„Die Bürger brauchen Klarheit und Perspektive“
Die Grünen-Doppelspitze in NRW über Lockerungen im Lockdown, die Nachfolge von Armin Laschet und das Schulfach Sowi.
BANASZAK Ein Stufenplan ist kein starres System. Natürlich muss man auch auf Unvorhergesehenes reagieren können. Aber der Ministerpräsident hat doch selbst noch im Herbst von einem Langzeitplan gesprochen, den es spätestens ab Januar brauche. Und jetzt stellt er sich in den Landtag und sagt, man könne nicht seriös in die Zukunft schauen. Wenn sich Herr Laschet nicht mehr traut, über zwei Wochen hinauszublicken, dann ist das ein verheerendes Signal der Überforderung. mit dem Finger auf die Kommunen und sagen: „Ihr seid ja schuld, dass es nicht klappt.“Das muss aufhören.
Corona wird uns wohl über den Herbst hinaus noch beschäftigen. Sorge, dass dies ein monothematischer Bundestagswahlkampf wird? BANASZAK Das glaube ich nicht. Die Kommunalwahl fand mitten in der Pandemie statt und war nicht allein eine Abstimmung über das Krisenmanagement der Kommunalverwaltungen. Da ging es um Zukunftsthemen wie die Mobilitätswende. Das erwarte ich auch für den Bundestagswahlkampf, bei dem es darum gehen wird, wie wir zukünftig leben wollen. Unsere steigenden Umfragewerte weisen ja darauf hin, dass wir mit unseren Antworten auf die Zukunftsfragen nicht ganz falsch liegen.
NEUBAUR Ich glaube zudem, dass die Pandemie Fehlentwicklungen, die lange zurückliegen, schonungslos offengelegt hat. Bildungsungerechtigkeiten, Einkommensungleichheit, schlechte Beschäftigungsverhältnisse,
um nur drei Beispiele zu nennen. Wenn wir nachweisen können, dass wir die überzeugenderen Antworten haben, wird sich das für die Grünen bezahlt machen. Das Rennen ist so offen wie nie.
Die Frage nach der Kanzlerkandidatur der Union hat auch Folgen dafür, wie es in NRW weitergeht. Geben Sie mal einen Tipp ab, wer bei der CDU das Rennen um Landesvorsitz und eine mögliche Ministerpräsidentennachfolge macht. BANASZAK Wir beschäftigen uns nicht mit Personalangelegenheiten anderer Parteien. Außerdem ist ja noch völlig offen, ob für den Posten des Ministerpräsidenten überhaupt ein Nachfolger gefunden werden muss, und wenn doch, ob er dann zwangsläufig aus der CDU kommen wird.
Dann anders gefragt: Wer wäre Ihnen der liebste Gegner?
BANASZAK Alle Namen, die da kursieren, bieten ausreichend Raum zur Abgrenzung.
In den Umfragen im Land stehen die Grünen auf dem zweiten Platz. Es trennen Sie 13 Punkte von der CDU. Mit dem ersten Platz wird’s in Nordrhein-Westfalen wohl nichts mehr.
BANASZAK Warten wir mal die Bundestagswahl ab. Darauf liegt jetzt der Fokus. Und sie hat weitreichende Folgen für NRW. Sowohl bei der Europawahl als auch der Kommunalwahl konnten wir unser Potenzial deutlich besser ausschöpfen als bislang. Das Parteiensystem in NRW befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch – mit noch unbekanntem Ergebnis.
Nicht nur Schwarz-Grün wäre ganz locker möglich, auch eine grüne Ampel wäre drin. Die Frage ist: Auch mit den derzeit handelnden Personen?
NEUBAUR Das Fell des Bären wird erst verteilt, wenn er erlegt ist. Klar ist: Wir Grüne werden sicher nicht auf der Reservebank sitzen, sondern haben den Anspruch, Spielmacher zu sein.
Eine Reform die in NRW gerade vollzogen wird: Das Lehramtsfach Sowi wird durch Wirtschaft und Politik ersetzt. Warum laufen die Grünen dagegen derart Sturm? Ist doch am Ende nur eine Umetikettierung.
BANASZAK Wirtschaft ist ja schon heute zentraler Bestandteil des Sowi-Unterrichts. Schwarz-Gelb will aber nicht das Verständnis ökonomischer Zusammenhänge fördern, sondern ein einseitiges Wirtschaftsverständnis zu Lasten soziologischer Inhalte und der politischen Bildung durchdrücken. Es reicht nicht aus zu wissen, wie man eine Steuererklärung ausfüllt. Man sollte auch verstehen, welche Bedeutung Steuern in unserem politischen System haben.
Was spricht gegen einen lebensnahen Unterricht? Zumindest so lange man das theoretische Rüstzeug beibehalten wird.
BANASZAK Genau das ist der Punkt. Natürlich wollen wir, dass die Schüler die theoretische Grundlage haben,
NEUBAUR Quecksilber ist ein hochgiftiges Schwermetall, welches bis in die Nahrungskette gelangt. Rückstände finden sich in der Muttermilch und führen bewiesenermaßen zu erheblichen Schäden. Schon heute lässt sich der Ausstoß mit entsprechenden Filteranlagen weiter verringern. Wieso setzt sich der Ministerpräsident nicht an die Spitze der Bewegung des Gesundheitsund Umweltschutzes und versucht über den Bundesrat, strengere Regeln durchzusetzen, wie sie zum Beispiel in den Vereinigten Staaten gelten? Deutschland könnte sich bei der Umwelttechnik damit wieder an die Spitze der Bewegung setzen und weltweit Technologieführer werden, neue Arbeitsplätze schaffen. Da fehlt Armin Laschet der Mut zu einer zukunftsfähigen Industrie.