„Die Klimaerwärmung ist auf der Überholspur“
Wetterdaten zeigen, dass starke Schneefälle im Westen mittlerweile zur Rarität geworden sind. Doch Experten warnen: Dass es dieses Jahr mal wieder mehr schneit, ist nur eine weitere Folge des fortgeschrittenen Klimawandels.
DÜSSELDORF Bis zu 40 Zentimeter Neuschnee prognostiziert der Deutsche Wetterdienst (DWD) für die kommenden Tage in NRW. Zum wiederholten Male. Schon zum Jahreswechsel und in den ersten Januar-Wochen schneite es immer wieder, auch im flachen Rheinland, wo der Schnee allerdings nie lange liegenblieb.
Beim DWD haben sich deshalb in den vergangenen Wochen viele Menschen gemeldet, die den Klimawandel hinterfragten. „Wir haben keinen harten, sondern lediglich einen etwas normaleren Winter, was den Schneefall angeht“, sagt Andreas Friedrich vom DWD. „Das ist vielleicht etwas in Vergessenheit geraten, weil in den vergangenen Jahren viele der bisher schneeärmsten Winter in Serie aufgetreten sind.“Auch in diesem Winter seien die Monate Dezember und Januar
im Durchschnitt wärmer gewesen als während der internationalen Referenzperiode 1961 bis 1990: Um etwa drei beziehungsweise ein Grad. Friedrich kommt stattdessen zu dem Schluss: „Die Klimaerwärmung ist auf der Überholspur“.
Dieses Bild ergibt sich auch aus der Schneedaten-Auswertung unserer Redaktion. Die ausgewählten DWD-Wetterstationen in den verschiedenen Gebieten und Höhenlagen NRWs verzeichnen im Zeitraum von 1990 bis 2020 viel weniger Schneedeckentage und an diesen Tagen eine deutlich niedrigere Schneedecke als im Vergleich zur Periode von 1960 bis 1989: Tage mit Schneedecke gingen um 21 bis 55 Prozent zurück, Schneehöhen um fünf bis 69 Prozent – je nach Standort. Auch Tage mit Dauerfrost nahmen in den vergangenen 30 Jahren um sechs bis 25 Prozent ab.
Dass es trotzdem immer wieder Winter mit viel Schneefall gibt, wie in diesem Jahr oder zuletzt 2010 und mit Abstrichen auch 2013, schließe sich laut Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nicht aus. Ganz im Gegenteil: Er vermutet, dass der Klimawandel gar zu Wetterlagen beitrage, die Schneefall begünstigen würden: „Durch immer wärmere Sommer heizen sich die Meeresflächen in Nord- und Ostsee stärker auf und geben diese Wärme im Winter ab“, sagt Hoffmann. „Fällt das dann mit einer günstigen Wetterlage und einem nördlichen Anströmen gegen die Mittelgebirge zusammen, kann es zu massiven Schneefällen kommen.“
Genau diese Konstellation ergebe sich in diesem Jahr durch das Wetterphänomen „Polarwirbelsplit“. Hoffmann und seine Kollegen am PIK haben bereits 2017 festgestellt, dass die Schwächen des Polarwirbels zunehmen und vermuten, dass das ebenfalls mit der Erderwärmung zu tun haben könnte. Denn die Eismassen heizen sich durch sie etwa doppelt so stark auf wie die Kontinente in den mittleren Breiten, die Temperaturunterschiede nehmen also ab. „Das verändert auch die Luftströmungen. Bei dem Entstehen von Hitzewellen ist das schon recht gut verstanden. Inwieweit die auch für Kältewellen im Winter gilt, ist das noch nicht eindeutig verstanden.“
Weil eine wärmere Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen könne, würden sich viele milde Winter aneinanderreihen. Und auch in Wintern mit geschwächtem Polarwirbel bliebe der Schnee meist nur in den Mittelgebirgen länger liegen.