Schulden sind nie kostenlos
Union und SPD streiten über die Zukunft der Schuldenbremse und geben einen Vorgeschmack auf den Wahlkampf. Schon bei der Haushaltsaufstellung für 2022 dürfte die Verfassungsregel erneut ausgesetzt werden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz gibt sich in diesen Tagen hinreichend vage, wenn es um die Haushaltspolitik nach der Bundestagswahl am 26. September geht. Der SPD-Kanzlerkandidat muss erst ausloten, wie weit er in der Koalition noch gehen kann, schließlich ist er auch Regierungsmitglied und nicht nur Wahlkämpfer.
Angesprochen auf ein mögliches erneutes Aussetzen der Schuldenbremse im kommenden Jahr sagte Scholz vergangene Woche: „Wir werden zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten mobilisieren müssen, wenn wir nicht ganz falsche Entscheidungen treffen wollen.“Dazu gehöre etwa, sozialstaatliche Infrastrukturen und Leistungen zu kürzen. „Wir sind froh, dass wir ein gutes Gesundheitswesen haben. Es wäre ja verdammt dumm, wenn wir das jetzt zusammenstreichen würden. Das werde ich in jedem Fall verhindern.“Hinter diesen Sätzen verbirgt sich mehr, nämlich eine handfeste Auseinandersetzung über den künftigen finanz- und wirtschaftspolitischen Kurs einer neuen Bundesregierung, die Scholz gerne anführen würde.
Die SPD und mit ihr die anderen linken Parteien des Spektrums sehen die Schuldenbremse als Hindernis bei der Bewältigung der Corona-Krise und der Herausforderungen durch Klimawandel und Demografie. Sie wollen die Schuldenregel in der Verfassung reformieren, wenn nicht abschaffen, wie etwa die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal.
Die Union dagegen fürchtet um ihren Markenkern und will die Schuldenbremse über die schwere Zeit retten. Zwar erkennt auch die Union, dass es wohl unvermeidbar, aber auch bequemer sein wird, die Schuldenbremse schon bei der Haushaltsaufstellung für 2022 wieder auszusetzen. Doch reformieren oder uminterpretieren will sie sie auf keinen Fall.
Der Vorstoß von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), die Bremse durch eine Grundgesetzänderung für mehrere Jahre zu lockern, überschritt eine rote Linie bei den Konservativen. Braun wurde vom neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet zwar zurückgepfiffen, doch der Geist ist aus der Flasche: Die Union ist im Abwehrkampf, die SPD in der Offensive bei der Schuldenbremse. Noch sind sie Regierungspartner, doch der Kampf um das vorherrschende Narrativ, das sich in den Köpfen der Wähler festsetzen soll, ist längst entbrannt. Lässt sich eine gute Zukunft nur noch mit einem Dauerdefizit finanzieren? Die SPD meint Ja, die Union Nein. Oder wird eine gute Zukunft überhaupt nur durch die Beibehaltung der Schuldenbremse möglich sein? Die Union meint Ja, die SPD Nein.
Die Schuldenregel im Grundgesetz wurde im Jahr 2009 von einer Allparteien-Föderalismuskommission beschlossen und 2011 eingeführt. Nach einer Vorbereitungszeit durften die Länder seit 2020 keine neuen Schulden mehr machen. Für den Bund gilt schon seit 2016 die Regel, dass seine jährliche Neuverschuldung maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen darf.
Der zulässige Betrag ist abhängig von der Konjunkturlage und kann zwischen einer einstelligen und niedrigen zweistelligen Milliardensumme variieren. In Notlagen wie der Finanzkrise und der Corona-Krise kann der Bund vorübergehend ein höheres Defizit fahren, muss aber zugleich Tilgungspläne für die kommenden Jahrzehnte vorsehen.
Da die Steuereinnahmen auch noch 2022 und danach deutlich niedriger sein werden als vor der Krise und der Staat den Aufschwung danach nicht durch Kürzungen oder Steuererhöhungen ersticken darf, ist schon abzusehen, dass
„Eine Lockerung der Schuldenbremse wäre ein großer Fehler“
Lars Feld
Vorsitzender der Wirtschaftsweisen