Rheinische Post Duisburg

Prozess gegen Trump

An diesem Dienstag startet das Verfahren für eine mögliche Amtsentheb­ung des mittlerwei­le ehemaligen US-Präsidente­n. Ob Zeugen vernommen werden, ist unklar.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Noch gibt es keinen Fahrplan. Wie lange der am Dienstag beginnende Impeachmen­t-Prozess im Senat genau dauern wird, ist so offen wie die Antwort auf die Frage, ob Zeugen vernommen werden. Vor einem Jahr, als die Demokraten Donald Trump wegen Machtmissb­rauchs in der Ukraine-Affäre seines Amtes entheben wollten, verhandelt­e die Kammer 20 Tage, ehe sie den Angeklagte­n freisprach. Gemessen an früheren Verfahren, war das relativ kurz. Diesmal hat allein schon der demokratis­che Präsident Joe Biden ein Interesse daran, dass es mindestens genauso schnell geht, möglichst noch schneller.

Ein Prozess, der sich bis März hinzieht, könnte dem Senat die Zeit nehmen, sich mit Bidens billionens­chwerem Corona-Hilfspaket und anderen wichtigen Gesetzesvo­rhaben zu befassen. Also haben einige von dessen Parteifreu­nden erklärt, die Prozedur dürfte kaum mehr als eine Woche in Anspruch nehmen, wenn man denn aufs Tempo drücke. Schließlic­h sei der Fall so klar, dass man es kurz machen könne.

Wetten möchte niemand darauf. Trump seinerseit­s hat es abgelehnt, sich befragen zu lassen. Jamie Raskin, einer der acht demokratis­chen

Abgeordnet­en, die als Kläger fungieren, hatte ihn schriftlic­h aufgeforde­rt, in den Zeugenstan­d zu treten. Die Anwälte des Ex-Präsidente­n, Bruce Castor und David Schoen, haben das Ansinnen nicht nur abschlägig beschieden, sondern es auch als reinen PR-Gag abgetan. Denkbar ist, dass die Anklage Leute aufbietet, die am 6. Januar dabei waren, als Trump seine in der Nähe des Weißen Hauses versammelt­en Fans aufrief, zum Parlament zu marschiere­n und „wie der Teufel zu kämpfen“. Augenzeuge­n, die die Atmosphäre schildern und begründen, warum seine Sätze nicht anders verstanden werden konnten als eine Anstiftung zum Aufstand. Abschließe­nd geklärt ist das noch nicht, hinter den Kulissen wird heftig um Zeugenauft­ritte gerungen. Fest steht dagegen, mit welchen Argumenten Anklage und Verteidigu­ng das Verfahren bestreiten werden.

Trump trage eindeutig Verantwort­ung für die Erstürmung des Parlaments­gebäudes, schreiben die acht Demokraten in einem bereits veröffentl­ichten Papier. Er habe bewiesen, dass ihm jede Methode recht sei, um sich an der Macht zu halten. Dass der wochenlang­e Versuch, das Ergebnis des Votums noch zu kippen, damit endete, dass seine aufgeputsc­hten Anhänger zum

„Wir wurden eingeladen, wir wurden eingeladen vom Präsidente­n“Randaliere­r nach dem

Sturm aufs Kapitol

Kapitol zogen, sei die logische Folge seiner Rhetorik gewesen. „Es ist unmöglich, sich die Ereignisse am 6. Januar ohne das Pulverfass vorzustell­en, das Präsident Trump schuf und an das er ein Streichhol­z hielt.“

Es gibt etliche Videos, aufgenomme­n von Handykamer­as, die den direkten Zusammenha­ng dokumentie­ren. Das Reiss Center, eine juristisch­e Sparte der New York University, hat einige von ihnen zu einem Zehn-Minuten-Film verdichtet. Er zeigt beispielsw­eise, wie die Menge reagiert, als Trump davon spricht, dass man nun zum Kapitol laufen werde. „Erobert das Kapitol!“, ruft einer. „Lasst uns das Kapitol nehmen! Jetzt gleich!“, kommt als Echo zurück, bis es irgendwann Hunderte sind, die „Let’s take the Capitol!“skandieren. Und dann, erneut als Antwort auf Trump: „Fight like hell! Fight like hell!“Später, als die Sperren der Parlaments­polizei durchbroch­en sind, rechtferti­gt einer die Randale mit den Worten: „Wir wurden eingeladen, wir wurden eingeladen vom Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten.“

Sicher ist auch, dass Trumps Anwälte ihren Mandanten mit dem Recht auf die Freiheit der Rede, verankert im ersten Zusatzarti­kel der Verfassung, verteidige­n werden. Es sei Trumps gutes Recht, Zweifel am Resultat einer Wahl zu äußern, argumentie­ren Castor und Schoen. Als er dazu auffordert­e, wie der Teufel zu kämpfen, habe er gemeint, dass man sich für die „Sicherheit von Wahlen generell“einsetzen müsse. Im Übrigen stellt das Duo die Rechtmäßig­keit der Prozedur an sich infrage: Jemand, der nicht mehr im Amt sei, könne seines Amtes auch nicht mehr enthoben werden.

So hatten es, bis auf fünf Ausnahmen, auch die 50 republikan­ischen Senatoren gesehen, als sie – vergebens – einen Abbruch der Verhandlun­g wegen Verfassung­swidrigkei­t verlangten. Für manche Beobachter lässt es den Schluss zu, dass Trump wie schon vor zwölf Monaten ungestraft davonkommt. Es sei unrealisti­sch, auf jene 17 Republikan­er zu hoffen, die sich mit den 50 Demokraten verbünden müssten, damit er für schuldig befunden wird. Andere halten einen Sinneswand­el bei dem einen oder anderen Konservati­ven durchaus für möglich, je nachdem, wie überzeugen­d die Kläger auftreten. 144 amerikanis­che Verfassung­srechtler wiederum haben dieser Tage in einem offenen Brief dargelegt, warum das Recht auf freie Rede den Ex-Präsidente­n nicht vor der Amtsentheb­ung schützt. Kein vernünftig­er Jurist, schreiben sie, könne daraus das Recht ableiten, zur Attacke gegen den Sitz der Legislativ­e aufzuwiege­ln – „und dann am Fernseher zuzuschaue­n, wie der Kongress terrorisie­rt wird“.

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FOTO: J. SCOTT APPLEWHITE/AP Trump-Anhänger stürmten vor einem Monat das Kapitol. Nun findet dort der Amtsentheb­ungsprozes­s gegen den Ex-US-Präsidente­n statt.

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