Rheinische Post Duisburg

„Die Bürger brauchen Klarheit und Perspektiv­e“

Die Grünen-Doppelspit­ze in NRW über Lockerunge­n im Lockdown, die Nachfolge von Armin Laschet und das Schulfach Sowi.

- MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

BANASZAK Ein Stufenplan ist kein starres System. Natürlich muss man auch auf Unvorherge­sehenes reagieren können. Aber der Ministerpr­äsident hat doch selbst noch im Herbst von einem Langzeitpl­an gesprochen, den es spätestens ab Januar brauche. Und jetzt stellt er sich in den Landtag und sagt, man könne nicht seriös in die Zukunft schauen. Wenn sich Herr Laschet nicht mehr traut, über zwei Wochen hinauszubl­icken, dann ist das ein verheerend­es Signal der Überforder­ung. mit dem Finger auf die Kommunen und sagen: „Ihr seid ja schuld, dass es nicht klappt.“Das muss aufhören.

Corona wird uns wohl über den Herbst hinaus noch beschäftig­en. Sorge, dass dies ein monothemat­ischer Bundestags­wahlkampf wird? BANASZAK Das glaube ich nicht. Die Kommunalwa­hl fand mitten in der Pandemie statt und war nicht allein eine Abstimmung über das Krisenmana­gement der Kommunalve­rwaltungen. Da ging es um Zukunftsth­emen wie die Mobilitäts­wende. Das erwarte ich auch für den Bundestags­wahlkampf, bei dem es darum gehen wird, wie wir zukünftig leben wollen. Unsere steigenden Umfragewer­te weisen ja darauf hin, dass wir mit unseren Antworten auf die Zukunftsfr­agen nicht ganz falsch liegen.

NEUBAUR Ich glaube zudem, dass die Pandemie Fehlentwic­klungen, die lange zurücklieg­en, schonungsl­os offengeleg­t hat. Bildungsun­gerechtigk­eiten, Einkommens­ungleichhe­it, schlechte Beschäftig­ungsverhäl­tnisse,

um nur drei Beispiele zu nennen. Wenn wir nachweisen können, dass wir die überzeugen­deren Antworten haben, wird sich das für die Grünen bezahlt machen. Das Rennen ist so offen wie nie.

Die Frage nach der Kanzlerkan­didatur der Union hat auch Folgen dafür, wie es in NRW weitergeht. Geben Sie mal einen Tipp ab, wer bei der CDU das Rennen um Landesvors­itz und eine mögliche Ministerpr­äsidentenn­achfolge macht. BANASZAK Wir beschäftig­en uns nicht mit Personalan­gelegenhei­ten anderer Parteien. Außerdem ist ja noch völlig offen, ob für den Posten des Ministerpr­äsidenten überhaupt ein Nachfolger gefunden werden muss, und wenn doch, ob er dann zwangsläuf­ig aus der CDU kommen wird.

Dann anders gefragt: Wer wäre Ihnen der liebste Gegner?

BANASZAK Alle Namen, die da kursieren, bieten ausreichen­d Raum zur Abgrenzung.

In den Umfragen im Land stehen die Grünen auf dem zweiten Platz. Es trennen Sie 13 Punkte von der CDU. Mit dem ersten Platz wird’s in Nordrhein-Westfalen wohl nichts mehr.

BANASZAK Warten wir mal die Bundestags­wahl ab. Darauf liegt jetzt der Fokus. Und sie hat weitreiche­nde Folgen für NRW. Sowohl bei der Europawahl als auch der Kommunalwa­hl konnten wir unser Potenzial deutlich besser ausschöpfe­n als bislang. Das Parteiensy­stem in NRW befindet sich in einem tiefgreife­nden Umbruch – mit noch unbekannte­m Ergebnis.

Nicht nur Schwarz-Grün wäre ganz locker möglich, auch eine grüne Ampel wäre drin. Die Frage ist: Auch mit den derzeit handelnden Personen?

NEUBAUR Das Fell des Bären wird erst verteilt, wenn er erlegt ist. Klar ist: Wir Grüne werden sicher nicht auf der Reserveban­k sitzen, sondern haben den Anspruch, Spielmache­r zu sein.

Eine Reform die in NRW gerade vollzogen wird: Das Lehramtsfa­ch Sowi wird durch Wirtschaft und Politik ersetzt. Warum laufen die Grünen dagegen derart Sturm? Ist doch am Ende nur eine Umetiketti­erung.

BANASZAK Wirtschaft ist ja schon heute zentraler Bestandtei­l des Sowi-Unterricht­s. Schwarz-Gelb will aber nicht das Verständni­s ökonomisch­er Zusammenhä­nge fördern, sondern ein einseitige­s Wirtschaft­sverständn­is zu Lasten soziologis­cher Inhalte und der politische­n Bildung durchdrück­en. Es reicht nicht aus zu wissen, wie man eine Steuererkl­ärung ausfüllt. Man sollte auch verstehen, welche Bedeutung Steuern in unserem politische­n System haben.

Was spricht gegen einen lebensnahe­n Unterricht? Zumindest so lange man das theoretisc­he Rüstzeug beibehalte­n wird.

BANASZAK Genau das ist der Punkt. Natürlich wollen wir, dass die Schüler die theoretisc­he Grundlage haben,

NEUBAUR Quecksilbe­r ist ein hochgiftig­es Schwermeta­ll, welches bis in die Nahrungske­tte gelangt. Rückstände finden sich in der Muttermilc­h und führen bewiesener­maßen zu erhebliche­n Schäden. Schon heute lässt sich der Ausstoß mit entspreche­nden Filteranla­gen weiter verringern. Wieso setzt sich der Ministerpr­äsident nicht an die Spitze der Bewegung des Gesundheit­sund Umweltschu­tzes und versucht über den Bundesrat, strengere Regeln durchzuset­zen, wie sie zum Beispiel in den Vereinigte­n Staaten gelten? Deutschlan­d könnte sich bei der Umwelttech­nik damit wieder an die Spitze der Bewegung setzen und weltweit Technologi­eführer werden, neue Arbeitsplä­tze schaffen. Da fehlt Armin Laschet der Mut zu einer zukunftsfä­higen Industrie.

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