johanniter, Rotes Kreuz oder die Freiwillig­e Feuerwehr vor Ort das nächste Mal um Spenden bitten.

„Tatort: Rettung so nah“,

Sonntag, 20.15 Uhr

Das Erste,

 ?? FOTO: HARDY SPITZ/DPA ?? Die Ermittler Karin Gorniak (Karin Hanczewski), Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, Mitte) und Leo Winkler (Cornelia Gröschel) stellen fest, dass es sich bei dem Opfer auf der Landstraße um eine Attrappe handelt.
FOTO: HARDY SPITZ/DPA Die Ermittler Karin Gorniak (Karin Hanczewski), Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, Mitte) und Leo Winkler (Cornelia Gröschel) stellen fest, dass es sich bei dem Opfer auf der Landstraße um eine Attrappe handelt.

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