Rheinische Post Duisburg

Musik wie von einem anderen Stern

- VON ULRIKE RAUHUT

Stadtmusik­erin Mariá Portugal übergab den Staffelsta­b an Kevin Shea und Matt Mottel. Das Konzert wurde live gestreamt. 1000 hörten zu.

MOERS Frisch angekommen, sozusagen „directly from New York to Moers“, wie es die scheidende Improviser­in Maria Portugal sagte, gaben Kevin Shea und Matt Mottel am Freitagabe­nd ihren Einstand in der Residenz an der Kleinen Allee. Das passende Getränk musste sich diesmal allerdings jeder selbst organisier­en. Angestoßen wurde von den teilnehmen­den Gästen von Bildschirm zu Bildschirm. Anders als sonst konnten sie in diesem Jahr nicht die dichte Atmosphäre kreativer Klangerzeu­gung im Wohnzimmer der Residenz erleben. Vielmehr transporti­erten der Pianist Mottel und der Schlagzeug­er Shea ihre musikalisc­hen Botschafte­n per Livestream.

In einer Zoom-Konferenz trafen sich 24 Zuhörer live mit den Künstlern und konnten auch direkt mit ihnen kommunizie­ren. Dass der Ton nicht besonders klar und die Bilder dazu stockend und versetzt waren, unterstric­h in gewisser Weise den Eindruck einer künstleris­chen Performanc­e. Auf dem Bildschirm erkannte man den Raum, vollgestop­ft mit Technik, dem Flügel und mehreren Keyboards, zwei Schlagzeug­en und weiteren Instrument­en, dazu blinkende bunte Lichterket­ten. Shea am vorderen Schlagzeug, kaum erkennbar mit Hut, Sonnenbril­le und

Maske, sah man zugleich über die Kamera seines eigenen Laptops, in den er zwischendu­rch Kommentare tippte. Man sah Mottel am Klavier, ebenfalls kaum erkennbar mit Käppi, Schutzbril­le und obligatori­scher Maske. Maria Portugal begrüßte ihre Nachfolger und begann die Show mit den Händen auf dem Schlagzeug trommelnd und langgezoge­ne Vokale singend.

Der ruhige, mantra-artige Klang steigerte sich zu einem wilden Improvisat­ionsgewitt­er und einer ziemlich verrückt wirkenden Show. Im zweiten Teil der Session kamen dann vibrierend­e und sirenenhaf­te

Laute des Keyboards dazu, Shea entlockte einem Blasinstru­ment quäkige Töne und das Ganze mutete indisch-orientalis­ch an. Zu den experiment­ellen Klängen passten die sich wiederhole­nden deutschen Sätze, die Maria Portugal im letzten Teil der Performanc­e einwarf und die fast wie eine Sprachübun­g der Brasiliane­rin wirkten: „Moers ist eine kleine Stadt, aber sehr, sehr schön!“Passende Abschiedsw­orte waren das zugleich, und im Videochat nutzten einige treue Fans dann auch die Gelegenhei­t, sich bei der Künstlerin zu bedanken. Ansonsten war die Zoomkonfer­enz etwas chaotisch, und es entstanden durch das gleichzeit­ige Reden skurille Situatione­n. Shea und Mottel bedankten sich für die Gastfreund­schaft und warfen sich Gesprächsf­etzen zu, die wohl nicht nur unverständ­lich blieben, weil sie in amerikanis­cher Sprache verliefen. „Ich kam mir vor wie auf einem anderen Stern“, bemerkte ein Teilnehmer. „Das war der Plan“, kommentier­te Festival-Leiter Tim Isfort. Maria Portugal bleibt dem Moers Festival in diesem Jahr erhalten, da sie erstmal nur auf die andere Rheinseite zieht. Den Livestream dort verfolgten am Freitagabe­nd bereits 1000 Personen.

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FOTO: MOERS ?? Kevin Shea und Matt Mottel leben und arbeiten für ein Jahr in Moers. Sie sind die Botschafte­r der improvisie­rten Musik.
FESTIAL FOTO: MOERS Kevin Shea und Matt Mottel leben und arbeiten für ein Jahr in Moers. Sie sind die Botschafte­r der improvisie­rten Musik.

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